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Ex-General bei „Hart aber fair“„Kampfjets braucht die Ukraine, und zwar schnell“

Lesezeit 5 Minuten
Hans-Lothar Domröse bei „Hart aber fair“

Hans-Lothar Domröse bei „Hart aber fair“

In der ARD kamen bei Moderator Louis Klamroth Befürworter und Gegner von Waffenlieferungen an die Ukraine zu Wort.

Seit einem Jahr herrscht Krieg in Europa. Am 24. Februar 2022 überfiel Russland auf Befehl von Präsident Putin die Ukraine. Im Rahmen eines ARD-Thementages ging es auch bei „Hart aber fair“ um die Situation im Osten Europas. Unter dem Motto „Putins Überfall, Europas Albtraum: Ein Jahr Krieg und kein Ende in Sicht?“ diskutierten unter Leitung von Moderator Louis Klamroth folgende Gäste: Vassili Golod (Ukraine-Korrespondent der ARD), Amira Mohamed Ali (Fraktionsvorsitzende der Linken), Hans-Lothar Domröse (ehemaliger deutscher Nato-General), Katarina Barley (SPD, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments) und Gesine Dornblüth (freie Journalistin, von 2012 bis 2017 Korrespondentin des Deutschlandradios in Moskau).

Live aus Russland zugeschaltet war Ina Ruck (Leiterin des ARD-Fernsehstudios in Moskau), live aus Kiew zugeschaltet war Andrij Melnyk (Vize-Außenminister der Ukraine und ehemaliger Botschafter in Deutschland).

Vassili Golod bei „Hart aber fair“: Sirenen sind das „schlimmste Geräusch, das es gibt“

Vassili Golod war für eine ARD-Dokumentation in der Ukraine unterwegs und hat mit den Menschen vor Ort gesprochen. Wie schaffen sie es, trotz all der Zerstörung und Einschränkungen durch die ständigen Angriffe ein alltägliches Leben zu führen? Wie blicken Familien in ihre Zukunft? „Es gibt den Versuch, damit klarzukommen, alle Ukrainerinnen und Ukrainer sind zu Militärexperten geworden“, sagt der Journalist.

Alles zum Thema Hart aber fair

Auf die Frage Klamroths, ob er sich als Korrespondent inzwischen an die Sirenen des Alarms gewöhnt habe, sagte er „Nein, das ist das schlimmste Geräusch, das es gibt.“ Im weiteren Verlauf des Abends verteidigte er deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine vehement. Eine andere Sprache verstehe Putin nicht.

Amira Mohamed Ali: „Wir haben nicht erreicht, dass der Krieg endet“

Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende der Linken, vertrat die pazifistische Meinung: „Wir sollten gar keine Waffen liefern“. Als Grund dafür führte die Politikerin an: „Wir haben nicht erreicht, dass der Krieg endet und das sollte das Ziel sein.“ Die Lieferungen führen ihrer Meinung nach zu weiteren Eskalationen. „Wir brauchen eine internationale Friedensoffensive, die Waffen haben diesen Effekt nicht gehabt.“ Ein diplomatischer Frieden sei in weite Ferne gerückt, Waffenlieferungen würden lediglich dazu führen, dass die Gefechte weitergehen, sie betonte weiter: „Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht in eine Situation begeben, dass sich dieser Krieg ausweitet.“

Hans-Lothar Domröse sagte dagegen: „Kampfjets braucht die Ukraine. und zwar schnell“. „Im Kern geht es um das Überleben der Ukraine“, so der Ex-General. Russland bereite eine enorme Offensive vor, 15 bis 20 Panzer aus Deutschland seien dagegen ein Tropfen auf dem heißen Stein. Kampfjets seien aktuell so wichtig, weil die Frontlinie insgesamt rund 1500 Kilometer lang sei. „Das dauert mit Panzern ja ewig, ein Flugzeug braucht von Süd nach Nord 1,5 Stunden“, rechnet er. In Bezug auf Putins Drohungen, auch vor dem Einsatz atomarer Waffen nicht zurückzuschrecken, betonte der ehemalige Nato-General: „Die nehme ich sehr ernst.“

Die „moralische Pflicht“ zu helfen

Katarina Barley, Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, sagte eindeutig „Der Krieg kann noch lange dauern.“ Klamroth hakte daraufhin nach: Was haben die Waffenlieferungen Deutschlands bisher gebracht? „Die Ukraine wäre nicht in der Lage gewesen, sich so zu verteidigen, wie sie es bis hierher getan hat“, so Barley. Auch die humanitäre Unterstützung Deutschlands und der EU hob sie hervor. Man habe die „moralische Pflicht dazu beizutragen, dass die Ukraine sich verteidigen kann.“

Gesine Dornblüth hat ein Buch über die in Russland lebenden Menschen geschrieben und betonte: „Die russische Gesellschaft hat ein Gewaltproblem.“ Es gebe Gründe dafür, dass vielen Russinnen und Russen dieser Krieg egal sei, zum Beispiel die Propagandamaschine von Präsident Putin. Die Gesellschaft Russlands beschreibt sie deshalb als „empathielos“ und „toxisch“. Auch sie vertrat die beschlossenen Waffenlieferungen Deutschlands: „Waffenlieferungen sind nicht automatisch der Grund dafür, dass Russland weitere Panzer schickt. Das würde Russland auch ohne deutsche Waffenlieferungen machen.“

„Hart aber fair“: ARD-Korrespondentin über Stimmung in Russland

Russland-Korrespondentin Ina Ruck schilderte Eindrücke aus Russlands Hauptstadt: „Hier in Moskau merkt man nicht so viel vom Krieg.“ Außerhalb der Hauptstadt sehe man allerdings volle Friedhöfe. Auf die Frage, ob die westlichen Sanktionen Wirkung zeigen würden, sagte sie: „Die großen europäischen Modeketten sind weg. Russische Kreditkarten gelten in vielen Ländern nicht mehr und Grundnahrungsmittel sind deutlich teurer geworden.“ Äußert sich die Bevölkerung kritisch gegenüber des Krieges, begehen Russinnen und Russen die Straftat „Verunglimpfung der Armee“.

Es sei erstaunlich, dass sich trotz vieler toter Söhne und Brüder die Stimmung im Land nicht drehe. Alles werde seitens der Regierung auf den Kampf gegen den Faschismus geschoben, „Die Leute glauben das.“ Auch die tägliche journalistische Arbeit sei beeinträchtigt, so Ruck. So werden Visa nur noch für drei Monate ausgestellt und die Berichterstattung über den Krieg, erfolge nicht mehr aus Moskau selbst, sondern aus der Ukraine und Deutschland.

Andrij Melnyk: „Dieser Krieg wird auf dem Schlachtfeld entschieden“

Andrij Melnyk, Vize-Außenminister der Ukraine, war live aus Kiew zugeschaltet und schilderte die aktuelle Lage: „Es gibt jeden Tag und jede Nacht Angriffe. Das Thema Waffenlieferungen ist der zentrale Punkt.“ Er sagte weiter: „Dieser Krieg wird auf dem Schlachtfeld entschieden.“ Über weitere Lieferungen, auch aus Deutschland, müsse man sprechen. Vor allem Kampfjets seien aktuell vonnöten, diese Bitte habe die Ukraine bereits im vergangenen Jahr bei der Bundesrepublik hinterlegt. Auf Klamroths Frage, ob sich seine Einstellung zu Deutschland verändert habe, sagte er: „Nein, ich mag dieses Land und die Deutschen können stolz sein.“ Damit bezog er sich auf die Waffenlieferungen.

Klamroth war mehrfach gezwungen, bei Wortgefechten einzuschreiten und aufgebrachten Diskussionsteilnehmern das Wort zu entziehen. Dabei wirkte er, wie bereits in den vorherigen Sendungen, souverän und gelassen. Diese Haltung konnte er in einigen Situationen auch auf die Diskussionsteilnehmer übertragen und hitzige Debatten damit beruhigen. Schon nach wenigen Ausgaben ist es ihm somit gelungen, der Sendung seinen Stempel aufzudrücken.

Erst seit Januar dieses Jahres moderiert Louis Klamroth die Sendung. Zuvor führte Frank Plasberg mehr als 20 Jahre lang durch die Polit-Show. Am 9. Januar 2023 gab der 33-jährige Klamroth sein Debüt. Bekannt wurde er 2003 als Schauspieler in dem Film „Das Wunder von Bern“.