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„Hart aber fair“ARD-Wetterexperte warnt vor Dürreperioden von zehn Jahren

Lesezeit 7 Minuten
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Bei Hart aber fair kämpfte Marnette für sich allein.

Köln – „Eine weitere Gewissheit beim Thema Klima schwindet, nämlich dass Wassernot etwas Exotisches ist“, eröffnet Frank Plasberg die Diskussion. Ein Einspieler zeigt die niedrigen Pegel von Flüssen, selbst der mächtige Rhein ist nicht vor der Dürre sicher. Bei „hart aber fair“ wird über Klima und Energie diskutiert, vorangestellt mit dem Titel: „Die Jahrhundert-Dürre. Erleben wir gerade unsere Zukunft?“. Wobei mit Zukunft die Gegenwart gemeint ist und die eigentliche Frage dahinter lautet: Wie kommen wir aus der Nummer wieder raus?

„hart aber fair“: Die Gäste am 29. August

  1. Mona Neubaur
  2. Sven Plöger
  3. Carla Reemtsma
  4. Werner Marnette
  5. Alexander Held
  6. Rolf Schmiel:

Schock über den Rheinpegel, Sven Plöger mit klarem Wunsch

Die Gäste eint der Schock darüber, wie niedrig der Pegel des Rheins ist. Auch sind sich alle einig, dass Versäumnisse in der Vergangenheit zu dieser Situation geführt haben und man dringend etwas tun müsse. Gestritten wird über die Prioritäten und wie Energieversorgung mit Klimaschutz vereinbar ist.

Meteorologe Sven Plöger hält zu Beginn die Prämisse der Diskussion fest, dass trotz des Wortes „Jahrhundert-Dürre“ kein normales Wetter-Phänomen hinter der Trockenheit steckt. Besonders Ausmaß und Häufung der Dürren seien eine klare Auswirkung der Klimakatastrophe. „Wenn wir in Sachen Klimaschutz nicht vorankommen, würden wir am Ende des Jahrhunderts möglicherweise bei Dürren in der Mitte Europas landen, die bei zehn Jahren lägen“. In Bezug darauf, wie falsch die Bundesregierung in der Vergangenheit Putin eingeschätzt hat und wie die Klimakrise verschleppt wurde, erklärt er: „Mein größer Wunsch wäre, dass wir aufhören uns die Welt schönzureden.“

„Hart aber fair“: Aktivitsin Carla Reemstma teilt auch gegen die Grünen aus

Carla Reemtsma schießt gleich zu Beginn scharf gegen die derzeitige Regierung. Sie erinnert an die Folgen der Klimakrise, etwa die hohe Zahl an Hitzetoten in Deutschland, und spricht von einer „politischen Verantwortungslosigkeit“ beim Klimaschutz. Auch der Krieg gegen die Ukraine und die Sorge um die Energieversorgung im Winter böten keine mildernden Umstände bei der Vernachlässigung des Klimaschutzes, gerade die Abhängigkeit von billigem russischem Gas habe das große Sicherheitsrisiko gezeigt, das mit dem Fehlen erneuerbarer Energien einhergeht. Das „Schauermärchen“ eines Blackout gegen die Klimakrise auszuspielen hält sie für unredlich, die Lösung beider Probleme sei grüner Strom.

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Umwelt-Aktivistin Carla Reemstma fordert einen konsequenten Klimaschutz.

Mit der Streichung des 9€ Tickets beende die Regierung zudem ein sozial gerechtes Projekt zur Unterstützung des Klimas, und verteile mit der Gasumlage Milliarden an die „Klimakiller“-Konzerne. „Wir erleben einerseits mit genau den aufgezeigten Folgen der Klimakrise, von denen wir gerade gesprochen haben, dass es nicht mehr um Jahrzehnte oder Jahre geht. Wir können die Klimakrise nicht aufschieben, also können wir den Kampf gegen die Klimakrise nicht aufschieben.“

Eine starke Schelte hat sie für den Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), dessen Plan zur CO2-Einsparung im Verkehrsbereich lediglich 14 Millionen Tonnen einspart anstatt die anvisierten 260 Millionen, weswegen der Plan von dem Regierungseigenen Expertenrat bei der Prüfung im ersten Schritt gestoppt worden ist. „Was machen die Grünen gerade in der Regierung besser? Und wie können sie es noch verantworten in dieser Regierung zu sein, wenn sie es nicht einmal schaffen in einem der relevantesten Ministerien im Bereich Klima dem Verkehrsminister irgendwelche roten Linien aufzuzeigen?“

NRW-Ministerin Neubaur verteidigt den Kurs

Mona Neubaur betont gleich zu Beginn, dass sie ihre Klimaziele trotz des Krieges und der darauffolgenden Probleme mit der Energieversorgung nicht aufgeben wollen, sondern auch eine Schippe darauflegen können. Mit Reemstma teilt sie den Wunsch nach der Förderung erneuerbarer Energien. Gleichzeitig betont die Ministerin, dass die Regierung ein schweres Erbe einer Vorregierung übernommen habe. Um mit den Preissteigerungen auch die einkommensschwachen Bürgerinnen und Bürger nicht zu überfordern und um von russischem Gas loszuwerden, müsse man kurzfristig zu Gas und Kohle greifen. Hier müsse an anderer Stelle ein Ausgleich geschaffen werden. Ihr Wunsch ist es, langfristig durch den Ausbau von grünem Wasserstoff die industriellen Prozesse in Deutschland und Europa zu halten.

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Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.

Zur Kritik an der Gasumlage und Habecks Ankündigung einer Anpassung sagt sie: „Und das ist doch mal wohltuend, wenn jemand sagt: Das ist nicht gut gelaufen, ich werde es korrigieren. Und nicht aufhört trotzdem ambitioniert die Dinge, die geändert werden müssen, so schnell wie noch nie, in einem nicht vorhandenen Zeitfenster, jetzt anzugehen. Und darüber können wir alle ganz froh sein, dass da so eine große Einigkeit auch mit allen Ländern am Ende existiert, denn diese Gasumlage wurde im Bundesrat von allen Ländern und den Bundesländern beschlossen.“

Marnette als einziger für Atomkraft

Werner Marnette warnt davor, die Debatte „nicht ideologisch“ zu führen. Er plädiert für ein Moratorium beim Ausbau von Erneuerbaren Energien. Neben Kohlekraft müsse auch Atomkraft hochgefahren werden. Er räumt auf Plasbergs Hinweis ein, dass auch die CDU für dieses Versagen mitverantwortlich ist. „Wir sollten alle in Sack und Asche gehen“. Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz sollten alle gleichrangig behandelt werden.

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Werner Marnette stand in der Sendung mit seiner Forderung nach mehr Atomkraft alleine da.

Hierbei kritisiert er Gerhard Schröder, der mit den Gaskonzernen lediglich eine trügerische Versorgungssicherheit im Blick gehabt habe. Ins Schwanken gerät er, als er Reemtsma „erklären“ will, was damals eigentlich gemacht worden ist. Plasberg interveniert: „Sie müssen, glaub ich, einem jungen Menschen nichts erklären, der so im Stoff ist wie Frau Reemtsma. Die hat das drauf.“ Dass er Reemtsma im Verlauf des Abends nach Hamburg einlädt, um die Zahlen durchzugehen, kann man gutherzig als versöhnliche Geste deuten, wirkt aber sehr unglücklich. Sie wolle lieber über Atomkraft reden.

Auch für den Vorschlag der weiteren Atomnutzung wird er stark kritisiert. Während Reemtsma betont, dass auch Atomkraft eine Hochrisiko-Technologie sei, ergänzt Plöger, die Kühlung der Atomkraftwerke sei wegen der Erwärmung der Flüsse oder Niedrigwasser nicht gewährleistet. Mona Neubaur erinnert daran, dass man gerade viel Gas in der Stromproduktion verbraucht, um mit Frankreich solidarisch zu sein, das sich mit seiner Atomkraft verkalkuliert hat.

Forstexperte Alexander Held warnt vor fehlendem Bewusstsein für Brandgefahr

Plasberg holt den Forstexperten Alexander Held auf den Plan und fragt, ob wir uns an diese Szenarien gewöhnen müssen. „Selbstverständlich“, antwortet er, ebenso an Hochwasser, Stürme und Borkenkäfer, alle diese Extreme werden normaler werden. Während früher Brandenburg und Niedersachsen die üblichen Verdächtigen waren, sei heute das ganze Land brennbar. Eine Mischung aus langfristigen Maßnahmen wie Umbau der Wälder in Mischwälder, aber auch kurzfristige wie Schutzzonen um Siedlungen stehen an.

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Auch ein stärkeres Bewusstsein bei der Allgemeinheit müsse geschaffen werden, da viele Brände durch unachtsames Verhalten von Menschen verursacht werden. Das Feuerwehrwesen in Deutschland sei zwar sehr gut. „Aber wir dürfen keinen Fehler machen und diese Verantwortung für Waldbrand der Feuerwehr aufbürden. Das wäre sehr unfair dem Arzt, der an Symptomen rumdoktert, eine bessere Praxis hinzustellen, aber nicht die Ursachen zu bekämpfen.“

„Hart aber fair“: Hitzig wird es bei der Angst vor einer Preisexplosion

Hitzig wird die Diskussion, als Marnette auf Neubaurs Ausführungen zu erneuerbaren Energien reagiert. „Wir stehen in Deutschland vor einer gewaltigen ökonomischen Krise. Wir stehen vor Wohlstandsverlust. Ich frage mich, wie Sie das rechtfertigen wollen.“ Wiederholt plädiert er für das Hochfahren von Kohle- und Atomkraft, um die Wirtschaft und die Menschen daheim vor einer Preisexplosion zu schützen.

„Und Herr Habeck kauft weltweit zu Höchstpreisen Erdgas ein, um beispielsweise die Stromerzeugung darzustellen. Da müssen wir doch jetzt aktiv werden, Frau Neubaur. Wir sind in der Erpressungssituation eines Agitators, dem wir lange geglaubt haben, dass er uns billiges Erdgas besorgt. Herrgott nochmal, das müssen auch Sie begreifen!“

Plasberg greift die Existenzängste der Menschen auf, um Reemstma zu einigen versöhnlichen Worten über die Politik zu erweichen, doch es gelingt ihm nicht. Man müsse Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gemeinsam denken, wie bei dem 9€ Ticket. Dagegen können eine Gasumlage, das Festhalten am Dienstwagenprivileg oder ein Tankrabatt keine Antworten sein, vielmehr müsse man eine Übergewinnsteuer einführen, um soziale Entlastung zu bezahlen.

Sven Plöger trotz Warnung mit hoffnungsvollen Worten

Plöger unterstützt den Gedanken, das Finanzielle nicht von der Klimadebatte zu trennen. Er erinnert an die Flutkatastrophe im Ahrtal, die vermutlich 30 Milliarden Euro kosten werde. „Wenn wir also nicht die Realitäten zusammenführen, werden wir den Wohlstand komplett verlieren, also müssen wir jetzt den Mut haben und müssen uns an einigen Punkten klarwerden: Wir werden nicht immer alles so machen können wie bisher.“

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Das Schlusswort hat er ebenfalls. „Ich bin ja ein Rheinländer. So ein Rheinländer, der behält immer Hoffnung.“ Er erinnert an Weltrettungsfilme, bei denen man sich als Zuschauer fragt, warum die Protagonisten nicht verstehen, wo sie gerade stehen. Das sei im Moment auch der Meteorologen-Blick in die Welt. „Der würde sehr hoffnungslos enden, wenn ich das zuließe. Wenn ich mir aber dann überlege: Die Forschung sagt klar, dass wir viele Ziele erreichen können, wenn wir nicht A sagen und B machen und dann staunen, dass wir keinen Erfolg haben. Also wenn wir die Wege dessen gehen, die wir uns vornehmen, können wir auch noch eine ganze Menge erreichen, und dann wird’s persönlich für mich ganz spannend.“