AboAbonnieren

Gastbeitrag von Jürgen Domian„Liebe Greta, lass den Leuten doch die SUVs“

Lesezeit 6 Minuten
5FA0AA007D7D8FB4

Jürgen Domian

  1. Der bekannte Moderator Jürgen Domian schreibt in seinem Gastbeitrag einen Brief an Klimaaktivistin Greta Thunberg.
  2. Domian bezeichnet sich selbst als großen Freund der Natur: „In Köln kämpfe ich um jeden Baum“.
  3. Für Greta Thunberg hat er aber klare Worte und Kritik: „Ich muss Dir sagen, dass Du mir mittlerweile ziemlich auf die Nerven gehst.“

Liebe Greta,wie in Schweden üblich, erlaube ich mir ganz einfach, Dich zu duzen. Seit ein paar Jahren nun schon sprichst Du zu uns klare Worte und hältst mit Kritik nicht hinter dem Berg. Genauso werde ich es jetzt auch machen.

Eines vorweg: Auch ich bin ein großer Freund der Natur und grundsätzlich - wenn auch nicht parteipolitisch - tiefgrün eingestellt. In Köln kämpfe ich um jeden Baum, und dass die Gletscher weltweit schmelzen, tut mir in der Seele weh.Nun aber zu Dir. Ich habe lange gezögert, sprich mit mir gerungen, und nun sitze ich hier und kann nicht anders. Ich muss Dir sagen, dass Du mir mittlerweile ziemlich auf die Nerven gehst. Es gibt kaum eine Woche, in der Du nicht irgendwo in Erscheinung trittst und irgendjemandem mit moralinsaurer Miene Vorwürfe machst. Diese Woche zum Beispiel waren Ursula von der Leyen und die EU-Kommission dran. So fällt es mir immer schwerer, Dich und Deine Bewegung „Fridays for Future“ noch ernst zu nehmen.

Ist der Hype am Ende doch eine Inszenierung

Du bist sicher ein nettes Mädchen und hast ganz bestimmt das Herz auf dem rechten Fleck. Aber ich kann überhaupt nicht mehr einschätzen, ob der ganze Hype um Dich herum nicht doch nur eine geniale Inszenierung ziemlich cleverer PR-Manager ist, die mit Dir und der „Marke Greta“ einen ordentlichen Haufen Geld verdienen. Wärst Du ein - sagen wir mal - neunundvierzigjähriger Mann ohne Handicap, der die gleichen Dinge sagt und tut wie Du - kein Mensch spräche über Dich. So aber hatten die Medien gleich zu Beginn Deiner Karriere eine tolle Geschichte: eine Jugendliche, erkrankt am Asperger-Syndrom und zudem an Depressionen und Essstörungen leidend, sitzt herzzerreißend einsam mit einem großen handgeschriebenen Pappschild (Aufschrift: Schulstreik für das Klima) vor dem schwedischen Reichstag und demonstriert für eine gute Sache.

Wer da nicht hinschaut, ist selber Schuld. Wer darüber als Journalist nicht berichtet, hat seinen Beruf verfehlt. Die Aufmerksamkeit war Dir sicher. Und dann hat man Dich interviewt, und Du hast Sachen gesagt, die sich ein ausgebuffter Ghostwriter oder eben ein geschickter PR-Texter nicht besser hätte ausdenken können.

Anfangs war ich noch beeindruckt, aber im Laufe der Zeit konnte ich mich des Eindrucks nicht mehr erwehren, dass Du auswendig gelernte Antworten aufsagst oder von anderen formulierte Texte vor der Presse zum Besten gibst. So auch bei Deinem Auftritt vor der UN-Klimakonferenz 2019 in New York. Ich saß vor dem Fernseher und musste mich ein paarmal schütteln – vor lauter Fremdschämen.

Dein Gebaren war derart hysterisch, dass ich es kaum aushalten konnte. Und was Du dort nicht alles gesagt hast! Beispiel: „Wie könnt ihr es wagen, ihr habt meine Träume und meine Kindheit mit euren leeren Worten gestohlen.“

Liebe Greta, ich glaube, niemand hat Dir deine Kindheit gestohlen

Liebe Greta, ich glaube, niemand hat Dir deine Kindheit gestohlen. Wie Deine ganze Generation in den wohlhabenden Ländern, hattest Du die beste Kindheit seit Menschengedenken. So viel Freiheit und Wohlstand wie für Euch gab es nie zuvor. Hinzu kommt, dass Deine Generation und speziell Deine Fridays-for-Future-Freunde aus der Mittel- oder Oberschicht maßgeblich zu genau der Misere beitragen, die Ihr so lautstark anprangert. Seit Jahren lasst ihr Euch von Euren Eltern mit ihren dicken Autos bis vors Schultor chauffieren. Als Backpacker seid Ihr in der ganzen Welt unterwegs.

So globalisiert war keine Jugend zuvor. Ihr jettet zum Burning Man nach Nevada, macht Praktika in Singapur und Johannesburg, und wenn ein Star-DJ in Madrid auflegt, fliegt Ihr halt für einen Abend hin. Ja, ich weiß Greta, Du nimmst öffentlichkeitswirksam gerne mal das Segel-Bötchen und lässt Dich auf dem Boden im überfüllten ICE der Deutschen Bahn fotografieren, obwohl du danach Hunderte Kilometer in der ersten Klasse gesessen hast. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, dass auch Deine Eltern - Mutter Opernsängerin, Vater Schauspieler - erfahrene PR-Profis sind.

Fridays for Future – Euer Anliegen ist auch mein Anliegen

Hast Du übrigens gelesen, was James Lovelock, seines Zeichens einer der wichtigsten Vordenker der Umweltbewegung, über Fridays for Future sagt? „Das sind einfach Schüler und Studenten, die zu viel Zeit haben und auf die Straße gehen, um ein Thema aufzubauschen.“ So hart möchte ich nicht mit Euch ins Gericht gehen. Euer Anliegen ist auch mein Anliegen. Aber ich finde Euch zu undifferenziert, zu vorwurfsvoll, zu grob in der Argumentation.

Warum, Greta, gehst Du nicht dahin, wo es wirklich stinkt? Zum Beispiel nach Belchatow in Polen, zum größten Braunkohlekraftwerk der Welt? Es liegt nur 500 Kilometer von Berlin entfernt. Jedes Jahr werden dort 45 Millionen Tonnen Braunkohle verbrannt. Dieses Werk allein produziert mehr Treibhausgase als die Slowakei oder Irland. Und die Polen denken nicht im Traum daran, das Werk zu schließen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Geh nach Brasilien, nach Russland, China oder nach Indien! Da spielt die Musik. Das Weltklima wird nicht in Deutschland oder Schweden gerettet. Wir sind im Grunde völlig unbedeutend. Dennoch sollten wir natürlich Vorbild sein. Ich bin stolz darauf, in einem Land zu leben, in dem der Respekt vor der Schöpfung und der Natur schon jetzt einen so hohen Stellenwert hat. Aber natürlich sind wir noch lange nicht am Ziel. Arbeiten wir gemeinsam daran!

Aber bitte lass den Leuten ihre SUVs und ihre Urlaubsreise mit dem Flugzeug! Kämpfen wir lieber zusammen für Tempo 130 auf deutschen Autobahnen, Tempo 30 in den Innenstädten sowie einen massiven Ausbau des Schienennetzes. Verbreite nicht bei jedem Auftritt Angst und Panik! Sonst darfst Du Dich nicht wundern, dass sich immer mehr Leute von Dir abwenden. Suggeriere uns nicht permanent Schuld und ein schlechtes Gewissen! Schau lieber auch einmal in Dein eigenes Land! Schweden deckt 40 Prozent seines Energiebedarfs durch Atomstrom. Acht Reaktorblöcke sind in Betrieb. Der Eisenerzabbau in Lappland vernichtet gigantische Naturbestände. Es ist ein Bild des Schreckens, und mir blutet jedes Mal das Herz, wenn ich auf meinen Skandinavienreisen dort vorbei komme. Auch die Wasserkraftwerke im ganzen Land verursachen schwerwiegende, teils irreparable Eingriffe in die Ökosysteme.

Zum Schluss aber strecke ich Dir die Hand entgegen. Ich weiß aus der Schwulen- und Frauenbewegung, dass man/frau oft schrill, nervig, laut, penetrant und auch mal populistisch sein muss, um Gehör zu finden. Das ist normal, das gehört zum Geschäft. Allerdings muss man dann auch bereit sein, die Gegenreaktionen auszuhalten. Und vor allem, man darf sich nicht als unfehlbar darstellen und verstehen. Was ich damit sagen will: Entsorge bitte Deinen Heiligenschein! Natürlich umweltgerecht. Dann wären wir einen großen Schritt weiter, und ich könnte Dich wieder richtig sympathisch finden.

Herzlichst

DeinDomian