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Viele ProminenteVeranstaltungsbranche will Politik in Berlin mit Demo wachrütteln

Lesezeit 4 Minuten

Das Kölner E-Werk während der Night of Lights im Juni

Carolin Kebekus fand deutliche Worte: „Die Veranstaltungsbranche in Deutschland hat ein riesiges Problem “, sagte die Kölner Komikerin am Sonntag in einer Story auf ihrem Instagram-Kanal. Darin rief sie dazu auf, an der für diesen Mittwoch geplanten Demo „Alarmstufe Rot“ in Berlin teilzunehmen, bei der die Veranstaltungsbranche auf ihre schwierige Lage aufmerksam machen will. Sie selbst könne leider nicht dabei sein, teilte Kebekus am Dienstag über einen Sprecher dieser Zeitung mit, sie werde aber ihren Nightliner zur Verfügung stellen, damit rund 20 ihrer Crewmitglieder nach Berlin fahren können. „Liebe andere Künstler“, schreibt Kebekus: „Unterstützt eure Crews, es muss sich was ändern, denn wenn das so weitergeht und wir so wenig Unterstützung bekommen für diese wunderbare Branche, weil es einfach keine Lobby gibt, die sich einsetzt, dann wird nach Corona an Kultur nicht mehr viel übrig bleiben, und das wäre der absolute Horror.“

Lange Liste an Betroffenen

Von der monatelangen Schließung von Theatern, Messen, Clubs und anderen Veranstaltungsorten aufgrund der Corona-Pandemie sind viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Gewerken betroffen: Messebauer und Techniker, Konzert- und Booking-Agenturen, Speditionen, Caterer, Redner, Moderatoren, Security. Die Liste ist lang. Eins haben sie alle gemeinsam: Sie bangen um ihre Existenz. Bei einer ersten bundesweiten Protestaktion, der „Night of Light 2020“, waren im Juni mehr als 40 000 Mitwirkende aus mehr als 8000 Unternehmen beteiligt. Nun soll bei einer Demonstration in Berlin, zu der laut rbb bis zu 10.000 Menschen erwartet werden, die Politik aufgerüttelt werden. „Alarmstufe Rot“ versammelt zahlreiche Initiativen und Verbände der Veranstaltungswirtschaft. Das Bündnis spricht nach eigenen Angaben für nahezu 10.000 Unternehmen mit mehr als 250.000 Beschäftigten.

Anlässlich einer Mahnwache wollen sie den Abgeordneten vor dem Reichstag in Berlin ihr letztes Hemd überreichen und dann die Veranstaltungswirtschaft symbolisch zu Grabe tragen. Unterstützung gibt es nicht nur von Carolin Kebekus, sondern auch von anderen Künstlern. „Es fühlt sich an, dass unsere Branche im Stich gelassen wird“, sagt etwa Glasperlenspiel-Keyboarder Daniel Grunenberg in einer Videobotschaft auf dem Facebook-Profil von „Alarmstufe Rot“. Auch die Toten Hosen rufen zur Unterstützung des Protests auf.

Alles zum Thema Carolin Kebekus

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Die Veranstaltungswirtschaft benötigt laut der Organisatoren der Demonstration dringend eine Perspektive, um den nach ihren Angaben sechstgrößten Wirtschaftszweig Deutschlands mit 130 Milliarden Euro Umsatz sowie mehr als einer Million Beschäftigten vor dem Untergang zu retten. Die Verantwortlichen, die für ihre Demo ein ausgefeiltes Hygienekonzept erarbeitet haben und alle Teilnehmer auffordern, Masken zu tragen und Abstände einzuhalten, haben konkrete Forderungen an die Politik formuliert. Für alle Unternehmensgrößen mit Umsatzeinbrüchen über 60 Prozent müsse das Überbrückungsprogramm ausgeweitet werden. Kreditprogramme müssten angepasst werden, unter anderem mit Kreditlaufzeitverlängerungen auf bis zu 15 Jahre. Der steuerliche Verlustrücktrag müsse auf mindestens fünf Jahre ausgeweitet werden. Zudem sei es wichtig, die Kurzarbeiterregelungen zu verlängern und zu flexibilisieren und mit Vertretern der Veranstaltungswirtschaft in einen Rettungsdialog zu treten.

Claudia Wedell, Leiterin des Kölner Gloria-Theaters, hatte bereits im Juni zahlreiche Künstler zusammengetrommelt, die in dem Video „Damit es nicht still bleibt“ auf die schwierige Lage der Veranstalter aufmerksam machten. Sie glaubt, dass vielen Menschen gar nicht klar ist, wie viele Betroffene es gibt, weil die Branche so vielschichtig sei. „Wir wollen genauso ernst genommen werden wie die Luftfahrt oder Banken“, sagte sie dieser Zeitung. Bis auf einige Soforthilfen sei bisher nichts bei den Betreibern des Gloria angekommen. „Wir halten uns über Wasser, aber nicht mehr lange. Es ist fünf vor zwölf.“ Viele Beschäftigte der Branche suchten schon jetzt nach neuen Jobs. Das Gloria habe seine Belegschaft von 70 auf 15 Mitarbeiter reduzieren müssen. Zwar öffnet es seine Bühne nun wieder für Veranstaltungen, aber finanziell lohne sich das aufgrund der Auflagen nicht. „Die Einnahmen decken gerade mal die Kosten des Produktionstages.“

Ihre Branche unterstütze die Corona-Maßnahmen, aber die Politik müsse den Menschen die Angst nehmen, Veranstaltungen zu besuchen: „Wir wollen in eine neue Normalität. Es geht. Wir tun alles dafür, dass wir unter sicheren Gegebenheiten spielen.“