Die Galeristin Petra Martinetz erzählt von ihren Erfahrungen mit der Kölner Kulturszene und verrät ihre persönlichen Kulturtipps für den Mai.
„Mein Kulturmonat“ mit der Galeristin Petra Martinetz„Offenheit ist eine große Kölner Stärke“
Bevor ich vor 20 Jahren nach Köln gekommen bin, habe ich in Wien gelebt und in der Plattenindustrie gearbeitet. Und damals bin ich mit meinen Freunden immer schon zur c/o Pop nach Köln gereist und davor auch zur Popkomm - das war immer ein Highlight. Ich bekomme immer noch viel Besuch zur c/o Pop aus Wien und aus Bayern – da ist die Wohnung bei mir voll!
Mit meinem Besuch gehe ich auch immer gerne auf den Melatenfriedhof. Ein super schöner Ort, der für mich tatsächlich dem Zentralfriedhof in Wien am nächsten kommt.
Nach Köln bin ich aus privaten Gründen gezogen und hier habe ich dann unter anderem in einer Galerie gejobbt, bis ich 2015 meine eigene Galerie gegründet habe. Als Quereinsteigerin musste ich mir natürlich erstmal ein Netzwerk aufbauen. Aber inzwischen fühle ich mich hier schon lange angekommen und angenommen. Heute vertrete ich elf Künstlerinnen und Künstler - viel mehr könnte ich auch gar nicht gerecht werden.
Alles zum Thema Kölner Philharmonie
- Kölner Meisterkonzert Mal wieder liefert András Schiff eine respektheischende Leistung ab
- Alinde Quartett und Dmitry Ablogin in der Philharmonie Schubert mit all seinen Aufbrüchen und Abstürzen
- Kölner Philharmonie Cecilia Bartoli rührt das Publikum zu Tränen
- Mao Fujita in Köln Ein Spektakel, aber bei Mozart konnte man misstrauisch werden
- Sarah Wegener und Götz Payer in der Philharmonie Ein breites Spektrum an Glückszuständen
- Gürzenich-Konzert Eine Sternstunde dank Michael Sanderling und Gil Shaham
- Rudolf Buchbinder in Köln Eine Brahms-Aufführung von herausragender Qualität
Auch Wien hat ja eine super Tradition und super Sammler. Aber in Deutschland ist Köln auf jeden Fall der beste Ort für eine Galerie. Wegen der zentralen Lage, weil wir so nah an Holland und Belgien sind. Und weil hier einfach viele Sammler sind – Kunst zu sammeln hat eine lange Geschichte in Köln. Es gibt um die 50 Galerien, die aktiv und seriös arbeiten - das ist echt eine Menge!
Die Galerien sind nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Stadt - wir sind auch als Kulturbetrieb wichtig. Bei mir sind sehr viele junge Künstler*innen und mir macht es auch sehr viel Spaß, mit denen von Anfang an zu arbeiten und sie aufzubauen. Man macht alle zwei Jahre eine Ausstellung, man nimmt sie mit auf die Kunstmessen - wir sind ständig an ihrer Seite, versuchen, sie bei den Museen zu positionieren... Wir haben da für die Künstler*innen eine wichtige Vermittlungsfunktion.
Für die Kölner Sammlerschaft ist es total wichtig, dass jemand auf der Art Cologne vertreten ist. Die Standmieten sind recht hoch – wenn man dann noch eher niedrigpreisige Kunst hat, muss man erst mal schauen, dass man das überhaupt wieder reinbringt.
Leute, die meine Galerie gut kennen, kommen hier sehr selbstbewusst rein. Aber ab und zu stehen schon welche in der Tür und fragen ganz vorsichtig, ob man denn hier mal durchschauen darf und was denn das hier sei. Natürlich dürfen sie! Schließlich verstehen wir uns auch als Kulturbetrieb. Uns ist vollkommen klar, dass sich das, was wir hier zeigen, nicht jeder leisten kann. Es ist ja der große Vorteil von Galerien, dass man einfach mal reinschauen kann und keinen Eintritt zahlt.
Es sind immer so viele Eröffnungen hier in Köln - da bietet es sich wunderbar an, dass man einfach durch die Gegend schlendert und mal schaut, was gerade gezeigt wird. Künster*innen, die in Berlin leben, stellen hier gerne aus, weil es in Köln eine sehr freundliche Atmosphäre gibt. In Berlin muss immer alles cool sein – bis hin zu den Ausstellungsbesucher*innen. Und mir sagen die Berliner Künstler*innen immer, dass sie so gerne hier hinkommen, weil sie merken, dass die Leute es mögen, mit ihnen zu quatschen und sich wirklich mit ihrer Kunst beschäftigen. Dass sie keine Vorurteile haben, sondern ganz offen in eine Ausstellung kommen. Das ist eine große Stärke.
Offenheit ist eine Kölner Stärke
Im belgischen Viertel sind einige tolle Galerien mit guten Programmen – die Galerie JUGB in der Albertusstraße zum Beispiel. Nagel und Draxler in der Elisenstraße finde ich auch cool. Und natürlich so etablierte Supergalerien wie Gisela Capitain oder Daniel Buchholz.
Natürlich gehe ich ins Museum Ludwig, aber ich habe die gesamte Region im Blick: Ich fahre wahnsinnig gern nach Düsseldorf, zum Beispiel in den Kunstpalast oder nach Bonn in die Bundeskunsthalle. Oder auch die Kunstvereine, nach Aachen zum Beispiel. Das Museum Morsbroich in Leverkusen mag ich auch sehr. Ende Mai wird das Kunstmuseum in Mülheim an der Ruhr nach sechsjähriger Sanierung wieder eröffnet. Ich bin sehr gespannt, was die neue Direktorin zeigen wird.
Weil ich lange in Wien gearbeitet habe und direkt ab der Grenze zu Österreich aufgewachsen bin, vertrete ich auch einige Österreicherinnen und Österreicher. Aber es sind auch zwei Kölnerinnen dabei, die beide von der Kölner Kunsthochschule für Medien (KHM) kommen: Evamaria Schaller und Selma Gültoprack.
Den Nachwuchs im Blick
Den Nachwuchs haben wir durchaus im Blick. Ich gehe regelmäßig auf den Rundgang der Kunstakademie in Düsseldorf und natürlich auch auf den von der KHM. Zu diesen Rundgängen kommen auch viele Sammler*innen – wenn man ein bisschen Zeit mitbringt, kann man da viel entdecken.
Ich war fünf Jahre im Atelierbeirat in Köln. Künstler*innen können sich bei der Stadt für die geförderten Ateliers bewerben und der Beirat berät die Stadt dann bei der Auswahl. Dass es hier zu wenige - vor allem bezahlbare - Ateliers gibt, ist gerade für junge Künstler*innen ein Problem.
Auch für die Galerien könnte die Stadt deutlich mehr tun. Am ersten September-Wochenende gibt es zum Beispiel immer die Düsseldorf Cologne Open Galleries (DC Open). Die Kölner und Düsseldorfer Galerien eröffnen da alle gemeinsam – das geht jetzt ins sechzehnte Jahr. Damit ziehen wir richtig Publikum: an einem Wochenende kommen da um die 30 000 Besucher zusammen in den beiden Städten.
Und das sind meistens nicht die, die sich schnell mal in der Fast-Food-Billigkette was zu essen kaufen. Ich finde, wir holen da gute Leute nach Köln - und da könnte die Stadt sich im Gegenzug gerne revanchieren.
Aufgezeichnet von Kerstin Meier
Petra Martinetz wurde 1978 in Traunstein/Oberbayern geboren. Ihre Galerie in der Moltkestraße 81 ist Mittwoch bis Freitag von 13 bis 18 Uhr geöffnet, Samstag von 12 bis 16 Uhr. Am 3. Mai lädt sie zur Eröffnung der Ausstellung „Uncanny Felly“ ein, die bis zum 7. Juni zu sehen ist. Zu sehen sind großformatige Malereien von Steifftier-Affen des Kölner Malers Burkhard Mönnich.
Kulturtipps für den Mai von Petra Martinetz
Konzert: Ich habe Ray Lozano noch nicht live gesehen, sie aber auf WDR in der Sendung COSMO gehört. Und das hat mein Interesse geweckt. Am 27. Mai spielt sie um 20 Uhr im Rahmen des NIKA-Programms im Jaki im Kölner Stadtgarten und da werde ich sie mir zum ersten Mal anschauen.
Festival: Schon seit Jahren nehme ich mir vor, das Acht Brücken Festival in Köln zu besuchen. Dieses Jahr habe ich es mir fest in den Kalender eingetragen. Vom 4. bis zum 12. Mai finden in tollen Locations wie der Kölner Philharmonie, der Lagerstätte für die mobilen Hochwasserschutzelemente oder in der Trinitaskirche Konzerte Neuer Musik statt.
Ausstellung: Fünf internationale Künstlerinnen und Künstler versuchen sich in der Ausstellung im Leverkusener Museum Morsbroich „Es gibt kein Wort... Annäherungen an ein Gefühl“ (bis zum 25. August) dem Begriff „Heimat“ zu nähern. Spannendes Thema. Eine der Künstlerinnen ist die Düsseldorferin Jody Korbach. Sie hat 2018 in der Tradition der Schützenvereine den „Schützenkorps Europa“ gegründet, der sich zur Aufgabe gemacht hat „europäische Werte an den Stammtisch zu bringen und von dort aus zu verteidigen“.