Verdis selten gespielte Oper „Luisa Miller“, nach Schillers „Kabale und Liebe“, ist jetzt in Köln zu sehen. Vor allem Mané Galoyan in der Titelrolle überzeugt.
„Luisa Miller“ in der Oper KölnVergiftete Limonade im Neonlicht
„Luisa Miller“, 1849 in Neapel uraufgeführt, war nach „Giovanna d“Arco“ und „Die Räuber“ Giuseppe Verdis dritte Oper nach einem Schauspiel von Friedrich Schiller. Auch hier enthielt der Stoff ein nicht unerhebliches sozialkritisches Potenzial, das im Libretto allerdings deutlich zurückgedrängt wird: Während sich in Schillers „Kabale und Liebe“ die aristokratischen Figuren ihre moralische Verworfenheit mit freimütigem Zynismus eingestehen, geben sie bei Verdi ihre Fallhöhe nie völlig preis – was auch, aber keineswegs nur an der musikalischen Einkleidung liegt.
Die Liebe zwischen der Bürgerstochter Luisa und dem Adelsspross Rodolfo scheitert hier weniger an Standesgrenzen als an persönlichen Ränken und Leidenschaften. Christof Loy und sein Mitarbeiter Georg Zlabinger haben das im Repertoire nie wirklich heimisch gewordene Stück 2021 beim Sommerfestival im britischen Glyndebourne inszeniert, aufgrund von Corona-Vorgaben mit verkleinertem Orchester.
Das ist nun bei der Übernahme durch die Oper Köln wieder in Normalbesetzung am Start und macht sich, im Staatenhaus links der Bühne postiert, mit kompaktem, blechbetontem Klang auch markant vernehmbar.
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Erst im dritten Akt öffnet sich der schwarze Abgrund des Stückes
Johannes Leiackers Bühnenbild besteht aus einem konisch zulaufenden, nüchtern weißen, von kaltem Neonlicht erfüllten Einheitsraum, der zunächst keine Milieu-Unterschiede zwischen Bürgerstube und Adelspalais zu kennen scheint. Im zweiten Akt schließt sich rechts ein Kaminzimmer an, das im dritten aber wieder konsequent weggeleuchtet wird – da öffnet sich jener schwarze Abgrund, dem das Stück mit unerbittlicher Konsequenz entgegenläuft.
Die Inszenierung selbst gewinnt leider erst nach der Pause einigermaßen an Fahrt. Zuvor arrangiert sich das Personal zu handlungsbedingt wechselnden, aber im Grunde immer gleich strukturierten Bildern. Man wandelt in gediegener Büro- und Straßenkleidung, immer wieder lehnt sich jemand ausdrucksvoll, aber ohne erkennbare Motivation an die weißen Wände. Der Chor, dem Verdi ein paar schöne Genreszenen spendete, ist fast vollständig von der Bühne verbannt, stattdessen macht sich – warum auch immer – eine stumme Statisterie breit.
Die Regie hängt in einem hermetisch-kühlen Designstil fest, der sich jeder greifbaren Aussage entzieht und stattdessen alle Verantwortung den Darstellern überträgt. Sängerisch herausragend – auch in der Gunst des Publikums – ist die Armenierin Mané Galoyan in der Titelrolle: In Farbe und Format wirkt die Stimme zunächst eher jugendlich leicht, entfaltet aber in der intensiven Rollenformung eine erstaunliche Durchschlagskraft. Eine echte Virtuosennatur ist sie nicht, trotzdem sind Koloraturen und Verzierungen unanfechtbar sicher gesetzt.
Schlussszene mit packender Wirkung
Der Tenor Rodrigo Porras Garulo (Rodolfo) kann sich an ihrer Seite gut behaupten; die baritonal grundierte Stimme ist eher breit geführt, in der Höhe zuweilen nicht ohne Mühe, aber durchweg stark in Kantilene und Legato. Die Regie hätte ihn, der am Ende sich und Luise mit vergifteter Limonade tötet, deutlicher zwischen Täter und Opfer profilieren müssen, das tut der packenden Wirkung dieser Schlussszene aber wenig Abbruch.
Dem Anstifter der tödlichen Intrige gab Schiller den sprechenden Namen Wurm; der Kriecher und Fiesling wird schon bei Verdi zum leidenschaftlich Getriebenen aufgewertet und ist es noch mehr in Krzysztof Baczyks Rollengestaltung. Unter den tiefen Männerstimmen überzeugt der polnische Bass deutlich mehr als seine Mitstreiter: Olafur Sigurdarson gelingen als Vater Miller zwar eindrucksvolle Ausbrüche des Schmerzes und der Entrüstung; in der sängerischen Linie fehlt es aber erheblich an Stabilität.
Eine ungewöhnlich junge Erscheinung ist Dario Russo als Graf Walter, der andere Vater, dem der Zwiespalt zwischen Machthunger und Schuldgefühl buchstäblich die Kehle zuzuschnüren scheint: Die Stimme ist eng, extrem gedeckt und allzu oft von unklarer Tonhöhe. Dass er dem Orchester fast beständig nachhängt, könnte der Raumsituation geschuldet sein, die Kollegen kommen damit indes deutlich besser zurecht.
Adriana Bastidas-Gamboa ist als Luisas Gegenspielerin Federica wie üblich mit hohem Einsatz und ohne stimmliche Schonung bei der Sache. Maria Koroleva (Laura), fabelhafter Neuzugang im Opernstudio, macht die kleine Szene mit dem Damenchor zum musikalischen Kabinettstück.
Am Pult sorgt der italienische Maestro Roberto Rizzi Brignoli dafür, dass die musikalische Spannung des Abends deutlich größer ist als die szenische. Der Opernchor singt auch aus dem Off präzise und klangschön; das Gürzenich-Orchester entfaltet viel schwung- und glutvolle Italianità. Nützlich wäre es allerdings, wenn die Blechbläser ihre Pausentakte bei der nächsten Vorstellung besser durchzählten.