Die meisten Historiker sagten zum Kunsthandel nur „Bäh“. Dann kam 1992 das Kölner Zadik. Ein neues Buch blickt auf die teils dramatische Geschichte des Instituts zurück.
Kunst kommt von KneteWarum das Kölner Zadik so lange ums Überleben kämpfen musste
Wenn ein wissenschaftliches Institut mal Pause von der Arbeit macht, um die eigene Geschichte zu erforschen, darf man sich schon ein wenig wundern. Auch beim Kölner Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung stapeln sich sicherlich die aufschlussreichen, noch unerforschten Archivalien, Briefwechsel zwischen Künstlern und Galeristen, Geschäftskorrespondenz mit Sammlern und Museumsdirektoren sowie der sonstige Papierkram, der zwangsläufig anfällt, wenn mit der schönen Ware Kunst gehandelt wird.
Das Zadik hatte in seinen 30 Jahren viele Krisen zu überstehen
Andererseits gleicht es einem Wunder, dass das Zadik (so die liebevolle, aber vor allem eingängige Kurzform des Instituts) sein 30-jähriges Bestehen überhaupt erlebte und nun in einem üppigen Material- und Interviewband Revue passieren lassen kann. Das ist dann nicht nur eine ausgedehnte Feier wert (das Jubiläum datiert vom vergangenen Jahr), sondern macht auch den Ausflug in die Selbstbeobachtung verständlich.
Gleich mehrfach stand das 1992 gegründete Zadik vor dem finanziellen Aus und führte die längste Zeit seines Bestehens eine prekäre Existenz – warum sollte es ihm da besser ergehen als den meisten Künstlern und Galeristen? Wobei die Gründungsidee von zwei Kunsthändlern stammt, die es geschafft hatten: Hein Stünke und Rudolf Zwirner. Beide waren maßgeblich am Kölner Aufstieg zur Kunst- und Kunstmarktmetropole beteiligt, etwa als „Erfinder“ der Art Cologne oder, im Falle Zwirners, als Hauslieferant des Sammlers Peter Ludwig. Da lag der eitle Gedanke nahe, den eigenen Anteil an der jüngeren Kunstgeschichte erforschen und mit höheren Weihen ausstatten zu lassen. Andererseits bestreiten heute nur noch geborene Ignoranten, dass Galeristen und Kunsthändler maßgeblich dabei helfen, Künstler erst am Markt und dann in den Museen durchzusetzen - oder, feiner formuliert, zu etablieren.
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Das Kölner Zadik schloss bei seiner Gründung eine absurde Lücke der kunsthistorischen Forschung, denn bis dahin, so Zadik-Archivar Wilfried Dörstel im Jubiläumsband, sei es schlichtweg nicht üblich gewesen, „über die wirtschaftliche Seite des Kunsthandels zu schreiben“. Man habe sich lediglich biografisch mit einzelnen berühmten Galeristen beschäftigt, mit dem Ergebnis, so Dörstel, dass über den Kunstmarkt bis heute viele schöngefärbte „Narrative auf Vermutungsbasis“ existieren. Das Zadik habe hingegen von Anfang das Ziel gehabt, die „Mechanismen und Verkettungen im Hintergrund sichtbar zu bekommen“. Im Zweifelsfall meint das auch, was in Hein Stünkes Büro gemauschelt wurde.
In der Gründungsphase mussten Stünke, der sein Händlerarchiv in guten Händen wissen wollte, und Rudolf Zwirner als erster Zadik-Leiter viele Zweifel aus dem Weg räumen. Selbst im Bundesverband der deutschen Galeristen und Kunsthändler (BVDG) vermuteten offenbar viele Mitglieder, sie sollten eine Privatveranstaltung der Gründer finanzieren. Andere potenzielle Förderer, so Zwirner im Jubiläumsband, fanden, die Herren Galeristen hätten doch eigenes Geld genug. Letztlich gelang die Startfinanzierung aus den Fördermitteln, die der Bund der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn als Trostpflaster hinterließ.
Offensichtlich war Rudolf Zwirner nicht nur auf dem Kunstmesseparkett zu Hause, sondern auch auf dem politischen. Der Stadt Bonn verkaufte er das Zadik jedenfalls mit der Zusicherung, dass sie für das Institut nie zahlen werden müsse. „Ich argumentierte so, wohl wissend, dass es möglicherweise eine krasse Lüge sein könnte.“ So fand das Zadik in Bonn seine erste Heimat, ließ aber das Misstrauen nicht hinter sich. Viele Kunsthändler scheuten sich, dem Haus ihre Archive und damit auch ihre Betriebsgeheimnisse zu überlassen. „Die Überzeugungsarbeit“, so Zwirner, „konnte nur gelingen, weil die Kollegen wussten: Wenn der Zwirner sagt, er guckt da nicht rein, dann guckt er da auch nie rein.“ Zumal das Zadik keinen Etat für Ankäufe hatte und nur Geschenke akzeptierte. Wichtige Archive wie etwa des Kölner Galeristen Paul Maenz gingen derweil gegen US-Dollar ans Paul-Getty-Institut.
Während die wissenschaftliche Arbeit unter dem Dach der Bundeskunsthalle begann, tobte hinter den Kulissen ein Machtkampf um das Zadik. Für Katrin Rabus, zwischen 1995 und 1996 dessen Vorsitzende, ging es dabei einerseits um einen persönlichen Konflikt zwischen Zwirner und dem Kölner BVDG-Vorsitzenden Gerhard F. Reinz. Zugleich wollte der BVDG laut Rabus verhindern, dass die Galerien, „die als rein kommerzielle Akteure aufgefasst wurden“, zu großen Einfluss auf das Zadik nehmen. Mit anderen Worten: Das Zadik sollte nicht nur glitzernde Erfolgsgeschichten schreiben. Ein verständliches, aber auch etwas weltfremdes Anliegen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass sich die wilden Gründungsjahre spannender nacherzählen lassen als die folgenden. Allerdings blieben die Anfangsprobleme dem Zadik lange Jahre treu. Im Jahr 2001 erfolgte der Umzug nach Köln, wo die Finanzierung unter Heinz Holtmann komplett neu aufgestellt werden musste und die SK Stiftung Kultur den Bund als Hauptförderer ablöste. In ruhigere Fahrwasser gelangte das Institut unter seinem langjährigen wissenschaftlichen Leiter Günter Herzog, der aber weiterhin Argumente gegen den alten und, wie er sagt, „mehr oder weniger scheinheiligen“ Gegensatz von Kunst und Geld finden musste. „Die entdeckenden, fördernden und vermittelnden Qualitäten des Kunsthandels herauszustellen, wurde mein wichtigstes Anliegen“, so Herzog im Jubiläumsband.
Unter Herzog wies das Zadik seinen Nutzen regelmäßig nach, etwa mit grundlegenden Publikationen zur Künstlergruppe Zero, Blinky Palermo, Kasper König, den gemeinsamen Anfängen von Gerhard Richter und Sigmar Polke oder der Etablierung der Pop Art in Deutschland. Trotzdem geriet das Haus vor einigen Jahren ein weiteres Mal in einen „finanziellen Abwärtsstrudel“ (Herzog), aus dem es hoffentlich dauerhaft durch die Anbindung an die Universität zu Köln gerettet wurde.
„30 Years of Zadik“, Sediment 32, hrsg. v. Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung, deutsch/englisch, 264 Seiten, kostenlos als PDF. Die Papierausgabe auf Bestellung kostet 37,90 Euro.