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Konzert in der PhilharmonieFunny van Dannens surrealistisches Pfadfinderlager

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Funny van Dannen in der Philharmonie

Köln – Flusensieb, sagt die böse Fee dem jungen Schüler auf dem Heimweg, Flusensieb sei das Wort, dass er niemals aussprechen, ja noch nicht einmal denken dürfe, wolle er einmal reich und mächtig werden.

Das Lied vom Flusensieb, das Funny van Dannen am Anfang seines Solokonzertes in der Kölner Philharmonie spielt, funktioniert als Gebrauchsanweisung für das gesamte Schaffen des Mannes aus dem äußersten Westens Nordrhein-Westfalens. Denn natürlich verfolgt den geschockten Schüler fortan das Wort, das er zuvor noch nie gehört hatte. Flusensieb, Flusensieb: Das verbotene Wort wird ihm zum Mantra. Warum reich und mächtig werden, wenn einen schon ein kleines Wort vor den Zumutungen des Alltags schützt?

Wehmut, Zorn, Mike-Krüger-Humor

Im Zentrum der meisten seiner Lieder lauern Echolalien. Er besingt die Lymphe und die Schilddrüsenunterfunktion, wünscht sich ein Okapiposter, oder erinnert eine alte Liebe an „das Spiel bei dem man auf die Beine von Flamingos zielt“. Er baut Geschichten um diese Wörter, mal mit Wehmut, mal mit Zorn, mal mit politischer Agenda, oft auch mit kalauernden Mike-Krüger-Humor.

Nur, um mit klarer Stimme zur Westerngitarre immer wieder dieses eine Wort, diese eine Wendung zu wiederholen, die ihn anscheinend nicht mehr loslässt. Bis sie sich, wie jedes Wort, wenn man es nur oft genug hintereinander aufsagt, in Nonsens auflöst.

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Nach mehr als zweieinhalb Stunden (mit Pause) mit solchen Liedern fühlt man sich leicht schwummerig im Kopf, als hätte man beim surrealistischen Pfadfinderlager einen Pfeifenzug zu viel genommen und sich gedacht: „Ceci n‘est pas une pipe.“

Und in der Tat halten sich in van Dannens Songs Tief- und Flachsinn stets die Waage und auch seine Zwischenansagen bleiben maximal unscharf, ungelenker Smalltalk zu FC und Wetter, wie pflichtschuldige Wortmeldungen vom Tresen, wo e§ doch eigentlich nur ums Trinken geht. Einmal bringt er seine Methode aber doch auf den Punkt: „Das nächste Lied ist ein bisschen doof. Aber mir gefällt‘s.“

Meister im Doofsein

Im Ein-bisschen-Doof-sein hat van Dannen seinen Freiraum gefunden. Und manche seiner Lieder mögen, mit Verlaub, vielleicht nicht gerade doof, aber doch ein wenig banal sein. Dann schlägt die offensichtliche Gemütsruhe des 64-Jährigen allzu sehr durch.

Nicht, dass er sie sich nicht redlich verdient hätte: Franz-Josef Hagmanns-Dajka, so bürgerlich heißt van Dannen bürgerlich, hat sich seit den frühen 1980er Jahren in der (West-)Berliner Szene herumgetrieben und war auch schon lange mit seinen Liedern zur Gitarre aufgetreten, als ihm Mitte der 1990er mit seinem ersten Album „Clubsongs“ und Liedern wie „Nana Mouskouri“ oder „Als Willy Brandt Bundeskanzler war“ endlich der künstlerische Durchbruch gelang. Plötzlich sang auch Udo Lindenberg seine Lieder und die Toten Hosen heuerten ihn als Texter an.

Quelle noch nicht versiegt

Und van Dannens Wundern über die Worte ist eine nicht zu versiegende Quelle. Den Lockdown, berichtet er in einem neuen Song, habe er unter anderem damit verbracht, nach Wörtern mit der Vokalkombination „a“ und „o“ zu suchen, von Knallkopf bis Chaos. Das ist das A und O seiner Kunst.

Aber noch besser ist sie, wenn er dabei auf unbequeme Wahrheiten stößt: Wie im schwärmerischen Lied vom „Corona-Liebespaar“, das sich auf einer Party traf „die eigentlich verboten war“ und keinen Bock auf Mundschutz hatte, wie es sich ja ständig küssen wollte: „Wie frei und unbeschwert sie sich dabei gaben“, singt van Dannen in der letzten Strophe, „niemand weiß, wie viele sie angesteckt haben“.