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Premiere für Louis Klamroth„Vor uns liegen zwei weitere harte Jahre“

Lesezeit 4 Minuten
Louis Klamroth am Set von „hart aber fair“

Louis Klamroth hat am Montagabend seine Premiere als Moderator bei „hart aber fair“gefeiert. Er tritt die Nachfolge von Frank Plasberg an, der mehr als 20 Jahre durch die Sendung geführt hatte.

Louis Klamroth feierte Premiere als Nachfolger von Frank Plasberg bei „hart aber fair“. Der 33-Jährige wirkte souverän, sein Ton aber war meist freundlich. Der Sendung fehlte es an Struktur und Mut.

„Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft“ - So lautete das Motto von Frank Plasberg bei „hart aber fair“ und dem blieb auch sein Nachfolger Louis Klamroth treu. Dementsprechend kam in seiner Premiere als Moderator der ARD-Talkshow zum Thema „Ein Land wird ärmer: Wer zahlt die Krisenrechnung 2023?“ Metallarbeiter und Familienvater Engin Kelik als Erster zu Wort.

Seine vierköpfige Familie lebt von rund 2300 Euro netto im Monat. „Wie war Weihnachten für Sie?“, wollte Klamroth von ihm wissen. „Absolut abgespeckt.“ Statt größerer Geschenke habe es nur Kleinigkeiten gegeben.

Louis Klamroth feiert Premiere als Moderator von „hart aber fair“

Menschen wie Kelik, die die steigenden Preise besonders hart spüren, machen sich Sorgen um die Zukunft. „Können Sie ihm die Sorgen nehmen?“, fragte Klamroth daraufhin Monika Schnitzer, Wirtschaftswissenschaftlerin und Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. „Ich kann ihn verstehen“, sagte die Expertin.

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Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen spürten die Steigerungen besonders heftig. Eine wirkliche Entlastung sehe sie erst in zwei Jahren. Worauf Kelik erwiderte: „Dann ist das Schiff nicht mehr kurz vorm Sinken, dann bemühen wir uns nur noch, das Wrack zu bergen.“

Was folgte, war das übliche Talkshow-Geplänkel bestehend aus kleineren Scharmützeln zwischen dem SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU, Jens Spahn und Einordnungsversuchen von Schnitzer und „Spiegel“-Journalistin Melanie Amman.

Louis Klamroth: Freundlich-lockerer Umgangston

Klamroth versuchte sich an einem freundlich-lockeren Umgangston. Das klang dann so: „Denken Sie manchmal: Ach, scheiße. Wir machen doch schon so viel, aber es kommt irgendwie nicht an?“, fragte er etwa Klingbeil. Der räumte zwar einige Fehler ein, grundsätzlich habe die Koalition aber die richtigen Maßnahmen auf den Weg gebracht. „Wir haben vor ein paar Monaten gedacht, die Polarisierung nimmt zu“, so der SPD-Politiker. Aber so weit sei es nicht gekommen. Aber auch er betonte: „Vor uns liegen zwei weitere harte Jahre.“

Jens Spahn hingegen bezeichnete die Regierung wenig überraschend als zu zögerlich. „In einer der größten Wirtschaftskrisen streiten der Finanz- und der Wirtschaftsminister jeden Tag. Es ist immer sehr spät entschieden worden.“ Entlastungspakete seien gut und wichtig, aber es müsse auch im Kopf und Bauch etwas ankommen, betonte Amman. „Die Leute müssen das Gefühl haben, dass etwas passiert.“

Es ging viel um Angst und die Sorgen der Deutschen - für die dann stets Kelik herhalten musste - und die Frage, warum von manchen Maßnahmen auch Topverdiener profitieren und wie man die Bevölkerung gerecht entlastet. Klamroth zitierte mehrfach eine Umfrage, die besagt, dass 58 Prozent der Deutschen das Gefühl haben, es gehe in Deutschland ungerecht zu.

Weil ja die Alltagssorgen der Deutschen abgebildet werden sollte, wurden in einem Einspieler Kunden und Kundinnen vor einem Supermarkt befragt, wie sie mit den erheblichen Preissteigerungen bei Lebensmitteln umgehen.

Und es wurden Beispiele für Shrinkflation präsentiert. Wenn die Margarine-Packung nur noch 400 statt 500 Gramm enthält, ist das eine versteckte Preissteigerung von 25 Prozent. Welchen Erkenntnisgewinn sich die Redaktion davon erhoffte, Kunden zu fragen, was sie davon halten, bleibt ihr Geheimnis. Denn die fanden das - große Überraschung - „eine richtige Frechheit“.

Wegfall der Mehrwertsteuer?

Im Anschluss ging es um die Frage, ob es eine Lösung sein könnte, wie in Spanien die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel wie Obst, Gemüse oder Hülsenfrüchte zumindest zeitweise abzuschaffen. Was Amman befürwortete, Klingbeil eher kritisch sah, weil das eben auch wieder den Gutverdienern helfe.

Louis Klamroth ließ sich bei seiner Premiere seine mutmaßliche Nervosität nicht anmerken. Allerdings fehlte es der Sendung mitunter an Struktur, da wurden manche Aspekte anscheinend wahllos abgehakt. Und ob zu einem Bild von Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner in gelben Warnwesten bei der Eröffnung eines Flüssigerdgas-Terminals wirklich die beste Frage an Klingbeil war „Sind modisch die 90er zurück?“, sei mal dahingestellt. Das war dann doch arg flapsig und brachte null Erkenntnisgewinn.

Selten schienen seine Gäste von seinen Fragen überrascht oder herausgefordert. Das sorgte für eine entspannte Stimmung im Studio, aber Überraschendes förderte Klamroth so nicht zutage. Ein bisschen mehr Mut, ein bisschen mehr Härte, wie im Sendungstitel versprochen, wäre dann doch schön gewesen.

Am originellsten war vielleicht noch seine Frage in der obligatorischen Schlussrunde. Anknüpfend an die Diskussion über eine mögliche Absenkung der Mehrwertsteuer bei Grundnahrungsmitteln fragte er jeden nach einem Rezept mit Hülsenfrüchten und seinem Lieblingsgast bei diesem Essen.

Hat uns das nun weitergebracht? Eher nicht. Aber immerhin wissen wir jetzt, dass Jens Spahn gerne mal Erbsensuppe mit Lars Klingbeil essen würde. Vielleicht ist das ja der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.