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Debatte über ZentralbibliothekDie Kölner Kulturszene protestiert

Lesezeit 5 Minuten
Aussenansicht der beleuchteten Zentralbibliothek am Neumarkt.

Die Zentralbibliothek am Neumarkt.

Statt Sanierung stehen Abriss und Neubau der Zentralbibliothek zur Debatte. Dagegen regt sich jetzt Protest aus der Kölner Kulturszene.

Viele gemütliche Sofas zum Lesen, ein Spielbereich für Familien und eine kleine Dachterrasse im vierten Stock – so soll die Zentralbibliothek am Neumarkt nach ihrer Sanierung aussehen. Ein offener Raum für alle, mitten in der Stadt. Wie gut seine Idee von Innenarchitektur funktioniert, hat der Architekt Aat Vos schon bei der Stadtteilbibliothek in Kalk bewiesen – ein Kölner Vorzeigeprojekt.

Seit gut zehn Jahren laufen die Planungen für die Zentralbibliothek nun schon und eigentlich sollte sie für die Zeit der Sanierung schon bald in ein Geschäftshaus auf der Hohe Straße ziehen. Nun wird es wohl doch noch bis Ende des Jahres dauern, bis dort (hoffentlich) alles fertig ist.

Wann die Bauarbeiten also genau starten können, ist unsicher. Und plötzlich steht auch in Frage, ob sie überhaupt so beginnen können, wie geplant. Denn Kommunalpolitiker wie der Bürgermeister Ralph Elster (CDU) stellen jetzt die gesamte Sanierung in Frage und sprechen sich stattdessen für Abriss und Neubau aus – sogar ein ganz neuer Standort wird diskutiert.

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Viele aus der Kölner Kultur- und Literaturszene reagieren darauf entsetzt: Zumal sich herausstellte, dass es gar keine Probleme mit der Statik des Gebäudes gibt – eines der Hauptargumente für einen Abriss. Der Kölner Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) sprach in einem offenen Brief an die Oberbürgermeisterin von einer „Kampagne zugunsten des Abbruchs der bestehenden Bibliothek“. Und der Vorstand des Literaturhauses und Literaturszene Köln forderte „ein Bekenntnis zur Sanierung der Zentralbibliothek am Josef-Haubrich-Hof“ - ebenfalls in einem Offenen Brief an die Kölner Oberbürgermeisterin. Nun laden sie zu einer Solidaritätsveranstaltung „Für eine Zukunft der Zentralbibliothek am Josef-Haubrich-Hof“ ins Literaturhaus ein. Doch diese Zukunft ist ungewiss – im Mai will der Stadtrat darüber entscheiden.

Uns ist es wichtig, eine Öffentlichkeit zu schaffen. Es geht um Solidarität, aber auch um Aufmerksamkeit und Transparenz.
Bettina Fischer

„Uns ist es wichtig, eine Öffentlichkeit zu schaffen. Es geht um Solidarität, aber auch um Aufmerksamkeit und Transparenz. Eine Entscheidung mit solcher Tragweite sollte nicht eben mal so getroffen werden - ohne dass auch Bürger die Gelegenheit haben, sich dazu zu informieren und zu äußern“, sagt die Leiterin des Literaturhauses, Bettina Fischer.

„Es kann doch nicht sein, dass da plötzlich eine Sanierung in Frage steht, der schon ein langer politischer Prozess voran gegangen ist. Dass sogar erwogen wird, den Standort preiszugeben. Ein Standort mitten in der Stadt - ohne eine Alternative.“ Für sie wäre es ein herber Verlust, wenn rund um den Neumarkt die Bibliothek als die meistbesuchte Kultureinrichtung Kölns weg fiele. „Ausgerechnet jetzt, wo gerade überlegt wird, den Neumarkt zu gestalten und, ähnlich wie der Ebertplatz, kulturell zu ertüchtigen.“

Reinhard Angelis vom Kölner BDA wird auch bei der Solidaritätsveranstaltung dabei sein. Er fragt sich: „Wem nutzt diese Debatte, dass plötzlich längst getroffene Entscheidungen wieder umgestoßen werden sollen? Eine Antwort könnte sein, dass es Personen gibt, die es für eine gute Idee halten, am Standort der Zentralbibliothek ein Verwaltungszentrum zu bauen.“ Dabei sollte Kommunalpolitik doch eigentlich für Stringenz und Verlässlichkeit gerade stehen, findet er.

Was ist die beste Lösung für die Bibliothek? Darum geht es in der Debatte leider gar nicht, findet Rainer Osnowski: „Das ist ein Filetstück in der Stadt und das wollen sich die Bauherren natürlich gerne unter den Nagel reißen. Insofern ist das zu einem Politikum geworden, was mit der Zentralbibliothek nur noch am Rande zu tun hat. Und die Kultur in Köln hat wieder mal das Nachsehen“, sagt der Geschäftsführer der lit.Cologne. Das sei umso bedauerlicher, weil die Direktorin der Bibliothek, Hannelore Vogt und ihr Team seit Jahrzehnten hervorragende Arbeit machten.

Ohne Not ein Gebäude abzureißen – das müsse man vor dem Hintergrund der Klimadebatte ohnehin sehr sorgfältig prüfen, betont Architekt Reinhard Angelis. Zumal die Stadt sich ja auch selbst dem Ziel der CO2-Neutralität im Jahr 2035 verpflichtet habe. Für ihn ist das wichtiger als die Frage, ob das Gebäude heute als schön empfunden wird. „Auch ist es leider oft so, dass Gebäude aus bestimmten Architektur-Epochen abgerissen werden, kurz bevor man diese Zeit wieder entdeckt. Ein Beispiel dafür ist der Brutalismus. Diese Manie einer permanenten Runderneuerung der Stadt, die den aktuellen Zeitgeist bedient, finde ich tragisch.“

Vor dem Hintergrund der Klimadebatte muss man sehr sorgfältig prüfen, ob man heute noch ohne Not Gebäude abreißen sollte.
Reinhard Angelis

Das Argument, dass eine Sanierung grundsätzlich ein zu großes Risiko sei, lässt er nicht gelten. Die Zentralbibliothek aus den späten 70ern sei mit den Nachkriegsbauten von Oper und Schauspiel überhaupt nicht vergleichbar. „Und diese Überraschungen, die man hier in Köln erlebt hat, hätte man sich möglicherweise ersparen können, wenn man vorher noch genauer hingeschaut hätte. Es gibt beim Bauen immer Unsicherheiten, aber die gibt es beim Neubau auch.“

Und die Baukosten? Rund 140 Millionen Euro soll die Sanierung inzwischen kosten, bislang war die Stadt von rund 81 Millionen Euro ausgegangen. Doch die Baukosten explodieren gerade überall - egal ob bei Sanierung oder Neubau. „Warum sollte deswegen jetzt ausgerechnet ein mehrfach ausgezeichneter Literatur-Standort der Stadt darunter leiden“, fragt sich Bettina Fischer. Die Sanierung, in deren Planungen schon sehr viel Geld investiert wurde, könnte schließlich bald starten. Bei einem Neubau würde sich das Projekt noch viel weiter in die Zukunft verzögern. Noch mehr Zeit für die (Neu-)Baukosten also, immer weiter zu explodieren.

Würde man heute einen Standort für eine Bibliothek suchen, überlegt Reinhard Angelis, wäre ein wichtiges Kriterium die gute Erreichbarkeit - vor allem mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und die Einbindung in ein Umfeld, das von einer gute Ausstrahlung der Bibliothek profitiert. Auch als Angebot der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen, die eher am Rand stehen. „Vor diesem Hintergrund scheint mir die jetzige Lage am Neumarkt eigentlich ideal.“

"Für eine Zukunft der Zentralbibliothek am Josef-Haubrich-Hof - Eine Solidaritätsveranstaltung von Literaturhaus Köln und Literaturszene Köln" am Mittwoch, 8. März, um 19 Uhr. Reinhard Angelis (BDA) und Antje Deistler (Sektion Literatur im Kulturrat NRW) informieren. Mit Statements vertreten sind: Anton Bausinger (Förderverein StadtBibliothek), Bettina Fischer (Literaturhaus Köln/Literaturszene Köln), Maria Helmis (Kultursprecherin der SPD), Pater Stephan Kessler SJ (St. Peter) und Rainer Osnowski (lit.COLOGNE). Es moderiert Martin Stankowski. Die Veranstaltung kann auch im Livestream verfolgt werden: https://dringeblieben.de/videos/zentralbibliothek-koln-am-josef-haubrich-hof