Köln – Augustin Hadelich hat es mit der mediterranen, zumal der spanischen und lateinamerikanischen Kultursphäre – mit Habanera und Tango. Das zeigt sich in Hauptprogrammen – etwa mit Sarasates „Carmen-Fantasie“ – genauso wie in seinen Zugaben. Tárregas „Recuerdos de la Alhambra“ spielt er ebenso gern wie – so jetzt im Saison-Eröffnungskonzert des WDR Sinfonieorchesters in der Kölner Philharmonie – Carlos Gardels „Por una Cabeza“.
Alles kein Problem für den deutsch-amerikanischen Stargeiger
Das Stück ist von Haus nicht für Violine solo bestimmt, die entsprechende Umschrift muss die angezeigte Harmoniefülle durch Mehrfachgriffe herstellen. Kein Problem für den deutsch-amerikanischen Stargeiger, der in dieser Spielzeit beim WDR als Artist in Residence amtiert. Er verfügt über eine perfekte Technik und, vor allem, über jene seltene Schönheit und Reinheit des Tons, die gerade im Fall von Doppelgriff-Folgen auch bei arrivierten Meistern des Fachs schon mal auf der Strecke bleibt.
Kommt diese kontrollierte Vollendung der musikantischen Geste, die diese Musik fordert, nicht schon mal in die Quere? Sicher, Hadelich rastet nicht feurig aus, streichelt auch nicht besonders Gardels folkloristische Aspekte. Aber sein Spiel wird auch nicht unsinnlich, sondern erfüllt sich im sonoren, obertonreichen und satten, also ohne Schärfe durchdringenden Sound seiner Guarneri aus dem Jahre 1744.
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Das WDR Sinfonieorchester kann sich somit glücklich schätzen, diesen Ausnahmegeiger enger an sich gebunden zu haben – ausweislich auch einer neuen CD mit Sarasate, Prokofjew und Britten. Dort dirigiert Chefdirigent Cristian Macelaru, der jetzt auch das erste Saisonkonzert leitete. Hier glänzte Hadelich in Dvoráks Violinkonzert mit wunderbar singenden Phrasen, lupenreinem, allzeit genau ausformuliertem und gerundetem Passagenspiel – und einer gut entwickelten Dialogbereitschaft gegenüber den Orchesterinstrumenten, den Celli zum Beispiel.
Die Begleiter ihrerseits ließen sich nicht lange bitten, langten indes streckenweise zu kraftvoll um nicht zu sagen: fettig zu. Dies gerade auch im langsamen Satz, wo man sich manches verhaltener, kammermusikalischer gewünscht hätte.
Bei Rachmaninow ging Cristian Măcelaru in die Vollen
Strahlte da vielleicht schon das Schlussstück, Rachmaninows zweite Sinfonie, auf den ersten Programmteil aus? Tatsächlich wäre ein Dirigent ausgerechnet hier, beim leicht triefenden Wohllaut dieses Werkes, schlecht beraten, asketische Zurückhaltung zu üben. Macelaru ging also berechtigterweise in die Vollen, was gerade in den großen Steigerungspartien immer wieder eine Aura lasziver Wollust zeitigte.
Dabei blieb es zum Glück aber nicht. Der gelernte Geiger konnte immer wieder zeigen, dass diese Sinfonie nicht nur Amaretto-Sahne absondert, sondern durchaus strukturiert und „gebaut“ ist. Da gibt es zum Beispiel ein Fugato und architektonisch originelle Sonatensatz-Konzeptionen. Die diesbezüglich gewahrte Balance stiftete somit ein rundum befriedigendes Hörerlebnis – auch für die Gebildeten unter den Rachmaninow-Verächtern.