Bis zu seinem Tod arbeitete der Intendant Michael Hampe an einem Buch. Jetzt erscheint es unter dem Titel „Schlussvorhang“.
Kölner OperMichael Hampes Buch „Schlussvorhang“ wird nach seinem Tod veröffentlicht
Auf dem Buch-Cover prangt ein Schwarz/Weiß-Bild von ihm, erkennbar aus früheren Tagen. Michael Hampes Blick, voll eines wissenden Humors, geht am Betrachter vorbei, vielleicht in die Zukunft der Oper. Jenes Genres, dem die Lebensarbeit des gebürtigen Heidelbergers galt.
Der Schauspiel- und Opernregisseur, der von 1975 bis 1995 als Kölner Opernintendant amtierte, starb am 18. November vergangenen Jahres an seinem langjährigen Wohnort Zürich, jetzt hat der Berliner Alexander-Verlag mit Unterstützung der Kölner Opernfreunde unter dem Titel „Schlussvorhang“ ein (von Michael Wienand herausgegebenes) Buch Hampes publiziert, an dem er bis zu seinem Tod arbeitete. Nun liegt es sozusagen als Gedenkschrift in eigener Sache vor.
„Schlussvorhang“ hat auch ein Kapitel zu Köln
Rundum fertig scheint es nicht mehr geworden zu sein, das Ganze wirkt ein wenig zusammengestückelt – was zumal daran liegt, dass längst gedruckte Hampe-Texte aus seinen Büchern „Opernschule“ und „Über Theater“ noch einmal mit abgedruckt wurden. Das macht aber letztlich nichts, denn seine Einheit gewinnt das Buch aus jenem stets unverwechselbaren Hampe-Ton, der dem Leser den Verfasser noch einmal in einer Weise lebendig macht, als säße er mit ihm im Gespräch bei einem Glas Wein zusammen. Da plaudert es sich anekdotenreich, da kommen überraschende Einsichten um die Ecke, da wird munter und in bewundernswerter geistiger Unabhängigkeit gegen den Strich gebürstet. Brecht soll mit Wagner nichts zu tun haben? Von wegen!
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Den Kölner Leser – zumal denjenigen, der die Hampe-Ära miterlebt hat – dürfte am meisten das Ortskapitel interessieren. Hampe imponiert dort als eine Art Schwejk des städtischen Kulturbetriebs, der sich mit Witz und List immer wieder gegen die bekannten Kölner Widrigkeiten durchsetzt und im Kampf um und gegen Konzepte, Etats, Personen und Strukturen behauptet. Mit dem Kopf gegen die Wand, um irgendetwas zu erreichen – das funktionierte in der Colonia schon damals nicht.
Michael Hampe begleitete die Umstellung der Kölner Oper
Ein Hohelied der Anerkennung und Bewunderung singt Hampe auf den legendären SPD-Kulturdezernenten Kurt Hackenberg, der auf der Rats- und Verwaltungsklaviatur machiavellistisch-virtuos zu spielen verstand und Hampe immer wieder den Rücken frei hielt. Etwa, als es um die Umstellung der Kölner Oper auf Stagione-Betrieb mit großen Namen ging. Essenziell war freilich auch für Hackenberg, dass Auslastung und Einnahmen stimmten. Und die stimmten bei Hampe, der einmal mit dem merkwürdigen Phänomen einer Auslastung von 102 Prozent zu kämpfen hatte.
Hampe gehörte freilich auch dezidiert nicht zu jenen Vertretern des Regietheaters, die dem vermuteten Publikumsinteresse demonstrativ die kalte Schulter zeigen. „Viele Regisseure wollen“, das war seine Überzeugung, „ihre eigenen Interpretationen zeigen, die Zuhörer aber wollen das Stück.“ Das war das Erfolgsrezept und der Grund dafür, dass seine zahlreichen eigenen Inszenierungen zwischen Monteverdi und Henze bis heute in der Breite gut ankommen.
Hampes Inszenierungen zogen ein großes Publikum an
Präzise Analyse der dramatischen Konzeption und Quellenerforschung zeichnen sie aus – Hampe war Felsenstein-Schüler –, genaue, aus der Musik selbst abgeleitete szenische Auflösung und Personenführung, eine jederzeit verständliche Gesten- und Bewegungssprache und Bühnenbilder mit gehobenem ästhetischen Anspruch. Speckige Ledermäntel, fette, lange Haare und viel Müll auf der Bühne? Für Hampe undenkbar.
Ist das zu wenig, um eine satisfaktionsfähige Antwort auf die Frage zu ermöglichen, was uns Oper als Kunstform heute überhaupt noch soll? Das ist freilich ein Problem, an dem Kunst- und Kulturtheoretiker sich nach wie vor die Zähne ausbeißen. Das Publikum wiederum, das noch in jüngster Zeit Hampes Inszenierungen der „Zauberflöte“ und von „La Bohème“ im Kölner Staatenhaus sehen konnte, hat es für sich selbst unmissverständlich gelöst: Bei der Bohème-Premiere brandete angesichts der Pariser Straßenszene spontaner Beifall auf. Der ist für den Regisseur üblicherweise am Schluss der Premiere fällig. Hampes Inszenierung provozierte eine seltene Ausnahme.
Michael Hampe: „Schlussvorhang“, Alexander Verlag, 216 Seiten, 15 Euro