Köln – Am Mittag ist es auf der Art Cologne noch wunderbar still. In den langen Gängen verlieren sich die frühen Besucher, und mit etwas Glück ertappt man die Müßigen unter den Galeristen dabei, wie sie letzte Hand an Bilder und Krawatten legen. So würde die Messe also aussehen, wenn nur Sammler mit festen Kaufabsichten kämen. Es ist kein Geheimnis, dass die große Mehrheit des Publikums nur zum Schauen da ist, erfahrene Händler nehmen den – in diesem Jahr besonders zeitig einsetzenden – Messetrubel als zuweilen lästiges, für die Außenwirkung des Produktes Kunstmarkt aber unverzichtbares Grundrauschen wahr. Nicht auszudenken, die Besucher der abendlichen Eröffnung würden jeder nur in ein einziges Kunstwerk investieren. Dann könnte Messechef Daniel Hug am Donnerstag fröhlich pfeifend ein Schild an die Tür hängen: Leider ausverkauft.
Gut und günstig
Aber auch der kaufunwillige Besucher ist nicht vor Versuchungen und Gedankenspielen gefeit: Wer Mitte der 1960er Jahre einen halben Monatslohn für ein verwischtes Gerhard-Richter-Bild ausgab, hat heute fürs Alter ausgesorgt. Fragt sich nur, wer in der aktuellen Auslage der neue Richter ist? Vielleicht James Beckett, der Autoteile, persönliche Andenken und mit Stoffen bespannte Holzgestelle zu verblüffend schönen Wandaltären verbaut; gewidmet sind sie, und hier wird es leicht morbide, Opfern von tödlichen Autounfällen.
Auch der Kölner Künstler Claus Richter weckt – Nomen est omen – vielleicht Hoffnungen auf ein Schnäppchen: Seinen schönen Scherenschnitten hat er dieses Mal eine hinreißende Modellbau-Märchenlandschaft aus mehreren hundert Einzelteilen hinzugefügt (Galerie Clages, ab 2500 Euro).
Aus der Sehnsuchts-Perspektive ähnelt die Art Cologne einer riesigen Lostrommel, in der jedes Los einen individuellen Preis hat und man frühestens in zehn bis 20 Jahren erfährt, ob man eine Niete oder den Hauptgewinn gezogen hat. Aber auch die mutmaßlich sicheren Werte sind nicht vor konjunkturellen Auf und Abs gefeit. Was, ins Positive gewendet, bedeutet, dass alles, was mal weg vom Fenster war, irgendwann auch wiederkommt. Am besten lässt sich das weiterhin an den stolzen Preisen der Zero-Künstler ablesen, dessen Kölner Höchstmarke Günther Ueckers Nagelbild „Phantom“ (Galerie Maulberger, 2,2 Millionen Euro) setzt. Wobei dieser siebenstellige Betrag in diesem Jahr nur einer unter vielen ist.
Zum Jubiläum haben sich die Händler von Klassischer Moderne und Nachkriegskunst nicht lumpen lassen: Ein Ernst Ludwig Kirchner für 2,3 Millionen (Henze & Ketterer), ein Joan Miró für 2,85 Millionen (Galerie von Vertes), Cy Twomblys 2,4 Millionen Euro teure „Mischtechnik auf Papier“ (Schönewald) und eine Zirkusszene von Marc Chagall für 5,5 Millionen Euro runden die längst nicht vollständige Liste der Spitzenwerke ab. Jetzt muss diese nette Geste nur noch von den Sammlern angenommen werden.
Das Beste vom Rest
Für Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker war die 50. Art Cologne die erste. „So sieht also“, staunte sie, „die Eröffnung eines Weltereignisses aus.“ Ein solches ist die wichtigste deutsche Kunstmesse allerdings schon längere Zeit nicht mehr; besonders bösartige Menschen behaupteten sogar, auf der Art Cologne gäbe es das Beste von den Dingen zu kaufen, die auf den führenden Messen in Basel, Maastricht und London nicht zu sehen war.
In diesem Jahr ist das Beste vom Rest aber besonders gut, wenn nicht gar spektakulär: Angefangen bei den rustikalen Eisenbahnweichen, die Marianne Vitale als Totempfahl in die Senkrechte hievte (CFA), über Richard Jacksons Wandgemälde bei Hauser & Wirth bis zu einem frühen „Labstück“ von Franz West, das sich am ehesten als skifahrende Seltersflasche beschreiben lässt (Galerie Capitain). Auch für Gemütlichkeit ist gesorgt: Warum sich nicht in Gedanken auf einem zweckentfremdeten Wandteppich von Gerhard Richter räkeln (Schönewald), während die müde geschauten Augen auf einem Wollbild von Rosemarie Trockel ausruhen (Sprüth Magers)?Beinahe schon Tradition ist der ungemein verführerische Zangengriff am Eingang: Links grüßen Daniel Richters ganz und gar irreführend betitelten „ungeilen Jünglinge“ (Ropac), rechts locken die irrlichternden Farbmuster Bridget Rileys ins Innere der Jubiläumsschau (David Zwirner). Dass diese Art Cologne die beste seit Jahren ist, ist aber beileibe keine Augentäuschung.
Die Messe
Art Cologne, Koelnmesse, Halle 11, Eingang Süd
14.-17. April, 11-19 Uhr (So. 11-18 Uhr)-
Tageskarte 25 Euro (ermäßigt 20 Euro), 2-Tage-Karte 35 Euro, Abendkarte ab 16 Uhr (So. ab 15 Uhr) 20 Euro.