Köln – Die Vertreter der CDU sehen keinen Grund, ihre Genugtuung zu verbergen. Sie haben soeben einen juristischen Sieg erzielt, über die SPD, die Grünen und die Linke ebenso wie über Stadtdirektor Guido Kahlen. „Gut, dass Gerichte unabhängig von Parteibüchern entscheiden“, sagt CDU-Chef Bernd Petelkau und spricht von einem „Erfolg für die Demokratie in unserem Land“.
Der Grund der Freude: Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen das Ergebnis der Kommunalwahl stattgegeben. Die Stimmen eines Briefwahlbezirks in Rodenkirchen müssen neu ausgezählt werden, da ein Fehler zu Lasten der CDU vermutet wird. Es geht zwar nur um 123 Stimmen. Doch wegen des knappen Gesamtergebnisses der Kommunalwahl könnte die CDU über ihre Reserveliste ein Mandat hinzugewinnen. In dem Fall würde ausgerechnet Jochen Ott, Oberbürgermeister-Kandidat der SPD, seinen Sitz verlieren.
Zweifel an der Niederschrift
Es ist ein entscheidender Moment im Verhandlungssaal. Birgit Herkelmann-Mrowka, Präsidentin des Verwaltungsgerichts, bittet die Prozessgegner nach vorn an ihren Tisch. Sie zieht die Niederschrift über den Rodenkirchener Briefwahlbezirk mit der Nummer 20874 hervor; jenes Bezirks, dessen Ergebnis zum Streit über die Neuauszählung und zu der Klage der CDU geführt hat. Das von ehrenamtlichen Wahlvorständen ausgefüllte Dokument enthalte mehrere Unregelmäßigkeiten, stellt die Richterin fest. Schwerer noch als das Fehlen einer Unterschrift sei der Umstand zu gewichten, dass die Zahl der abgegeben Stimmen nicht eindeutig vermerkt ist. So bleibt unklar, ob die Wahlhelfer 707 Zettel ausgewertet haben oder 708. Für die 4. Kammer steht deshalb fest: Der Glauben an die Richtigkeit der Urkunde ist erschüttert – und damit das Vertrauen in das Rodenkirchener Ergebnis insgesamt.
„Nachdem sich die Auseinandersetzung über die Gültigkeit der Kommunalwahl nun schon fast ein Jahr hinzieht, ist aus unserer Sicht der Rechtsfrieden und die zügige Klarheit über das Wahlergebnis gegenüber einer Fortsetzung des Rechtsstreits in nächster Instanz vorzuziehen, sofern sich in der Urteilsbegründung nicht offensichtliche Unstimmigkeiten befinden.“
„Die nun anstehende Nachzählung hätten wir deutlich früher haben können. Wenn der Stadtdirektor nicht erklärt hätte, die Wahlunterlagen seien vorbildlich geführt worden und böten keinerlei Anlass zu Zweifeln, hätte der Wahlprüfungsausschuss wohl unmittelbar nach der Wahl beschlossen, das Ergebnis des fraglichen Stimmbezirks zu überprüfen.“
„Die grüne Ratsfraktion respektiert das Verwaltungsgerichtsurteil und möchte auf weitere Rechtsmittel verzichten. Der Kölner Rat ist handlungsfähig, und eine weitere Auseinandersetzung ist für das politische Handeln nicht förderlich.“
„Das Verwaltungsgericht hat dafür gesorgt, dass die Bürgerinnen und Bürger nun ihrer Wahlentscheidung wieder vertrauen dürfen. Gemeinsam mit der CDU werden wir beraten, inwieweit eine Sondersitzung des Rates erforderlich ist.“
Spätestens in diesem Augenblick muss Stadtdirektor und Wahlleiter Guido Kahlen ahnen, dass es ein schwarzer Tag wird für ihn. Der Sozialdemokrat hatte die Forderung der CDU nach einer Neuauszählung mit dem Hinweis zurückgewiesen, es bestehe kein Anlass, die Arbeit der Wahlhelfer des Bezirks 20874 in Zweifel zu ziehen. Die Niederschrift sei „sorgfältig verfasst“, hatte er stets betont. Es gebe keine Unregelmäßigkeiten, die eine Überprüfung des Ergebnisses rechtfertigen würden. Das gleiche hatte der von der Verwaltung beauftragte Gutachter Prof. Frank Baetge behauptet – fälschlicherweise, wie in der Gerichtsverhandlung am Mittwoch bekannt wurde.
Der Vorgang ist deshalb bedeutend, weil SPD, Grüne und Linke der Argumentation des Stadtdirektors gefolgt waren. Ihre Vertreter im Wahlprüfungsausschuss bestätigten den Wahlvorständen kurz nach der Wahl „eindeutig ordentliche Arbeit“, wie es die Sozialdemokratin Gabriele Hammelrath einmal ausdrückte. Es gebe keinen Grund für den Einspruch der CDU gegen den Wahlausgang in Rodenkirchen, hieß es bei Rot-Rot-Grün. Ein statistisch abweichendes Ergebnis allein liefere keinen Anlass, und sei es noch so extrem.
Gericht vermisst Auswertung
Nach Auffassung des Gerichts hätte der Wahlprüfungsausschuss jedoch weiter nachforschen müssen. Die CDU habe das Ergebnis „nicht mit bloßen Vermutungen ins Blaue hinein angegriffen“. Insbesondere hätte eine „vertiefte wahlstatistische Auswertung für eine Vertauschung der Zahl der Stimmen“ von CDU und SPD gesprochen. Diese Auswertung hatte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorgenommen: Eine Art Gegenprobe mit den Ergebnissen der drei Urnenbezirke in dem Gebiet des Briefwahlbezirks legt nahe, dass die Zahlen der CDU und der SPD beim Übertragen ins Protokoll verwechselt worden sind. Anders ist kaum zu erklären, dass die SPD-Kandidatin Elke Bussmann in der CDU-Hochburg Rodenkirchen in einem einzelnen Wahlbezirk einen Vorsprung von 17,5 Prozentpunkten vor ihrer Konkurrentin Alexandra von Wengersky hat. Sollte der Rat das Ergebnis ungeprüft übernehmen, sieht das Verwaltungsgericht „den Grundsatz der Gleichheit der Wahl dauerhaft verletzt“.
Den von den Grünen als Kompromiss angeregten Ratsbeschluss, sämtliche 1024 Stimmbezirke neu auszuzählen, hält das Verwaltungsgericht für unzulässig. Das ebenfalls am Mittwoch ergangene Urteil bestätigt die Bezirksregierung, die als Aufsichtsbehörde eine völlige Neuauszählung verboten hatte.
Erste Stellungnahmen signalisieren, dass die Ratsfraktionen beide Urteile akzeptieren werden. Die Vorbereitungen für die Neuauszählung der Rodenkirchener Stimmen können beginnen, gezählt werden soll so bald wie möglich.