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Ausstellung im Kölner WallrafWas uns ein nackter Knabe über die Liebe lehrt

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„Schlag auf Schlag" nach Otto van Veen

  1. 1608 brachte Otto van Veen eine illustrierte Fibel über den Liebesboten Amor heraus. Sie wirkt heute erstaunlich modern.
  2. Für christliche Moralapostel war Amor mehr Teufelsbraten als Glücksbote. Van Veen erzählt dagegen von der Vielfalt der Liebe.
  3. Warum sich diese kleine, aber feine Ausstellung nicht nur an Valentinstag lohnt.

Köln – Seitdem wir nicht mehr daran glauben, dass hinter jeder Ecke (oder auf jeder Wolke) höhere Wesen lauern, hat auch der Götterknabe Amor seinen Schrecken verloren. Auf dem Höhepunkt seiner heidnischen Macht wurde der mit Pfeil und Bogen bewehrte Liebesgötze hingegen gerne mit Krallenfüßen und anderen mehr oder weniger teuflischen Abzeichen dargestellt. Seine unkeusche Nacktheit trieb jedem braven Christen die Schamesröte ins Gesicht, an seiner Hüfte baumelten die aufgefädelten Herzen seiner Opfer, und wie um diese zu verhöhnen, trug er über den Augen eine Binde. Wer vom Pfeil dieses Knaben getroffen und mit der Liebeskrankheit infiziert wurde, der verfiel sogleich der blinden, alles zerstörenden Leidenschaft.

Ein früher Bestseller über die Freuden und Risiken der Liebe

Mit diesem Zerrbild christlicher Moralapostel hat der Amor in Otto van Veens barockem Bestseller „Amorum Emblemata“ (Liebesembleme) freilich nicht mehr viel gemein. Der Band erschien 1608 in Antwerpen und sollte junge Erwachsene beiderlei Geschlechts augenzwinkernd über die Freuden, Irrungen und Wirrungen von Liebe und Lust aufklären. Hauptdarsteller auf beinahe allen der 124 Kombinationen aus illustrierendem Bild und erläuterndem Text ist der antike Liebesgott, wenngleich nicht immer in seiner gewohnten Rolle. Auf einem Sinnbild trägt ein blinder Amor einen lahmen Doppelgänger, was van Veen mit dem aristotelischen Lob der Zweisamkeit verbindet. Auf einem anderen wird der Liebesbote Opfer seines eigenen Gifts: Eine unerreichbare Geliebte fesselt ihn an den Marterpfahl und schürt unter seinen Füßen das Feuer unerwiderten Verlangens.

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Im Graphischen Kabinett des Kölner Wallraf-Richartz-Museums wird jetzt die barocke Liebesfibel mit 25 Beispielen aufgeblättert und durch Amor-Darstellungen derselben Zeit ergänzt. Schon am Umfang des Buches lässt sich das vielfältige Amor-Bild van Veens erahnen. Bei ihm ist der neckische Knabe weder ein Ungeheuer, das ungezügelte Lust sät, noch dessen platonisches Gegenteil, die Verkörperung der göttlichen Liebe. Stattdessen begegnen wir einer zu Streichen durchaus aufgelegten Figur, die uns freundlich vor seiner Wirkung und möglichen Nebenwirkungen warnt und die Menschen allenfalls in sanfte Fesseln legen will – etwa indem Amor die Leidenschaft von Mann und Frau in den sicheren Hafen der Ehe steuert.

Diese Liebesembleme sind also ein lebenserfahrenes Brevier des Ausgleichs, das nicht in Amor selbst eine Gefahr erkennt, sondern in seinen extremen Ausformungen und Ausdeutungen. Habt Spaß, aber nehmt euch in Acht, ließe sich seine Moral ins Moderne übertragen, denn beileibe nicht alles ist zum Lachen in diesem Buch – fragen Sie mal den unheilbar liebenden Schmerzensmann, den beinahe so viele Pfeile durchbohren wie den heiligen Sebastian. Aber selbst für diesen Märtyrer der Liebe gibt es vielleicht eine tröstliche Erkenntnis: Alle Liebe unter den Menschen führt einen näher zu Gott.

„Amor ist ewig – Liebeslektüre zur Rubenszeit“, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Obenmarspforten, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, 14. Februar bis 24. Mai 2020. Katalog: 12 Euro.