Die Kölner Kunstmesse Art Cologne ist dieses Jahr eine Zuflucht vor der politischen Weltlage. Von Krisenstimmung keine Spur.
Art Cologne 2024Zurück von der Strafbank des guten Geschmacks
Nichts ist von Dauer, aber alles kehrt wieder. Wo wüsste man das besser als auf der ältesten Kunstmesse der Welt? Die Art Cologne hat schon viele Moden kommen und gehen sehen und etliche Wiedergeburten vergessener Künstler und Kunstströmungen erlebt. Um die Gruselclowns der ersten Trump-Präsidentschaft aus den hinteren Atelierecken zu holen, war die Zeit vor der 57. Ausgabe allerdings zu knapp. Und der Bruch der ersten rot-gelben deutschen Regierungskoalition vor 42 Jahren (noch ohne perplexe Einsprengsel von Grün), ließ die Künstler eher kalt. Damals fürchtete man die geistig-moralische Wende Helmut Kohls. Ach, es waren unbeschwerte Zeiten.
Sind Krisenzeiten gute Zeiten für den Kunstmarkt?
Sind Krisenzeiten gute Zeiten für den Kunstmarkt? Diese Frage schwebte schon in den letzten Jahren über den gediegenen Teppichen der Art Cologne, doch bange machte sie niemanden. Auch bei der aktuellen Vernissage war von trüber Stimmung nichts zu spüren. Vielleicht sind die politischen Eindrücke noch zu frisch, um sich die Kauflaune verderben zu lassen. Oder wollen es sich die rheinischen Sammler angesichts der Weltlage wenigstens zu Hause schön machen?
Passend zum Ende der sozial-liberalen Liebe scheinen jetzt auch am deutschen Kunstmarkt die 1980er Jahre mit Macht zurückzukommen, nachdem sie sich die populären Künste schon vor einiger Zeit unterworfen haben. Sogar die Mitglieder der Mülheimer Freiheit, über Jahrzehnte hinweg auf die Strafbank des guten Geschmacks verbannter Inbegriff der (absichtlich) schlechten Malerei, kommen wieder in voller Mannschaftsstärke zu Ehren. Am Stand von Michael Haas zieht ein anatomisch recht anspruchsvoll konstruierter „Mann mit Kerze“ (1982) von Walter Dahn die Blicke auf sich (der linke Arm ist wie Kaugummi gedehnt), gleich daneben behauptet Georg Dokupil mit einer Parodie auf den Surrealismus das „Ei des Kolumbus“ (1984-86) gefunden zu haben.
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Einige Bilder habe er selbst vor 40 Jahren im Mülheimer Atelier gekauft, so Haas, andere beim Kölner Galeristen Paul Maenz oder auf Auktionen erstanden (mutmaßlich zu Spottpreisen). Die Mülheimer hätten damals völlig „angstfrei“ gemalt und gegen alle Autoritäten aufbegehrt; das sei etwas, was in der heutigen Kunst weitgehend verloren gegangen sei. Auch Sprüth Magers, eine Galerie, die von Köln aus die Welt eroberte, schmückt sich seit einiger Zeit wieder mit Dahn’schen Großformaten. In diesem Jahr hat Sprüth die Sprayarbeit „Baselitz-Pop“ zurück an ihren Entstehungsort Köln gebracht.
An Mut zum Dilettantismus hat es den Mülheimern wahrlich nicht gefehlt, ihr Nicht-Können stellten sie gerade dort zur Schau, wo es sofort auffällt – in der figurativen Malerei. Beinahe gediegen wirkt daneben ein infernalisches Diskobild von Jörg Immendorf („Es gibt keine Hölle“ von 1982), das bei Michael Werner zu sehen ist. Wie kein zweiter Galerist kann Werner aus dem Reservoir der „wilden“ deutschen Malerei der 80er Jahre schöpfen. Leider hat er sich seinen Stand mit einer von Immendorffs späten Affenbronzen (mit lebensgroßem Joseph Beuys) versaut.
Auch die Art Cologne war in den 1980er Jahren noch vom Erfolg verwöhnt, aber die Zeiten, in denen sie unter den globalen Topmessen rangierte, werden so schnell nicht wieder kommen. Als Leitmesse des deutschen Kunsthandels steht sie gleichwohl weiterhin für Qualität, was man nicht mit mangelndem Mut zum Neuen verwechseln sollte. Wenn Karsten Greve die Kundschaft mit einem monumentalen Zen-Bild von Qiu Shihua empfängt, ist das durchaus ein Wagnis, denn die Zeit, sich in diese „unsichtbare“, wie unter dichtem Nebel liegende Landschaft einzusehen, bringen auf einer Messe die wenigsten Besucher mit. Kölner Sammler haben einen Startvorteil, denn mehrere Bilder Qiu Shihuas waren vor einigen Jahren im Museum für Ostasiatische Kunst zu sehen.
Jan Kaps hat ebenfalls ein Komplementärwerk zu einer Kölner Ausstellung im Angebot. Im Museum Ludwig hängt Kresiah Mukwazhis riesige Textilarbeit aus Verschlussbändern von Büstenhaltern an der Stirnwand des Treppenhauses, am Stand der Galerie gibt es dazu die To-Go-Variante. Auch die anderen Künstler bei Kaps sind bereits in jungen Jahren museumsreif: Rasha Omar zeigt maskenhafte Porträts von Paradiesbewohnern, Tobias Spichtig kreuzt eine berühmte Brancusi-Büste auf einem Gemälde mit der Anmutung von Aliens. In anderen Sphären bewegt sich die Kombinationslust beim Kölner Galeristen Thomas Zander: Bei ihm hängt ein graues Bild von Gerhard Richter neben einer kargen Landschaftsaufnahme des Fotografen Robert Frank, so selbstverständlich, dass man glauben könnte, die Bilder seinen füreinander gemacht.
Bei Daniel Buchholz ließen sich zwei Besucherinnen auf einer bronzenen Bank von Anne Imhof nieder
Manche Kritiker nörgeln gerne über die viele auf Messen angebotene „Hängeware“. Aber Gemälde verkaufen sich nun einmal am besten, und Skulpturen ins Messegedrängel zu stellen, birgt seine eigenen Gefahren. Bei Daniel Buchholz ließen sich zwei Besucherinnen auf einer bronzenen Bank von Anne Imhof nieder (ein leger darauf drapiertes Kleidungsstück aus Bronze ignorierend), um Imhofs grandioses Atompilzbild dahinter in aller Ruhe studieren zu können. „Die Bank hält das aus“, meinte Buchholz nur, und Imhofs weltweit gefeierte performative Kunst vermutlich auch.
In der unteren Halle mit dem gediegeneren Angebot war auf der Kunst zu sitzen dagegen erlaubt – jedenfalls bei Wienerroither & Kohlbacher. Mehrere Sammler posierten auf einer Ring-„Wurst“ von Franz West, was gut zum Schmäh der übrigen Auslage passte: Akte von Egon Schiele und ein fantastisches, mit Farbe und Pinsel ausgeführtes „Massaker“ von Otto Muehl. Hätte der mehr berüchtigte als berühmte Wiener Aktionist doch mehr gemalt und sich weniger als Sektenführer geriert.
Bei anderen Skulpturen waren Verwechslungen mit Sitzgelegenheiten ausgeschlossen. Eine schöne Terrakottaarbeit von Eduardo Chillida (bei Boisserée) taugte mangels Masse nicht mal als Hocker, und den riesigen Aluminiumbündeln von Anna Fasshauer (bei Nagel/Draxler) fehlt die einladende Geste. Die gebürtige Kölnerin legt selbst Hand an ihre abstrakten Monumente, in denen das Feste erstaunlich dehnbar erscheint und das Schwere so leicht wirkt wie ein Klebestreifen-Knäuel. Wegwerfkunst ist dies trotzdem nicht. Sondern dazu bestimmt zu bleiben.
Art Cologne, Koelnmesse, 7. bis 10. November 2024, Vernissage: 7. November, 16-20 Uhr, Fr.-Sa. 11-19 Uhr, So. 11-18 Uhr. Tageskarte (außer Vernissage): 34 Euro/ 29 Euro. Abendkarte (ab 16 Uhr): 29 Euro. Tickets auf https://tickets.artcologne.de