Bei der Auswahl der Neuproduktionen für die kommende Spielzeit entschied sich Opernintendant Hein Mulders für eine Reihe von Spitzenwerken, die länger nicht in Köln zu erleben waren.
Kölner OperEine Saison voller Spitzenwerke
Die Kölner Oper plant ihre letzte Spielzeit im Ausweichquartier, dem Staatenhaus im Deutzer Rheinpark. Dort fand nun die jährliche Pressekonferenz statt, bei der natürlich auch die Frage nach der termingerechten Rückkehr an den Offenbachplatz im Raum stand. Im März 2024, so bekräftigte Intendant Hein Mulders, solle die Schlüsselübergabe stattfinden, danach der Umzug der technischen Abteilungen. Zugleich gingen dann im Staatenhaus allmählich die Lichter aus - man plane zum Ende der Saison hin schlankere Produktionen bis hin zu einer konzertanten Aufführung von Bizets „Perlenfischern“.
So soll es geschehen, wenn die Sanierung des Opernhauses pünktlich abgeschlossen wird. Und wenn nicht? „Wir sind vorbereitet“, sagt Hein Mulders. Der Niederländer hat etwa zwei Drittel seiner ersten Kölner Spielzeit absolviert, und sie ist - so Generalmusikdirektor François-Xavier Roth - „fulminant“ geraten. Neben einer Reihe markanter Produktionen aus der Ära seiner Vorgängerin Birgit Meyer hat Mulders den größten Teil des Sänger-Ensembles übernommen. Nicht nur aus künstlerischen, sondern auch aus sozialen Gründen, was er weiterhin so halten möchte. Auch sonst bleibt vieles, wie es war - von den beliebten Produktionen der Kinderoper über prominente Tanzgastspiele (diesmal etwa das Nederlands Dans Theater) bis hin zum noch nicht genau terminierten „Fest der schönen Stimmen“.
Eröffnung ohne Chef
Bei der Auswahl der Neuproduktionen entschied sich Hein Mulders für eine Reihe von Spitzenwerken, die - warum auch immer - länger nicht in Köln zu erleben waren. Die Eröffnungspremiere gilt Richard Strauss’ „Die Frau ohne Schatten“, einem der letzten Glanzlichter der deutschen Opernromantik. Das Stück wäre an jedem Haus „Chefsache“, aber François-Xavier Roth überlässt diesen Leckerbissen bereitwillig seinem prominenten Kollegen Marc Albrecht; Regie führt Katharina Thoma, von deren „psychologischer Einsicht“ in das komplexe Werk sich Hein Mulders viel verspricht.
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Hinter den Masken
Auch Verdis „Un ballo in maschera“ („Ein Maskenball“), das musikalische Drama um den Stockholmer Königsmord von 1792, hat sich in Köln seit langem rar gemacht. Der Bayreuth-gestählte Nürnberger Schauspielchef Jan Philipp Gloger und sein Team „hinterfragen die sozialen Rollenspiele und begeben sich auf die Suche danach, was sich hinter den Masken verbirgt.“ Den Taktstock führt der ausgewiesene Verdi-Experte Giuliano Carella.
Mythologischer Mozart
Mozarts „Idomeneo“ war an der Kölner Oper nicht ganz so selten zu Gast, wie es Hein Mulders flammendes Plädoyer vermuten ließ. Nach der Ponnelle-Inszenierung aus dem legendären Kölner Mozart-Zyklus gab es immerhin 2005 noch eine Neuproduktion; nun nimmt sich der Niederländer Floris Visser der mythologischen Oper an, die vor allem dem Chor dankbare Aufgaben zuweist. Die musikalische Leitung hat Rubén Dubrovsky, der an der Kölner Oper noch in dieser Saison Händels „Giulio Cesare“ dirigieren wird.
Staatsaffaire und Strandparty
Große Musiktheater-Produktionen können heute oft nur noch als Koproduktionen realisiert werden. So ist auch Damiano Michielettos Inszenierung von Donizettis „L’elisir d’amore“ im Setting einer quirligen Strandparty bereits seit 2012 auf den europäischen Bühnen unterwegs. Am Pult steht Matteo Beltrami, in Köln zuletzt mit Rossinis „La Cenerentola“ erfolgreich. Nicht ganz so betagt ist Ted Huffmanns Inszenierung von Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“, die vergangenen Sommer in Aix-en-Provence Premiere feierte. Das frühbarocke Staatsdrama erlebt bereits seine zweite Kölner Produktion außerhalb der Opernhauses, musikalisch geleitet von George Petrou, der in dieser Spielzeit schon für die Purcell-Adaption „Miranda“ zuständig war.
Orpheus im Atomzeitalter
Die Moderne liegt François-Xavier Roth besonders am Herzen; ein Faible, das zwei Uraufführungen der kommenden Saison bestätigen: In „The Strangers“ thematisiert der Amerikaner Frank Pesci ein historisches Ereignis: den Mord am Polizeichef von New Orleans im Jahre 1890, der sizilianischen Einwanderern zur Last gelegt wurde. Puccini und den Big Band Jazz nennt der in Köln lebende Komponist als wichtige Stilebenen, mittels derer er den kulturellen Konflikt nachzeichnet. Deutlich mehr der Avantgarde verpflichtet ist der Tscheche Ondřej Adámek; seine neue Oper „INES“ - mit der Librettistin und Regisseurin Katharina Schmitt gezielt für das Kölner Opernensemble konzipiert - verpflanzt den Orpheus-Mythos ins Umfeld einer atomaren Katastrophe. François-Xavier Roth leitet diese Novität ebenso wie Bernd Alois Zimmermanns „Soldaten“, die nach der epochalen Staatenhaus-Produktion von 2018 nun in die Philharmonie wandern - halbszenisch inszeniert von Calixto Bieito, dem großen Enfant terrible der internationalen Opernszene.
Operette mit Einsichten
Mit der „Csárdásfürstin“ hatte der Regisseur Bernd Mottl 2010 in Köln eine gender-diverse Operetteninszenierung von unangestrengter Tiefenwirkung vorgelegt. Nun darf man auf seine Lesart von Lehárs „Die lustige Witwe“ gespannt sein. Interessante Einsichten zur Gender-Thematik verspricht natürlich auch wieder das Divertissementche, das diesmal unter dem Titel „Zillche en Jefahr“ eine Reise durch die Geschichte der Cäcilia Wolkenburg unternimmt.