Köln – „Wir werden live vor Publikum stattfinden“, prophezeite Tobias Bock vom Leitungsteam der phil.Cologne am Ende der Programm-Pressekonferenz im Hotel Savoy noch einmal standhaft. Klar, selbstverständlich ist das dank wieder steigender Corona-Infektionszahlen nicht, aber ein striktes Hygiene-Konzept und der Wille, „nicht an die Kapazitätsgrenzen zu gehen“, sollen es möglich machen.
Vom 2. bis zum 8. September also wird die diesjährige, die neunte Ausgabe des gut etablierten Kölner Philosophie-Festes stattfinden – mit insgesamt 44 Veranstaltungen, davon 27 im Erwachsenenprogramm und mindestens 5000 erwarteten Besuchern. 2020 waren es nur 3000, die Planer lassen sich also ihren Optimismus nicht nehmen. Als Partner teils mit selbstverantworteten Terminen beteiligt sind unter anderem die Düsseldorfer Identity-Foundation, die Hamburger Udo Keller-Stiftung, WDR 5 sowie die Bundeszentrale für politische Bildung.
Lauterbach zur Eröffnung
Philosophisch-selbstreflexiv – wie könnte es anders sein – macht die aktuelle phil.Cologne gleich zur Eröffnung die Umstände ihres Stattfindens zu ihrem eigenen Thema: Am Donnerstag, 2. September, diskutieren der Bonner Erkenntnistheoretiker Markus Gabriel und SPD-Gesundheitsguru Karl Lauterbach in den Balloni-Hallen über „Vorsicht versus Risiko? Vom Umgang mit der Pandemie“.
Hart am Puls der Zeit bewegt sich auch das zweite Opening am 3. September (ebenfalls in den Balloni-Hallen): Luisa Neubauer von „Fridays for Future“ und der stellvertretende „Zeit“-Chefredakteur Bernd Ulrich handeln „Vom Klima und unserer Zukunft“. Die Abende werden hier von Wolfram Eilenberger, dort von Svenja Flaßpöhler moderiert – beide gehören zusammen mit Jürgen Wiebicke zur bewährten Moderatoren-Kerncrew der phil.Cologne.
Auch das Programm der Folgetage wartet immer wieder mit Themen auf, die vielen Besuchern auf den Nägeln brennen dürften. Sie werden auch in diesem Jahr traktiert von namhaften und zugleich populären und medial präsenten Vertretern der Zunft. Dass die phil.Cologne für akademische Hardcore-Vertreter (vom Schlage eines Jürgen Habermas) als Forum noch nie so richtig attraktiv war, wird sie zu verschmerzen gelernt haben.
Einige auswählende Hinweise müssen hier genügen: Über eine philosophische Kernfrage etwa – Was ist Identität? – diskutieren Bernd Stegemann, Mithu Sanyal und Flaßpöhler. Kaum weniger wichtig scheint die Frage, inwieweit Philosophie Trost zu spenden vermag – ihr widmen sich im Gespräch Thea Dorn und Eilenberger. Asal Dardan und Wilhelm Schmid befassen sich mit der Frage „Was ist Heimat?“, während Gaspard Koenig, Shooting Star der französischen Philosophenszene, über „Das Ende des Individuums“ angesichts der Herausforderung durch KI nachdenkt.
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Da ändert sich gerade in diesen Tagen zweifellos etwas in der Selbstdefinition des Menschen als Gattungswesen. Um eine „Zeitenwende“ angesichts der Erschütterung demokratischer Lebensformen geht es auch zwischen Michel Friedman und Harald Welzer. Julian Nida-Rümelin wiederum greift die Risiko-Debatte auf und fragt nach einem „vernünftigen Umgang mit Gefahren“. In der Veranstaltung „Leben und Überleben“ treffen Richard David Precht und der Autor Jens Söring aufeinander, der mehr als drei Jahrzehnte in US-amerikanischen Gefängnissen saß.
Gerade in Köln kann auch die Befassung mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche nicht ausbleiben. Über dessen Perspektiven und institutionelle Aspekte diskutieren Christiane Florin, Doris Reisinger und KStA-Chefkorrespondent Joachim Frank.
Attraktive Seitenzweige
Außerdem treibt die phil.Cologne einige attraktive Seitenzweige. Auf WDR 5 gibt es am 4. September zehn Stunden Philosophisches Radio zum Oberthema „Der Blick nach vorn“ zu hören, an dem sich unter anderem Mai Thi Nguyen-Kim, Richard David Precht und Frank Schätzing beteiligen.
Unter dem Rubrum „Klasse denken“ startet das Festival ein umfangreiches Kinder- und Jugendprogramm – im Zentrum des Formats steht die direkte Begegnung von Schulklassen und Philosophen. Themen sind unter anderem Freiheit, Widerstand, Freundschaft und Kapitalismus.
Im Rahmen des Festivals gibt es – am 2. September im Comedia-Theater – wie stets eine Fachtagung, die sich an Lehrer der Fächer Philosophie, Deutsch, Religion, Sozialwissenschaft und Politik wendet. Thema (es wird, wie beschrieben, auch im Hauptprogramm bearbeitet) ist in diesem Jahr „Die Zeit des Dazwischen. Was ändert sic h gerade?“
Von Krisendiagnosen geschüttelt
Dabei geht es zum Beispiel um die Rahmenbedingungen von Politik und Gesellschaft in einer Ära schier überhandnehmender Krisendiagnosen. Gesprächspartner sind unter anderem Gert Scobel, Alexander Bogner, Felicitas Rohden, Nicole Mayer-Ahuja, Eva von Redecker, Aladin El-Mafaalani, Thomas Krüger und Jürgen Wiebicke.
www.philcologne.de