Zum 100. Geburtstag des Komponisten Györgi Ligeti gab es ein buntes Programm in Köln, darunter auch ein Abschlusskonzert an der Kölner Philharmonie.
„Das Ligeti-Experiment“Bühnenshow mit Schulklassen in NRW
Thema der bundesweiten „ARD Woche der Musik“ war in NRW György Ligeti. Anlässlich des hundertsten Geburtstags des ungarischen Komponisten gab es an vier Schulen in Köln, Brühl, Zülpich und Essen Workshops, Projekttage, Ausstellungen und Präsentationen. Durchgeführt wurden die Veranstaltungen von Studierenden der Hochschule für Musik und Tanz Köln sowie der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln unter Anleitung von Dozentinnen der Musikpädagogik.
Die 11 Klasse der Kölner Kaiserin Augusta Schule entwickelte mit Musiklehrer Daniel Schindler eine Bühnenshow zu Ligeti und dessen Sechs Bagatellen für Bläserquintett. Von einer jungen Moderatorin neugierig gemacht, „Ligeti hatte echt krassen Einfluss auf die Musik“, tauscht man sich erst einmal im WhatsApp-Chat darüber aus, was „Bagatellen“ und „Bläserquintett“ sind. Und weil man über den Komponisten auch nichts weiß, kontaktiert man diesen am besten gleich selbst: „ey ligeti kannst du mal was über dein leben erzählen? warum warst du in köln?“ Der 2005 Verstorbene schickt daraufhin kurze Sprachnachrichten und will schon ins Plaudern geraten, als er gebremst wird: „ok, reicht Ligeti!“
Konzert in der Kölner Philharmonie bildet den Abschluss
Den Chat können in der Schulaula alle über Beamer mitlesen. Im Wechsel damit spielen Jungstudierende der Essener Folkwang-Universität Ligetis frühes Bläserquintett. Zur zweiten Bagatelle gibt es ein kleines Bewegungstheater. Die Motivzelle der dritten Bagatelle setzt sich im eigenen Rap „Auf und davon“ fort. Und persönliche Eindrücke von der fünften Bagatelle visualisiert ein Cartoon. Beim Schulpublikum kommt das alles prima an: „echt krass Ligeti, und danke für die infoss“.
Alles zum Thema Kölner Philharmonie
- Sarah Wegener und Götz Payer in der Philharmonie Ein breites Spektrum an Glückszuständen
- Gürzenich-Konzert Eine Sternstunde dank Michael Sanderling und Gil Shaham
- Rudolf Buchbinder in Köln Eine Brahms-Aufführung von herausragender Qualität
- Philharmonie Köln Zentralwerke der slawischen Romantik
- „Musik der Zeit“ in der Kölner Philharmonie In der Küche des Menschenfressers
- Midori in der Philharmonie Ein Spiel, das bei sich bleibt und aufgesucht werden will
- „Quartetto“ der Kölner Philharmonie Das Signum Quartett bietet Weltklasse im kleinen Zirkel
Den Abschluss bildete ein Konzert in der Kölner Philharmonie, wo es prompt anders zugeht als sonst. Die Vorstellung beginnt eine Stunde früher, dauert nur eineinhalb Stunden, und bietet statt eines Programmhefts viel farbiges Licht sowie Bild- und Videoprojektionen. Durch das Programm führt Moderator Johannes Büchs, bekannt aus der „Sendung mit der Maus“ und „Kann es Johannes?“ im KiKA. Während der Aufführung von Ligetis Orchesterstück „Lontano“ sieht man historische Filmdokumente aus Köln sowie vom damaligen Studio für elektronische Musik und WDR Sinfonieorchester.
WDR Sinfonieorchester glänzt unter Roderick Cox
Anschließend erfährt man aus einem Interview von Ligetis Absicht, „Enttäuschung zu komponieren“. Der provokante Satz begeistert spontan das junge Publikum. Denn hier ist offenbar ein Trotzkopf am Werk, der nicht erfüllen will, was man von ihm erwartet. Statt langweiliger Melodien, Harmonien und Rhythmen schreibt er deswegen nur sich wechselseitig überlagernde Liegetöne. Einen möglichst leisen und lange gehaltenen Ton demonstriert dann der Bassklarinettist. Und der Fagottisten zeigt, wie schön gedämpft und weich sein Instrument mit einem ins Rohr gestopften Tuch klingt.
Zu Ligetis Frühwerk „Concert Românesc“ zeichnet Iryna Bilenka-Chaplin auf einem durchleuchteten Glastisch mit Sand in Windeseile wunderbar flüchtige Bilder von erstaunlicher Plastizität: Burgen, Bauernhöfe, Liebespaare, Blumen. Fasziniert gelauscht wird auch Béla Bartóks Konzertsuite „Der wunderbare Mandarin“. Während die Uraufführung der Pantomime 1926 an der Oper Köln skandalisiert wurde, kam der anti-klassische Gestus hundert Jahre später besonders gut an: energetisch, motorisch, körperlich, atmosphärisch. Das WDR Sinfonieorchester spielte unter Leitung von Roderick Cox mitreißend.
Den fulminanten Schlusspunkt setzte Sopranistin Sarah Aristidou mit Ligetis „Mysteries of the Macabre“. Die Arie ist ein exaltierter Nervenzusammenbruch mit Stottern, Keuchen, Lachen, kreischenden Spitzentönen und irrwitzigen Vokalkapriolen. „Das Ligeti-Experiment“ war ein voller Erfolg. Hoffentlich ist es der Anfang für viele weitere Projekte mit neuer Musik für junges Publikum. Denn was mit Ligeti bestens funktioniert hat, geht auch mit Gubaidulina, Nono, Stockhausen, Xenakis und vielen anderen.