Der Seeed-Frontmann gibt gleich zwei aufeinanderfolgende Konzerte in der Kölner Arena. Unsere Kritik.
Peter Fox in der Lanxess-ArenaSonderpädagogik für Mittelschichtsängste
Man will es kaum schreiben, aber wenn sich Peter Fox für einen kurzen ruhigen Moment ans Fender Rhodes Piano setzt und Zeilen wie „Unter deiner Sonne/Die das ganze Jahr nicht untergeht“ anstimmt, klingt er für einen Moment lang wie Herbert Grönemeyer. Der Song namens „Hale-Bopp“ – eine Ode an die Freuden einer langlebigen, von Vertrauen geprägten Partnerschaft – stammt noch vom letzten Seeed-Album, Fox‘ Hauptprojekt.
Schon setzt der Rhythmus ein, sehr viel tanzbarer als irgendein Stück aus dem Grönemeyer’schen Œuvre, Sänger Bensh übernimmt die Melodie und sucht gemeinsam mit Fox nach Freiwilligen aus dem Publikum, die auf der Bühne in der Lanxess-Arena mitmachen wollen. Dort hatte sich von Anfang an, auf einer Tribüne hinter der achtköpfigen Band, eine Schar Feiernder versammelt. Es ist das erste von zwei aufeinanderfolgenden Konzerten in Köln.
Peter Fox will kein Herbert Grönemeyer sein
Später holt Fox einige Profibreaker unter ihnen für ein paar Powermoves nach vorne, während er Fans aus der Gegend wie ein Quizmoderator alter Schule fragt, was sie so beruflich machen: „Du studierst Sonderpädagogik? Das habe ich auch mal gemacht! So ein wichtiger Job. Gebt mal einen Applaus für alle Sonderpädagogen!“
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Nein, ein Herbert Grönemeyer will er nicht sein. Dafür fehlt Fox das Ego, er steht lieber am Rand und bereitet den richtigen Rahmen. Aber den Erosions-Ängsten und Fluchtträumen einer neuen Mittelschicht stimmigen Ausdruck zu verleihen, das beherrscht der 53-Jährige perfekt. „Deutschland ist am Schwächeln, aber ich bleib‘ stark“, sprechsingt er in „Toast“, dem ersten Stück des Abends. Die Welt mag untergehen, aber „Familie ist gesund und die Kids alright“. Wir fühlen dich, Peter!
Dazu passt selbstredend auch sein Status als Star wider Willen. Sein erstes Soloalbum „Stadtaffe“ hatte Pierre Baigorry, wie Fox ausgefuchst heißt, bekanntlich dem amerikanischen Sänger CeeLo Green auf den Leib komponiert. Der stand jedoch nach seinem Überraschungserfolg mit Gnarls Barkley nicht mehr zur Verfügung. Also dachte sich Baigorry deutsche Texte aus und sang die unter neuem Pseudonym auch gleich selbst ein: Zusammen ergaben sie ein Porträt des Künstlers als nicht mehr ganz junger Mann.
Stadtaffen, so Fox damals, seien Menschen, die vom Lärm genervt sind, aber selber Krach machen. Es ist das Drama des alternden Hipsters, der sich noch vom Wochenende verkatert zum Elternsprechtag schleppen muss. Der das exzessive Leben im Großstadtdschungel romantisiert, aber heimlich fürs „Haus am See“ spart.
Das „Haus am See“ wird zur geteilten Idylle
Die Übersingle von damals hat Fox ganz ans Ende des Abends gestellt, die Tänzer sind gegangen, der größte Teil der Band bleibt in der Garderobe, es ist eine akustische Version zum Mitsingen. Eine geteilte Idylle, „Orangenbaumblätter liegen auf dem Weg“, man braucht nie mehr rauszugehen. Den größten Energieschub aber liefert zur Mitte des Sets ein fantastisch tight gespieltes „Schwarz zu Blau“, die Hymne ans herrlich kaputte Berlin: „Tret‘ auf ’n Typen, der zwischen toten Tauben pennt“ – in der Rückschau, wenn die Clubbing-Jahre vorbei sind, klingt das beinahe erstrebenswert.
Der überwältigende Erfolg von „Stadtaffe“ überwältigte 2008/9 auch Baigorry, der prompt schwor, seine unverhoffte Solokarriere sofort wieder beenden zu wollen – und sich tatsächlich 15 Jahre Zeit ließ, bis er einen zweiten Tonträger unter dem Namen Peter Fox veröffentlichte. „Love Songs“ erreicht nicht die kinematische Dichte von „Stadtaffe“, kann aber als tiefenentspannte Tanzplatte überzeugen. Das ist schon ein kleines Kunststück, denn hinter den Italien-Fantasien („Toscana Fanboys“) und den Absagen ans eigene Wutbürgertum („Weiße Fahnen“) schwelt die Angst ums Ende des schönen Lebens in der gehobenen Mittelschicht.
Zweckoptimist, der er ist, beschwört Fox wider besseres Wissen die „Zukunft Pink“. „The Future is now“ verspricht ein ausgerolltes Banner. Was, wenn sie längst an uns vorbeigezogen ist? In „Gegengift“ beschreibt er eindringlich die Bunkermentalität der vereinzelten Gesellschaft, aber in seiner Ansage dazu („Leute, ich weiß, es wird schwieriger“) will ihm auch keine richtige Lösung einfallen. Weniger Gemotze? Ein bisschen mehr aufeinander aufpassen? Sonderpädagogik studieren?
Es ist auch gar nicht seine Aufgabe, Peter Fox hat zwei sehr gute Soloalben veröffentlicht, hat mit Seeed erheblich zur Auflockerung der deutschen Popmusik beigetragen, hat – das sieht man auch in der Kölner Arena – mit seiner Musik Alt und Jung aufs Unpeinlichste vereint. Das ist viel. Wir freuen uns schon aufs Alterswerk, in 15 Jahren.