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Judith Rakers im Interview„Ich würde Überseetourismus nicht gleich verteufeln“

Lesezeit 6 Minuten
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Österreich, Traunfall: Für das Reisemagazin „Wunderschön“ besucht Rakers weltweit beliebte Reiseziele. 

KölnFrau Rakers, wo waren Sie zuletzt im Urlaub?

Ich bin jetzt gerade im Urlaub auf der Insel Rügen – die ist seit vielen Jahren meine Lieblingsdestination.

Wieso gerade Rügen?

Weil ich mich bei meinem ersten Besuch vor elf Jahren in die Insel verliebt habe. Hier gibt es so schöne Wälder, Wiesen und riesige Stoppelfelder – man hat das Gefühl, alles wächst hier besonders bunt und prächtig. Das fasziniert mich immer wieder. Ich kann hier stundenlang mit Freunden auf Wanderritte gehen oder über die Felder galoppieren und zwischendurch entspannt ein Picknick machen und die Ostsee genießen. Das hier ist tatsächlich mein Traumurlaub, weil ich einfach eine große Naturliebhaberin bin. Von den anderen Regionen aus der Welt steht noch Neuseeland auf meiner Wunschliste.

Für das WDR-Reisemagazin „Wunderschön“ dürfen Sie nun besonders viel herumreisen. In der ersten Folge fahren Sie entlang der Donau von Passau nach Wien. Welcher Ort hat Ihnen da am besten gefallen, welcher eher weniger?

Zur Person

Judith Rakers (45) ist Journalistin, Buchautorin und Moderatorin. Seit 2005 ist sie Sprecherin der Tagesschau, seit 2008 spricht sie auch die Hauptausgabe um 20 Uhr. Nebenher arbeitete sie als Reisejournalistin für den NDR und moderierte die Reportagereihe „Inselgeschichten“. Ab dem 22. August ist sie im ARD-Reisemagazin „Wunderschön“ zu sehen. Die Folgen werden je um 20.15 ausgestrahlt.

Jeder Ort hatte etwas für sich. Ich gehöre zu den Menschen, die allem etwas abgewinnen können: Sie können mich auch zwei Stunden im Baumarkt oder im Wald absetzen, ich kann mich immer beschäftigen und finde immer etwas zum Entdecken. So war es auch bei der Donaureise: Von einem ganz spontanen Schnäpschen trinken und ins Gespräch kommen mit dem Fährmann, der mich und das Team eigentlich nur übersetzen sollte, bis zu den Touristenattraktionen in Wien oder dem für mich neuen Trailrunning. Davor hatte ich erst ganz schön Respekt, weil ich wusste, dass ich mit einem wahnsinnig fitten Trainer die Berge hoch – und runterlaufen sollte. Meine Sorge war, dass ich nach zehn Metern entkräftet am Wegesrand liege, aber selbst das Trailrunning hatte seinen eigenen Charme – ich habe das hier auf Rügen sogar mittlerweile nachgemacht. Es ist nie zu spät etwas Neues für sich zu entdecken. Zu dieser Erkenntnis komme ich auf Reisen immer wieder.

Und welcher Ort lag Ihnen denn besonders am Herzen?

Ich fand die Wachau, das Weinanbaugebiet an der Donau, ganz besonders schön. Es kann aber sein, dass meine Erinnerungen da sehr beeinflusst sind durch die Marillenknödel, die ich dort gegessen habe – die gehören definitiv zu den Top drei der besten Desserts meines Lebens! Ansonsten haben die Graffiti-Künstler im Linzer Hafen einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Momentan sind Reisen nur mit erheblichen Einschränkungen möglich. Wie mühsam war das Drehen eines Reisemagazins unter Pandemiebedingungen?

Sehr mühsam. Es ist wirklich keine Freude, unter Corona-Bedingungen zu drehen. Alles dauert viel länger, muss aufwändiger organisiert werden, manche Dinge sind gar nicht möglich. Wir müssen versuchen, viel draußen zu drehen. Wenn wir doch in geschlossene Räume kommen, werden alle Fenster aufgerissen – dann hat der Ton wieder Probleme, weil Geräusche hinein kommen. Der Protagonist oder die Protagonistin darf einem nichts in die Hand geben, weil es erst desinfiziert werden muss. In Galicien zum Beispiel sprach ich mit einer Frau, die Fischernetze nach alter Tradition knüpfte und als sie erzählte, dass ein Familienmitglied beim Fischen ums Leben kam, fing sie fürchterlich an zu weinen. Wenn man da sitzt und man darf sein Gegenüber nicht in den Arm nehmen und trösten - das empfinde ich als hart.

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Gerade seit Fridays for Future ist klimagerechtes Reisen ein riesiges Thema. Inwiefern ist die Verantwortung gegenüber dem Klima beim Reisen ein Aspekt, den Sie berücksichtigen?

Darüber denke ich seit vielen Jahren nach, auch privat. Letztendlich führt das dazu, dass ich meistens Urlaub auf Rügen mache. Aber ausschließlich Urlaub in Deutschland ist vielleicht auch nicht die Lösung. Denn Reisen schafft ja auch Nähe zu anderen Kulturen. Wenn wir das Reisen und das eigene Erleben hier komplett einstellen, dann wird möglicherweise wieder mehr Fremdheit empfunden. Lernt man Menschen persönlich kennen, auch in Urlaubsländern, dann entsteht eine Nähe – diese Nähe kann eine wichtige Bastion sein gegen Fremdenhass. Gesamtgesellschaftlich kann es also keine Lösung sein, wenn wir uns hier in Deutschland verschanzen. Verantwortungsvolles Reisen fände ich besser.

Kann nachhaltiger Tourismus vielleicht sogar zum Klimaschutz beitragen? Schließlich finanziert der Tourismus auch Nationalparks und bringt vielen Touristen die Anliegen von Umweltschutzprojekten nahe.

Ja, natürlich. Es ist immer ein zweischneidiges Schwert. Ohne Touristen würde es in Afrika und anderswo auf der Welt wohl kaum so viele Naturreservate und damit auch Tierschutz geben. Deshalb würde ich den Überseetourismus nicht gleich verteufeln, weil er mit CO2 und Flugreisen verbunden ist. Wer jedoch im Sommer an jedem Wochenende nach Saint-Tropez jettet, unterstützt damit kein Umweltschutzprojekt. Wer an den Strand will und im Meer schwimmen möchte, der kann vielleicht auch eine deutsche Insel besuchen. Vielleicht können Reisereportagen sogar einen kleinen Beitrag leisten, weil sie Länder und Menschen vorstellen, ohne, dass man selbst hinfahren muss. Und auch den Horizont erweitern für Ziele, die nah sind.

Vor „Wunderschön“ haben Sie für den NDR die Inseln der Nord- und Ostsee bereist. Woher kam der Wechsel von den Inselreportagen zum WDR?

Der NDR hat die Inselreportagen im Rahmen der Einsparungen letztes Jahr eingestellt. Da war ich erst sehr traurig, es war eigentlich ein Erfolgsformat mit hohen Einschaltquoten. Aber einige Wochen später kam die Nachricht, dass ich in das WDR-Format einsteigen kann. WDR und NDR strahlen „Wunderschön“ jetzt auf dem gleichen Sendeplatz aus: Sonntagabends, viertel nach acht, 90 Minuten. Auf diesem Sendeplatz liefen im NDR auch die Inselreportagen.

Für „Wunderschön“ müssen Sie deutlich weiter wegreisen als nur zu den Inseln im Norden. Werden Sie als Sprecherin bei der Tagesschau kürzer treten?

Nein, die Tagesschau mache ich wie gewohnt weiter. Nur in diesem Jahr muss ich ein klein wenig kürzer treten, weil ich einfach mehr Filme mache. Letztes Jahr habe ich drei 45-minütige Inselreportagen gedreht, dieses Jahr drehe ich fünf Reportagen, die 90 Minuten lang sind. Deswegen habe ich ein bisschen weniger Tagesschau-Zeit. Aber das ist kein Problem.

Bei der „Tagesschau“ und den „Tagesthemen“ gab es zuletzt viele Abgänge: Erst Jan Hofer, dann Linda Zervakis und Pinar Atalay. Jan Hofer, der jetzt für RTL arbeitet, begann seine Privatsender-Karriere bei „Let’s Dance“, auch Sie waren schon bei „The Masked Singer“ und „I Can See Your Voice“ dabei. Muss sich die Tagesschau auch um Ihren Verbleib sorgen?

Nein, derzeit nicht. Das sage ich ganz klar. Auch ich hatte natürlich Angebote von anderen Sendern, aber ich fühle mich gut und vielseitig aufgestellt, auch weil ich nebenbei noch Bücher schreiben und unternehmerisch tätig sein kann. Solange ich mich hier verwirklichen kann, sehe ich keinen Grund, daran etwas zu ändern.