Köln – Als Dwight Rhoden beschließt, ein Tanzstück als Hommage – er nennt es einen „Liebesbrief“ – an David Bowie zu choreografieren, lebt der wandlungslustigste aller Rockstars noch. Niemand kann oder will sich eine Welt ohne ihn vorstellen.
Der Mitgründer des Complexions Contemporary Ballet verbringt Monate damit, sich durch den riesigen Katalog des Briten zu hören – „Er ist einer der wenigen Künstler, die in jedem Genre gearbeitet haben“, sagt Rhoden – und auch damit, nach Fördergeldern zu suchen.
Dann stirbt Bowie am 10. Januar 2016, zwei Tage nach seinem 69. Geburtstag und der Veröffentlichung seines finalen Albums. Und Rhodens Choreografie „Star Dust“ wird, nein nicht zur Trauerfeier, sondern eher eine Achterbahnfahrt durch das gewaltige Werk. Auch die letzte Single „Lazarus“ hat er ins Programm aufgenommen, und wenn die Tänzer des Complexions Contemporary Ballet ihre Lippen synchron zur Gesangsspur bewegen, möchte man meinen, dass Bowie hier auf der Bühne in jeder Aufführung wieder aufersteht.
Das macht Sinn, schließlich strebte seine Musik stets zum Theatralischen, auch zum Theater der Geschlechter, was die Choreografie in ihrem Spiel mit Elementen von Drag und Prunkumzug aufnimmt. Es ist ein großes Fest, das unweigerlich in „Let’s Dance“ mündet, aber Bowies experimentellere Seite nicht scheut.
Dwight Rhoden und Desmond Richardson, die beiden Gründer und künstlerischen Leiter des Complexions Contemporary Ballet lernen sich als Solisten in der berühmten Company von Alvin Ailey kennen. Tänzerisch sind sie am Gipfelpunkt: Richardson, der an der Internationalen Akademie des Tanzes in Köln studiert hat, wechselt später noch zu William Forsythes Frankfurter Ballett, bevor er zum ersten schwarzen Solotänzer des American Ballet Theatre ernannt wird.
Gleichzeitig arbeitet er mit Rhoden bereits am gemeinsamen Traum einer inklusiveren, diverseren Company. „Tanz bestand damals, Mitte der 90er, noch aus streng voneinander getrennten Stilen“, erzählt Richardson. Sie aber wollen klassisches Ballett, Modern und Street Dance miteinander vereinen. „Und wir wollten auch unterschiedliche Körper und Ethnien“, ergänzt Rhoden.
Die 33 Tänzer der neuen Truppe rekrutieren sich meist aus anderen Companys, geprobt werden kann folglich nur nachts. Die Leidenschaft, die den gemeinsamen Nenner bilden soll, müssen sie schon mitbringen, um diese Doppelbelastung durchzuhalten. Aber gleich die erste Premiere wird ein Riesenerfolg und heute geht das Complexions Contemporary Ballet bald auf sein 30. Jahr zu.
Auch „Star Dust“ ist längst ein moderner Klassiker, in Köln zeigen Rhoden und Richardson das Bowie-Stück zusammen mit „Bach 25“, Rhodens Choreografie zu Stücken von Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel Bach zum 25-jährigen Jubiläum der Company.
„Star Dust – From Bach to Bowie“ gastiert vom 19. Juli bis zum 24. Juli in der Kölner Philharmonie.