Köln – Herr Gärtner will sterben. Nicht weil er krank ist, sondern weil er nicht mehr leben will. In Ferdinand von Schirachs Stück „Gott“ diskutiert der Deutsche Ethikrat über diesen Fall. Die handelnden Personen hat sich der Autor ausgedacht, ihre Argumente nicht. Weshalb man vieles, was man in der Fernsehversion des Kammerspiels gehört hat, in der anschließenden „Hart aber fair"-Sendung noch einmal hören kann.
Die Gäste
Georg Bätzing, Bischof von Limburg, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Er sagt es droht ein Dammbruch, wenn wir die Tür, immer weiter in Richtung aktive Sterbehilfe öffnen.
Susanne Johna, Oberärztin im Sankt-Josefs-Hospital in Rüdesheim, Vorsitzende des Marburger Bundes, Vorstandsmitglied der Deutschen Ärztekammer. Sie glaubt, dass Assistierter Suizid nicht mit würdigem Sterben gleichzusetzen ist.
Bettina Schöne-Seifert, Professorin für Medizinethik an der Universität Münster. Sie hält die Selbstbestimmung am Lebensende für ein Menschenrecht.
Olaf Sander, Pfleger in einem Seniorenheim. Er begleitete seine Mutter beim Suizid. Er sagt, jeder sollte sein Ende selbst bestimmen dürfen.
Zuerst aber verkündet Frank Plasberg das Ergebnis der Zuschauer-Abstimmung: 70,8 Prozent sind dafür, dass Herr Gärtner das tödliche Medikament bekommt, dass ihm ein Arzt bei seinem Suizid assistiert. Ein eindeutiges Ergebnis, mit dem sich der Moderator zuerst an Georg Bätzing, den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz wendet. Der vermutet nicht ganz zu Unrecht, dass in der fiktiven Verhandlung auch ein Stück Suggestion mit dabei ist: „Wer von den Zuschauern würde die Verantwortung dafür übernehmen?“ Seelsorge müsse dem Menschen immer in die Hand fallen und ihm sagen: „Du sollst nicht sterben.“
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Olaf Sander hat seiner an den Folgen der Kinderlähmung leidenden Mutter vor vier Jahren beim Sterben geholfen. Er hat nicht versucht, sei von ihrem Wunsch abzubringen: „Ich hätte sie natürlich noch gerne 20 Jahre gehabt, aber die Schmerzanfälle waren so stark, dass kein Morphin mehr half. Sie hat 78 Jahre lang gekämpft. Wenn der andere darum bittet, gehen zu dürfen, dann ist das für mich ein Akt der Gnade.“ Sander hat sich damals von einem Kamerateam begleiten lassen, einige Ausschnitte aus der Dokumentation werden nun noch einmal gezeigt. Sie sind, es ist fast unnötig, das zu sagen, sehr bewegend.
Die Mehrzahl der Sterbewilligen seien Patienten, ergänzt die Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert, die an Krankheiten leiden, deren absehbares Ende sie nicht mehr erleben wollen. Sie glaubt, dass das Ergebnis der Abstimmung sogar noch eindeutiger ausgefallen wäre, hätte man den Fall eines Sterbenskranken verhandelt.
Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen
Eindeutig ist auch das Urteil, dass das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Februar verkündet hat. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen. Und diese Freiheit umfasse auch die Freiheit, sich hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen. Bischof Bätzing zeigt sich immer noch schockiert über diesen Richterspruch: „Dass sich Verfassungsgericht auf Seite einer weltanschaulichen Gruppe stellt ist für mich unerhört!“ „Sie haben verloren“, stellt Plasberg lapidar fest.
Aber Susanne Johna, Vorstandsmitglied in der Deutschen Ärztekammer, springt dem Kleriker bei: „Für mich war der Paukenschlag, dass gleichzeitig gesagt wurde, es kann keine Rolle spielen, ob der Mensch gesund oder krank, alt oder jung ist. Es wäre jetzt wirklich möglich, gegenüber von Pflegeheim ein Plakat aufzuhängen, das für Sterbehilfe wirbt.“
Ein Dammbruch
Später, nachdem Plasberg eine Statistik aufgerufen hat, der zufolge sich die Fälle von Sterbehilfe nach liberalerer Gesetzgebung in der Schweiz, Belgien und den Niederlanden vervielfacht haben, rechnet Johna die Zahlen auf deutsche Größenverhältnisse hoch: 90 Sterbehilfe-Tote pro Tag hätten wir demnach demnächst zu erwarten. Und Bischof Bätzing spricht, wie schon sein fiktiver Kollege im von-Schirach-Stück von einem Dammbruch.
Olaf Sander will dagegen nicht an einen Dammbruch glauben: „Jedes Leben kämpft ums Leben. Dammbruch, das haben wir beim Frauenwahlrecht gehört, bei der Entkriminalisierung der Homosexualität. Und es hat jeweils nur zu einer offeneren Gesellschaft geführt."
Und Bettina Schöne-Seifert schließt, dass die Gegenüberstellung von gesellschaftlicher Solidarität und der Freiheit des Einzelnen falsch ist: „Wir brauchen doch beides."