Im März 2012 trat Karl Lagerfeld als Stargast der lit.Cologne in der Kölner Oper auf.
Moderiert wurde der denkwürdige Abend von Roger Willemsen. Doch geplant war das nicht.
Köln – In Köln schaute Karl Lagerfeld ja eher selten vorbei. Als es den Machern der lit.Cologne gelang, ihn 2012 in die Stadt zu lotsen, war das ein echter Coup. In der natürlich ausverkauften Oper sollte der Modedesigner unter der Überschrift „Ich bin ein Papierfresser“ mit Elke Heidenreich über seine große Liebe zu Büchern sprechen. Doch dann kam alles ganz anders.
Der Meister betrat die Bühne der Oper mit einer halben Stunde Verspätung. „Ich bin immer verspätet, aber dieses Mal bin ich es nicht schuld", sagte Lagerfeld. Da hatte das Publikum schon zweimal gemurrt.
Wegen der Wartezeit und weil nicht wie angekündigt Elke Heidenreich, sondern Roger Willemsen das Gespräch mit dem Modeschöpfer, Fotografen und Verleger führte. Werner Köhler von der lit.Cologne gab für diesen Austausch trotz der „Warum, warum?“-Rufe aus dem Publikum keine Erklärung.
Gerüchte machten die Runde, Lagerfeld habe Anstoß an einem Artikel Heidenreichs genommen. Sie hatte für die „Brigitte“ folgenden Satz über Lagerfeld geschrieben: „Die Halbhandschuhe verstehe ich nur zu gut, denn nirgends sieht man das wahre Alter eines Menschen deutlicher als an seinen Händen.“
Missglückte Liebeserklärung
Doch was aus Sicht von Beobachtern als Liebeserklärung gemeint war, kam bei Lagerfeld gar nicht gut an. Der erfuhr jedenfalls in Paris von dem Artikel und ließ am Freitag in Köln anrufen.
Inhalt des Anrufes sinngemäß: Wenn Frau Heidenreich den Abend moderiert, komme ich nicht. Das stellte wiederum die Macher der lit.Cologne um Werner Köhler vor eine harte Entscheidung. Solidarität mit Frau Heidenreich oder Treue dem Grundsatz: Alles, alles, für das Publikum! Man entschied sich schließlich, 1500 Zuhörer, die sich auf den Abend mit Lagerfeld freuten, nicht zu enttäuschen.
So sprang Roger Willemsen für Heidenreich ein, ihm blieben genau zwei Stunden zur Vorbereitung. Davon war freilich nichts zu merken.
Willemsen und Lagerfeld spielten sich vor ausverkauftem Haus die Bälle zu und streiften deutsche, englische und französische Literatur der vergangenen Jahrhunderte. Lagerfeld bewies eindrucksvoll, dass er nicht nur eine 300.000 Bücher umfassende Bibliothek besitzt, sondern viele der Werke auch gelesen hat.
Schon als Kind habe er Balzac und Thomas Mann gelesen – alles im Original, versteht sich. Kinderbücher hätten ihn nie interessiert. „Ich hasste es, Kind zu sein, ich wollte ernst genommen werden.“
Lagerfeld der Stilist von Kindesbeinen an
Stil, das sei das Entscheidende im Leben und das interessiere ihn auch an der Literatur. „Der Inhalt ist mir wurscht, mich interessiert nur, wie es geschrieben ist.“ Er sei ein Liebhaber gedruckter Bücher.
„Ich liebe iPads, aber Bücher sind besser.“ Kein Bildschirm könne den Geruch von Papier, das Gefühl beim Umblättern der Seiten ersetzen. Er selbst lese zwar viel, aber ein Schriftsteller sei er nicht: „Ich schreibe nicht, ich mache nur Vorworte.“
Schlagfertig und launig reagierte Lagerfeld auf jede Anregung Willemsens, der seinerseits ebenfalls jeden Roman, jedes Sachbuch – „ein schreckliches Wort“, so Lagerfeld – und jedes Gedicht kannte, das der Modedesigner anführte.
Es war ein Abend, der den Besuchern noch lange in Erinnerung blieb. Und der heute Trauer auslöst, bedenkt man, dass diese beiden klugen, schlagfertigen, gebildeten und unterhaltsamen Intellektuellen nicht mehr leben.