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Kölner Pianistin Olga Scheps„Wir sind Menschen, wir wollen keinen Krieg miteinander“

Lesezeit 15 Minuten
Die international renommierte Pianistin Olga Scheps wohnt seit langer Zeit in Köln.

Die international renommierte Pianistin Olga Scheps wohnt seit langer Zeit in Köln.

Die Pianistin im Interview über den russischen Angriffskrieg, stundenlanges Üben, ihre Liebe zu Köln und das Kölner Publikum.

Frau Scheps, gab es in Ihrem Leben eine Phase, in der Sie keine Lust auf Klavier hatten?

Olga Scheps: In der Pubertät hatte ich eine Phase, in der ich aufgehört habe, Klavier zu spielen. Irgendwann habe ich zurückgefunden. Ich hatte dann doch das Gefühl, dass ich einfach total gerne Klavier spiele.

Sind Sie ein Nerd?

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Definitiv. Ich finde, ein Nerd zu sein, ist etwas total Positives. Ein Nerd ist jemand, der sich sehr stark auf eine Sache konzentrieren kann. Ich verbringe sehr viel Zeit alleine am Klavier.

Steht Ihr Flügel im Wohnzimmer?

Nein, ich wohne in einem Mehrparteienhaus und möchte anderen Menschen nicht auf die Nerven gehen. Das wäre auch ein falsches Gefühl beim Spielen. Üben hört sich eben nicht immer schön an. Man spielt oft einfach Tonleitern oder zwanzigmal hintereinander die gleiche Passage. Deshalb steht mein Flügel in einem Proberaum.

Wie lange üben Sie pro Tag?

Ein perfekter Übungstag für mich sind vier Stunden konzentriertes Üben.

Spüren Sie körperlich, wenn es zu wenig ist?

Ja.

Macht Ihnen Üben Spaß?

Üben macht meistens keinen Spaß. Aber es ist egal, ob es Spaß macht oder nicht. Es muss gemacht werden und fertig.

Was macht denn Spaß?

Der Moment, in dem ich das Stück so kann, dass ich die Freiheit erlange, das Stück so zu spielen, wie ich will, auch spontan. Wenn ich auf die Bühne gehe und die Emotionen ausdrücken kann, die ich vermitteln will. Wenn ich die Verbundenheit spüre, durch die Musik zu den Menschen im Saal. Das sind richtige Glücksmomente. Dafür lohnt sich die ganze Arbeit.

Könnten Sie eine Woche Urlaub machen, ohne zu spielen?

Könnte ich. Die Frage ist, ob ich das möchte. Ich fühle mich meistens nicht so wohl, wenn ich lange weg bin vom Klavier. Ich bleibe gerne in Form. Dieser Beruf hat Elemente vom Sport. Auch wenn ich theoretisch weiß, wie es geht, muss ich trotzdem trainieren vor einem weiteren „Marathon-Lauf.“ Außerdem reise ich beruflich viel. Da ist es für mich auch einfach schön, zu Hause zu sein.

Ihre Eltern sind ebenfalls Pianisten. Was ist das Wichtigste, dass sie Ihnen beigebracht haben?

Klavierspielen. Meine Eltern haben nie Wert darauf gelegt, dass ich eine berühmte Pianistin werde. Sie wollten, dass ich einen Beruf habe, den ich interessant finde und der mich erfüllt. Die Disziplin, die meine Eltern mir beigebracht haben: Wenn ich etwas erreichen will im Leben, muss ich etwas dafür tun, egal was es ist. Außerdem, dass man respektvoll und ehrlich sein muss zu anderen Menschen, das finde ich sehr wichtig.

Sie sind mit 18 Jahren zum Studium nach Köln gekommen. Wie war Ihre Zeit an der Musikhochschule?

Superschön. Ich habe viele andere Musiker kennen gelernt, Freunde fürs Leben gefunden. Heute treffe ich viele, mit denen ich früher studiert habe, in den Orchestern auf der ganzen Welt wieder. Manchmal vermisse ich diese Zeit.

Sie sind sehr offen für unterschiedliche Musikstile. 2017 haben Sie ein Klavieralbum mit Interpretationen der Band Scooter eingespielt. Deren Musik würden viel Menschen als Kirmes-Disco bezeichnen.

Ich bin eine Riesenfreundin von Musik, generell. Als ich gefragt worden bin, ob ich beim Scooter-Projekt mitmachen will, fand ich das spannend und habe mich sehr gefreut über eine kreative Zusammenarbeit mit den Komponisten Sven Helbig und Clemens Pötsch.

„How Much is the Fish“ ist in Ihrer Interpretation jedenfalls ein wundervolles Stück. Was hat Scooter zu dem Album gesagt?

H.P. Baxxter (Frontmann der Band, Anm. der Red.) hat mir erzählt,dass ihn die Musik zu Tränen rührte, als er die Platte gehört hat. Das war ein schönes Kompliment.

Neulich haben Sie eine Komposition des Geigers David Garrett mit uraufgeführt. Wie haben Sie diese Zusammenarbeit erlebt?

Er und John Haywood haben ein wunderschönes Klavierkonzert komponiert und es hat mir total viel Spaß gemacht, es zu spielen. Für David war es sein Debüt als Dirigent. Er war sehr genau und anspruchsvoll bei der Arbeit mit der Musik. Die Dinge, die er zu der Musik gesagt hat, waren klasse, total auf den Punkt. Ich muss sagen, er hat mega gut dirigiert. Die Leute aus dem Orchester haben kaum geglaubt, dass er zum ersten Mal dirigiert hat, weil es so gut war.

Mit dem Kölner Pianisten Chilly Gonzales arbeiten Sie oft zusammen. Wie haben Sie sich kennengelernt?

Er hat ein Konzert von mir besucht in der Philharmonie. Kurz darauf kamen wir in Kontakt. Ich finde ihn großartig, weil er sich in so vielen verschiedenen Stilen bewegt und in jedem Stil unfassbar gute Musik produziert. Er kann auch toll vermitteln. Ich habe viel über Komposition und Improvisation von ihm gelernt.

Was denn?

Zum Beispiel, dass es beim Improvisieren keine falschen Töne und Fehler gibt. Wenn ich einen für mich zunächst vielleicht falsch klingenden Ton spiele, geht die Musik eben in diese Richtung. Es ist spannend, sich darauf einzulassen, wo die Finger und die Gedanken beim Improvisieren hingehen. Wenn ich improvisiere und selbst komponiere, spiele ich danach auch Stücke anderer Komponisten anders, weil ich den Prozess des Komponierens selbst ganz anders nachvollziehen kann.

Können wir mit einem von Ihnen selbst komponierten Album rechnen?

Dieser Gedanke kreist oft in meinem Kopf. In der Zukunft möchte ich es gerne umsetzen. Vorher stehen andere Projekte an.

Ich finde, es würde nicht so viel Sinn machen, die Hände zu versichern
Olga Scheps

Die Musikgeschichte könnte noch mehr Komponistinnen gebrauchen. Ihre Lieblingskomponistin?

Clara Schumann. Die Antwort ist vielleicht banal, weil sie die bekannteste Komponistin ist. Aber ich lerne gerade ihr wunderschönes Klavierkonzert, deshalb kam sie mir als Erstes in den Sinn.

Ihr Lieblingskomponist?

Spontan würde ich sagen: Chopin. Aber ich möchte eigentlich keinen Komponisten bevorzugen. Manchmal ist Schubert mein absoluter Lieblingskomponist, dann wieder denke ich: Oh mein Gott, Beethoven ist mein Lieblingskomponist. Dann denke ich: Wow, Arvo Pärt hat so unfassbar tolle Musik komponiert.

Sie haben große Hände. Ist das ein Vorteil?

Das stimmt. Ich habe relativ große Hände und kann große Akkorde greifen. Bei der Musik von Sergei Rachmaninoff zum Beispiel ist das ein Vorteil. Aber ich finde nicht, dass man unbedingt große Hände haben muss zum Klavierspielen. Es gibt auch Pianisten und Pianistinnen mit kleineren Händen, die unheimlich gut Klavier spielen können. Mit kleineren Händen kann man manche schnelle, brillante Passagen mit mehr Leichtigkeit spielen. Mit großen Händen kann man die großen, weichen und energischen Akkorde gut spielen. Ich denke, jeder Pianist muss herausfinden, wo die Stärken liegen und darauf basierend das Programm auswählen.

Sind Ihre Hände versichert?

Nein. Das werde ich oft gefragt. Ich finde, es würde nicht so viel Sinn machen, die Hände zu versichern, weil beim Klavierspielen eigentlich der ganze Körper „verwendet“ wird. Wenn der Rücken nicht in Ordnung wäre, könnte es das Spielen auch beeinflussen. Ich muss mich allgemein in Form halten.

Ein Flügel ist mal von der Bühne gefallen beim Umbau, vor dem Konzert, Katastrophe für das Instrument. Es gab zum Glück ein weiteres Instrument vor Ort
Olga Scheps

Sind Sie nervös vor Konzerten?

Ja. Bei mir geht das auch nicht weg. Jedes Konzert ist besonders, verursacht eine Riesenaufregung, Herzklopfen, Adrenalin. Eine riesige Mischung an intensiven Gefühlen.

Klingt anstrengend.

Tatsächlich fühlt man sich sehr lebendig. Es gibt nie Routine oder Langeweile. Adrenalin hilft auch, es macht wacher, das Gehör besser, die Reaktion schneller. Das alles fordert mich heraus und ist heftig, ja.

Haben Sie ein Ritual vor Konzerten?

Vor dem Konzert finde ich Konzentration wichtig, gut schlafen, viel Wasser trinken, sich die Stücke durch den Kopf gehen lassen. Wenn das Wetter draußen schön ist, gehe ich kurz vor dem Auftritt raus, atme frische Luft ein, schaue Bäume an, fühle meine innere Mitte.

Der schlimmste Auftritt Ihres Lebens?

Manchmal gibt es einen Unterschied zwischen dem, was man selbst empfindet und dem, was das Publikum empfindet. Ich hatte manchmal das Gefühl, das war das beste Konzert, das ich je gespielt habe, aber die Publikumsreaktion oder die Reaktion von der Kritik war anders. Bei einem Konzert, das ich ganz okay fand, kam dann größere Begeisterung.

Es gibt ein Konzert, ich aus verschiedenen Gründen wirklich nicht gut gespielt habe. Diese Erinnerung verfolgt mich bis heute, obwohl es über zehn Jahre her ist. Es fühlt sich schlimm an, daran zurückzudenken, weil ich auch falsche Entscheidungen getroffen hatte damals. Ich habe viel daraus gelernt.

Noch nie von der Bühne gefallen?

Nein. Bisher noch nicht. Ein Flügel ist mal von der Bühne gefallen beim Umbau, vor dem Konzert, Katastrophe für das Instrument. Es gab zum Glück ein weiteres Instrument vor Ort. Ich finde, bei Konzerten geht es nicht um Perfektion. Was perfekt ist, ist nicht lebendig. Andererseits habe ich schon immer das Ziel, für mich selbst mal ein perfekt sauberes Konzert mit perfekten Pausen und ohne einen einzigen falschen Ton zu spielen. Aber das habe ich noch nie ganz geschafft, das nervt mich manchmal.

Wie lange haben Sie Zeit zu proben, wenn Sie mit einem Orchester auftreten?

Normal sind zwei Proben, manchmal eine Probe.

Das ist nicht viel.

Ja, das stimmt. Manchmal spielt man das Stück ein bis zweimal durch, das war es dann. Ich finde, man muss immer top vorbereitet sein und schon bei der Probe eine Konzert-Version produzieren.

Fallen Sie nach Konzerten in ein Loch?

Eigentlich nicht. Ja, es gibt Konzerte und Erlebnisse, die super schön sind und manchmal habe ich dann das Gefühl, dass ich dieses Erlebnis gerne mit jemandem live geteilt hätte, der nicht dabei ist, aber so ist es nun mal. Ich bin Abstand gewohnt. Ich reise mittlerweile wieder meistens alleine. Ich bin aber nie wirklich einsam, weil ich ständig zu tun habe und ich hänge sehr viel am Handy, am Telefon.

Man geht nicht in eine Bar und hebt einen mit den Orchester-Mitgliedern?

Sehr selten. Ich bin schon zu haben für ein nettes Zusammensitzen nach dem Auftritt, aber eher kein wildes Feiern oder so. Ich gehe nach dem Konzert gerne ins Hotel und dann so bald es geht, schlafen. Ich fühle mich gerne fit und ausgeschlafen.

Gibt es Konzertanfragen, die Sie ablehnen? Auftritte bei Kreuzfahrten oder Privatkonzerte?

Ich spiele auch sehr gerne Privatkonzerte und habe auch schon auf Kreuzfahrten gespielt. Ich habe schon richtig schöne Abende gehabt bei solchen privaten Konzerten und Events. Es kommt immer drauf an. Natürlich schaut man, wer der Gastgeber ist, und man informiert sich über das Instrument. Das sollte schon gut sein.

Was macht das Kölner Publikum aus?

Es ist sehr ehrlich, warmherzig und fachkundig. Köln ist nicht nur eine Stadt, es ist ein Vibe, eine Offenheit, Bodenständigkeit, Hilfsbereitschaft. Ich liebe die Kölner Mentalität.

An welche Gewohnheiten beim Konzert in anderen Ländern mussten Sie sich erst gewöhnen?

In Japan zum Beispiel ist absolute Stille im Saal, die Menschen haben wirklich Angst, zu stören. Beim Klatschen wird die große Begeisterung dann nicht dadurch gezeigt, dass man laut ruft, aufsteht oder Randale macht wie in Europa, oder mit den Füßen trampelt, sondern durch die Länge des Applauses. Der kann sehr, sehr lange dauern, ich habe schon Applause die 20 Minuten oder länger waren, erlebt.

Sie haben zwei kleine Kinder. Es gibt die Vorstellung von Kunst, die das stille Kämmerlein braucht. In dieser Lesart würden Kinder Kraft und Energie absaugen, die für die Kunst schädlich wäre.

Tatsächlich werde ich oft gefragt, wie ich Kinder und Arbeit verbinde. Ja, es gibt einige Arten der Arbeit, bei denen man einen Arbeitsplatz braucht, an dem man sich konzentrieren kann, das ist so beim Klavierüben. Für mich ist dieser Ort der Proberaum. Mir war es sehr wichtig, dass ich nach wie vor regelmäßig ans Klavier kann, und das haben wir besprochen und geplant, bevor das zweite Kind kam.

Aber Konzertreisen sind eine größere Herausforderung als vorher.

Konzertreisen waren schon immer eine Herausforderung und entscheidend dabei ist die Vorbereitung. So langsam fange ich wieder an, alleine zu reisen. Ich denke, alles was im Leben wichtig und schön ist, hat auch etwas mit Herausforderungen zu tun. Ohne Herausforderung finde ich es auf Dauer ziemlich langweilig. Meine Arbeitszeiten haben wir vorher eingeplant.

Mit wem?

Mit meinem Mann, mit der Familie, mit Freunden. In unserer Gesellschaft haben wir oft den komischen Anspruch, dass man alles alleine schaffen soll. Dass man Karriere macht, Kinder hat, sich toll schminkt und am besten wieder total schlank ist bald nach der Geburt und Zeit für alle hat und gleichzeitig immer für die Kinder da ist. Das ist einfach nicht möglich. Ich kann nur weiter arbeiten, weil ich viel Unterstützung habe. Ich würde das niemals alleine schaffen. Mein Mann übernimmt sehr viel zu Hause, verbringt viel Zeit mit den Kindern, die Eltern sind oft da. Wir helfen einander.

Der russische Angriffskrieg dauert jetzt schon länger als zwei Jahre. Sie sind Tochter eines ukrainisch-jüdischstämmigen Vaters und einer russischen Mutter. Sie haben Freunde und Bekannte in der Ukraine und in Russland. Wie geht es Ihnen damit?

Das ist eine Tragödie, ein riesengroßes Desaster. Ich finde furchtbar, dass Menschen sterben und leiden auf allen Seiten. Das macht mich sehr traurig, wütend und nachdenklich.

Sie haben sich kurz nach Ausbruch des Kriegs öffentlich zu Wort gemeldet und gesagt, dass Ihre Familie in Russland und der Ukraine total gegen den Krieg ist.

Ich hatte mich davor in der Öffentlichkeit immer mit politischen und gesellschaftlichen Themen zurückgehalten. Ich hatte vorher immer das Gefühl, dass ich mit der Musik alles sage, was ich sagen möchte. Dieses Mal hatte ich aber das Gefühl, dass ich öffentlich etwas sagen muss. Deshalb habe ich dieses Instagram-Video gemacht, alle weiteren Interview-Anfragen zu diesem Thema nicht angenommen.

Warum haben Sie sich politisch geäußert?

Ich habe gemerkt, dass ich etwas sagen muss, weil mein Schweigen eine falsche Botschaft vermitteln könnte. Ich bin jemand, für den es absolut selbstverständlich ist, durch die Welt zu reisen, in einem internationalen Bereich zu arbeiten und Menschen nicht aufgrund ihrer Herkunft mit Vorurteilen zu behaften. Meine Erfahrung ist auch die, dass wir auf der Welt sehr ähnlich fühlen und denken, und dass Vorurteile meistens nicht stimmen. Ich finde Vorurteile aufgrund einer Herkunft und einer Rasse auch nicht besonders klug. Rassismus ist aber leider da und hat viele Gesichter.

Sie wurden gerade am Anfang des Krieges oft gefragt, ob Sie Putins Angriff befürworten. Das hat Sie verletzt.

Meine Botschaft ist: Wir sind Russen, wir sind Ukrainer, wir sind Menschen, wir wollen keinen Krieg miteinander. Das wollte ich vermitteln. Ich war zu der Zeit auch auf Tour mit dem nationalen Orchester der Ukraine. Mir ist das aber nicht immer gelungen.

Inwiefern?

Zum Beispiel bin ich eingeladen worden bei einer Ukraine-Charity-Veranstaltung vor dem Brandenburger Tor zu spielen, ein großes Event. Die Sängerin Natalia Yegorova, die Frau von Vitali Klitschko, sollte die ukrainische National-Hymne singen und ich sollte sie auf dem Klavier begleiten. Ich habe mich total gefreut über diese Einladung und dachte in meiner Naivität, dass es ein so schönes Zeichen sein wird, dass wir Menschen keinen Krieg wollen, dass ich mit meinen russischen Wurzeln dort mit ihr zusammen spiele. Zwei Tage vor dem Event rief mich der Veranstalter an, für den dieser Anruf spürbar unangenehm war: Er musste mich wieder ausladen, weil Frau Yegorova sagte, sie würde niemals mit einer russischen Pianistin die ukrainische Nationalhymne aufführen. Ich bin ersetzt worden durch einen ukrainischen Pianisten. Nach diesem Anruf saß ich in der Küche und mir liefen Tränen übers Gesicht.

Im Klassikbetrieb sind Musiker und Musikerinnen ausgeladen worden, die sich nicht gegen Putin positioniert haben. Wie stehen Sie dazu?

Rassismus hat eben viele Gesichter. Ich finde es falsch, jemandem aufgrund der Herkunft bestimmte politische Haltungen zu unterstellen und ich finde auch, dass es einfach absurd ist, Menschen mit russischen Wurzeln von Jobs zu entlassen, ihnen Teilnahmen an Wettbewerben zu verwehren, sie anders zu behandeln. Genauso finde ich es generell absurd, Menschen aufgrund ihrer Herkunft anders zu behandeln.

Ihre Antwort in einem Interview auf die Frage, ob Sie sich als Russin, Jüdin oder Ukrainerin oder Deutsche fühlen, war: Ich fühle mich als Mensch auf dieser Welt.

Ja, so ist das auch.

In Deutschland scheint die Demokratie gefährdet. Was macht Ihnen aktuell Sorgen?

Ich beobachte, dass die Menschen weniger geduldig geworden sind, frustrierter. Ich kann das verstehen. Was ich sehr wertvoll finde, ist eine Demokratie, in der man sagen kann, was man denkt, und in der man einander zuhört, auch wenn sich die Gedanken des Anderen erstmal falsch anfühlen und anhören.

Gar nicht so einfach.

Stimmt. Aber das Wichtigste ist, dass wir einander zuhören und keine Vorurteile haben. Man muss nicht alle mögen, man muss nicht allem zustimmen und alles mitmachen. Aber zuhören und reden lassen, finde ich sehr wichtig in einer Demokratie.

Apropos Universum: Köln ist keine Weltmetropole wie Berlin oder New York. Warum wohnen Sie immer noch hier?

Ich mag die Stimmung, die Mentalität. Ich mag Köln, sehe überhaupt keinen Grund wegzuziehen. Und es ist praktisch, wenn man oft reist, von hier aus kann man drei Flughäfen in kurzer Zeit erreichen.

Wofür lieben Sie Köln noch?

Für die Offenheit der Menschen. Für die vielen schönen Stadtteile, in denen man toll essen gehen und eine gute Zeit haben kann. Es gibt viel Kultur und viele spannende Orte, tolle Museen, Shoppen macht auch Spaß hier. Es gibt die tolle Philharmonie.

Die Philharmonie muss saniert werden. Sind Sie nicht in großer Sorge?

Das wusste ich noch gar nicht. Ich liebe die Philharmonie. Ich kann nur hoffen, dass die Sanierung nicht zu lange dauert.

Was würden Sie in Köln gerne ändern?

Ich wohne in der Innenstadt und muss leider anmerken, dass die Stadt ziemlich dreckig geworden ist.

Wo sehen Sie in Köln außerdem Luft nach oben?

Es ist sehr schwierig, eine Wohnung zu finden. Ich habe Freude, die haben drei Jahre gesucht. Ich kenne mich mit den Gesetzen nicht gut genug aus, ich würde mich aber freuen, wenn in Köln mehr Wohnraum geschafft würde.

Haben Sie zum Schluss noch ein Lieblings-Karnevalslied für mich?

„Stadt mit K“ von Kasalla lief neulich bei uns und jetzt singt mein Sohn das Lied nach.