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Rückblick auf Ära Birgit MeyerEin Buch für Opernfreunde

Lesezeit 4 Minuten
Oper Köln DER MEISTER UND MARGARITA Musik. Eine gelb angestrahlte Frau in einem Kleid geht über die Bühne, hinter ihr sitzen dunkle und graue Gestalten auf Stühlen im Kreis.

Aufführung von „Der Meister und Margarita“ in der Oper Köln.

Oper ist eine Kunst auch für die Augen. Deutlich wird das mit den drei Bänden, die einen Rückblick auf die letzten 10 Jahre unter Ex-Intendantin Birgit Meyer bieten.

Die drei Bücher, jeweils im Soft-Cover, haben eine unterschiedliche Höhe – wenn sie nebeneinanderstehen, erinnern sie an Orgelpfeifen. Näherliegend ist im Themenzusammenhang allerdings eine andere musikalische Assoziation: die an die aufsteigenden Zuschauerränge in einem Opernhaus. Und genau darum geht es: um eine Bilanz der soeben zu Ende gegangenen zehnjährigen Ära der Kölner Opernintendantin Birgit Meyer, die das Werk zugleich – unter Assistenz zahlreicher Mitwirkender – herausgibt.

Bei diesem Unternehmen, das der Verlag der Kölner Buchhandlung Walther König ins Werk setzte, hat man erkennbar das Prinzip „Think big!“ umgesetzt. Mit Unterstützung etlicher öffentlicher und privater Förderer – von der Stadt über das Kulturministerium NRW bis zum NRW-Kultursekretariat, vom Kuratorium der Oper über die Opernfreunde bis zum Immobilienunternehmen Pandion – kam ein stattliches Opus im Gesamtumfang von 704 Seiten zusammen, darauf 665 hochwertige Bilder vorzugsweise mit Foto-Szenen aus in der Meyer-Zeit aufgeführten Produktionen. Das kann auch gar nicht anders sein – dass die Oper nicht nur klingt, sondern zentral auch eine Kunstform für das Auge ist, wird hier noch einmal aufs Nachdrücklichste bestätigt.

Bücher blicken zurück auf Meyers Krisenmanagement

Die Vermutung übrigens, dass die Publikation, die in das anrollende Weihnachtsgeschäft hineinstößt, die Gabentische anno 2022 zieren soll, ist wohl nicht abwegig. Der Gesamtpreis von 65 Euro macht es, auch unter dem Aspekt der fälligen Investition, zu einer repräsentativen Gabe.

„Kosmos Staatenhaus“ heißt der umfangstärkste erste Band – naheliegend, denn die Meyer-Jahre wird man im Nachhinein wohl nicht so sehr mit Spielstätten wie der Blauen Tüte am Hauptbahnhof oder dem Mülheimer Palladium und schon gar nicht mit dem Haus am Offenbachplatz in Verbindung bringen, sondern eben mit dem Staatenhaus (wo die Zuschauerränge indes, anders als die drei Bände, kaum ansteigen). Dort ging es am 15. November 2015 los mit „Benvenuto Cellini“, dort residiert die Oper bis zum heutigen Tag.

Das dies so ist, dass ein notlösendes Provisorium zu einer dauernden Institution werden musste – es erinnert nicht zuletzt an die ausgeprägte Krisensituation, der Meyer sich während ihrer kompletten Amtszeit zu stellen hatte: Zu Beginn, nach dem Katastrophenende der Ära Laufenberg, der Auszug aus dem Riphahn-Bau, dessen Sanierung dann finanziell und vor allem zeitlich aus allen Fugen geriet, dann verschiedene Interimsspielstätten und schließlich, als und weil die Fertigstellung des Hauses am Offenbachplatz in weite Ferne rückte, eben das Domizil in Deutz. Das war einst, 1928, für die legendäre Pressa-Ausstellung errichtet worden. Opernferner konnte es kaum angehen.

„Was Oper kann!“ zeigt, wie das Unmögliche möglich gemacht wurde

Musste es aber. In Gesprächen mit Meyer, dem Technischen Leiter Volker Rhein und dem Beleuchter Andreas Grüter, aber auch dem Kölner Ex-Intendanten und Regisseur Michael Hampe, dem Bühnenbildner Dieter Richter und dem Dirigenten Gabriel Feltz wird noch einmal eindringlich rekapituliert, unter welchen Bedingungen das Unmögliche doch möglich werden, ein anspruchsvolles Hindernisrennen gemeistert werden konnte. Und dies angetrieben von dem Willen, Publikumsschwund nicht hinzunehmen, sondern offensiv Oper für ein großes Publikum zu machen. Journalisten und Musikwissenschaftler schreiben über die Schwerpunkte von Meyer Agenda: Modernes Musiktheater, Köln-Bezug, verstärkte Präsenz von Regisseurinnen, Internationalität.

Der dritte Band („Was Oper kann!“ widmet sich der in der Tat spektakulär erfolgreichen Kinderoper sowie Projekten wie „Oper und Demenz“ und „Theater und Schule“. Der zweite Band enthält historische Aufsätze zur Geschichte der Kölner Oper und zu Offenbach aus der Feder des früheren Chefdramaturgen Georg Kehren, es schließt sich eine Chronologie der Kölner Oper zwischen 2006 und 2022 an. 2006 – das war noch lange vor Meyer, da amtierte noch Christoph Dammann als Intendant. Die Ex-Intendantin begründet diesen Ausgriff in die Geschichte mit dem Hinweis, dass man damit nahtlos an die Vorgänger-Chronologie in dem von Christoph Schwandt herausgegebenen Buch „Oper in Köln“ anknüpft.

Erinnerungen an unzählige Aufführungen verbildlicht

Der Opernfreund schaut sich die Texte, vor allem aber die Bilder gerne an – sie rufen ihm nachdrücklich die Erlebnisse ins Gedächtnis, die ihm selbst als Besucher zuteil wurden. Klar, dass Kritisches in dem Werk unter den Tisch fällt. Missratene Produktionen kommen nicht vor, es gibt auch keinen Krach hinter den Kulissen.

Das war allerdings billigerweise auch nicht anders zu erwarten. Und grundsätzlich stimmt es ja: Birgit Meyer hat in zehn Jahren das Kölner Opernschiff so durch schwere Wasser gesteuert, dass es nicht kenterte, sondern in den besten Augenblicken zu einem hochexperimentellen Erfolgsmodell wurde. Da kann sie sich ruhig mal ein bisschen selbst feiern. Und feiern lassen.

Birgit Meyer (Hrsg.), „Was Oper kann!“ (3 Bände), Verlag der Buchhandlung Walther König, 704 Seiten, 665 Abbildungen, 65 Euro