Star-Maler verärgertUnbekannte wollen Millionen für Richter-Frühwerk
Lesezeit 4 Minuten
Düsseldorf – Zwei DIN-A4-Mappen mit Spiralbindung sollen den Beweis für einen angeblichen Kunstschatz liefern. Auf dem Deckel steht: „Gerhard Richter Frühwerke“. Darin: Kopien von rund 500 Skizzen und Studien, die aus dem Dresdner Frühwerk des weltberühmten Malers stammen sollen. Seit Jahren versuchen Unbekannte, das ominöse Konvolut für eine hohe Millionensumme auf den Markt zu bringen. „Wie sauer Bier“ würden die mehr als 60 Jahre alten Blätter angeboten, heißt es in Kunstmarktkreisen. Aber keiner greift zu. Zwar ist Richter einer der teuersten lebenden Maler der Welt. Aber an dem Konvolut, das kaum jemand bisher im Original gesehen hat, gibt es begründete Zweifel.
Nun macht Richter erstmals öffentlich seinem Ärger über den Handel mit den Skizzen Luft. „Da sind jede Menge Sachen nicht von mir“, sagt der in Köln lebende Künstler der Deutschen Presse-Agentur. „Die Hälfte davon ist Ramsch und sollte verbrannt werden.“ Viele Arbeiten stammten auch von seiner damaligen Frau Marianne, genannt Ema, sagt Richter. Die Arbeiten seien nicht signiert. Ihm sei „völlig unbegreiflich“, woher sie kämen. Er habe seinerzeit auch nur Fotos von dem Konvolut gesehen und wisse nicht viel darüber. Die Angelegenheit sei „nur lästig und unerfreulich“.
Werke in der DDR zurückgelassen
Richter studierte von 1951 bis 1956 an der Kunstakademie Dresden. 1961 floh er mit seiner damaligen Frau nach Westdeutschland. Seine Werke musste er in der DDR zurücklassen - auch die Skizzen und Entwürfe.
Inzwischen wurde das Konvolut dem früheren Kunsthändler Helge Achenbach angeboten, der wegen Betruges in Haft gesessen hatte. Achenbach will die Arbeiten nach eigenen Angaben für das Gerhard Richter Archiv der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sichern. Der Künstler hat dem Archiv die Eigentumsrechte an seinen Dresdner Werken übertragen.
Forderung über 120 Millionen Euro
„Das Herumgeistern muss zu Ende gehen“, sagt Achenbach der dpa. Mit einer Forderung über 120 Millionen Euro habe es vor Jahren angefangen. Derzeit sind offenbar fünf bis zehn Millionen im Gespräch. Er suche einen „Weißen Ritter“, der bereit sei, das Konvolut zu kaufen und dem Archiv zu übergeben, sagt Achenbach. „Der ein oder andere“ habe sich bereits gemeldet. Geld will Achenbach mit seiner Mission nicht verdienen. „Ich mache das ohne Honorar.“ Es gehe ihm nicht ums Geschäft, sondern um die historische Verantwortung. „Der einzige Ort, wo es hingehört, ist das Archiv.“
Kunstmarktexperten schütteln angesichts der Millionenforderung den Kopf. „Richter zu verkaufen, ist heute schwer genug“, sagt der Münchner Auktionshauschef Robert Ketterer. Der Markt für Gerhard Richter sei in den vergangenen Jahren alles andere als gewachsen. Während die großformatigen Meisterwerke Richters nach wie vor zu Spitzenpreisen gehandelt würden, sei bei kleineren Arbeiten ein gewisser Einbruch der Preise zu beobachten.
Nichts für ein Museum
„Wenn das Konvolut so ist wie beschrieben, würde ich es eher auf 100 000 Euro als auf fünf Millionen schätzen“, sagt Ketterer. Für den Handel seien die Zeichnungen völlig ungeeignet. „Man bekäme von Richter auch keine Expertise dafür.“ Als schöne Jugendarbeiten sehen andere Experten die Zeichnungen. Nichts für ein Museum, aber wertvoll für das Archiv.
Das sieht Dietmar Elger, Leiter des Richter Archivs, ähnlich. Die Arbeiten seien interessant für Dresden und für das Archiv als „dokumentarisches Material“, sagt Elger der dpa. „Da sind sie bei uns gut aufgehoben.“ Elger hat die Zeichnungen vor rund zehn Jahren im Original gesehen. Der weitaus größte Teil habe Entwurfs- und Studiencharakter. Darunter seien sehr viele Detailskizzen wie Handhaltungen. Ein „substanzieller Anteil“ stamme auch gar nicht von Richter. Die Blätter seien nicht signiert. In den Zeichnungen sei der spätere Richter zudem noch nicht zu erkennen, man könne sie ihm kaum zuordnen. Elgers Fazit: „Einen großen kunsthistorischen oder Marktwert haben sie nicht.“
Dennoch hat auch das Richter Archiv bereits versucht, das Konvolut zu erwerben, sei aber „immer an den über die Jahre steigenden finanziellen Forderungen gescheitert. Zwar wisse man, wem die Blätter gehörten, sei aber bislang nicht direkt von dem heutigen Besitzer kontaktiert worden. Man habe es „mit ständig wechselnden Zwischenanbietern und kunstfremdem Personal zu tun“. Zu Achenbachs öffentlichen Vermittlungsbemühungen meint Elger: „Es wäre sinnvoller gewesen, das Ganze diskreter zu behandeln.“ (dpa)