Entscheidung gefallenMehr Mut statt Liebe – Katrin Vernau wird WDR-Intendantin

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Tom Buhrow und seine Nachfolgerin Katrin Vernau

Tom Buhrow und seine Nachfolgerin Katrin Vernau

Gegen ihre drei Konkurrenten Helge Fuhst, Jörg Schönenborn und Elmar Theveßen setzte sich Vernau bei der Wahl zur Nachfolgerin von Tom Buhrow durch. 

Ob sie die Liebe mitbringt, wie es damals Tom Buhrow nach seiner Wahl behauptete, weiß man nicht so genau, aber Mut hat sie auf jeden Fall im Gepäck, zumindest, wenn man ihrer Bewerbungsrede vor dem Rundfunkrat glauben darf, in der sie mehr von eben diesem einforderte. Katrin Vernau, aktuell Verwaltungsdirektorin des WDR, ist am Donnerstagnachmittag im Kölner Gürzenich zur neuen Intendantin des öffentlich-rechtlichen Senders gewählt worden.

In einer zweiten Wahlrunde setzte sich die 51-Jährige gegen Helge Fuhst, zweiter Chefredakteur ARD-aktuell, durch. Auf Vernau entfielen 36 der 55 Stimmen, auf ihren Herausforderer 18, ein Mitglied des Rundfunkrats enthielt sich. Vernau nahm die Wahl an und sagte in der anschließenden Pressekonferenz: „Ich freue mich darauf und bin überwältigt. Das war der erste Wahlkampf in meinem Leben.“

Im ersten Wahlgang war es sehr knapp

Im ersten Wahlgang war es noch denkbar knapp gewesen, da erhielt Vernau zwar ebenfalls die meisten Stimmen (17), aber direkt darauf folgte Fuhst mit 16, 15 Mitglieder votierten für Jörg Schönenborn, sieben Stimmen entfielen auf Elmar Theveßen. Im Januar 2025 wird sie das Amt von Tom Buhrow übernehmen. Sie ist damit nach Monika Piel die zweite Frau in diesem Amt.

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Vernau war die letzte Kandidatin, die sich vorstellen durfte, da die vier übrig gebliebenen Kandidaten in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen wurden. Jeder konnte zunächst zehn Minuten sprechen, danach durften 20 Minuten lang Fragen gestellt werden. Bei Vernau wurde diese Zeit als einzige nicht voll ausgeschöpft.

In ihrer Rede wucherte Vernau vor allem mit einem Pfund, über das keiner ihrer Konkurrenten verfügt. Sie war nämlich schon einmal Intendantin. Im Herbst 2022 trat sie in einer höchst dramatischen Zeit für den RBB den Chefposten in dem ostdeutschen Sender an. Der lag nach der Affäre um die Eskapaden von Patricia Schlesinger am Boden. Vernau beschrieb gleich zu Beginn, wie sie im Sender empfangen wurde. „Ich stand einer Wand aus Wut und Aufruhr und Sorge und Verletztheit gegenüber.“ Die Ablehnung sei groß gewesen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, die Presse sei ihr bei jedem Schritt gefolgt. Der RBB habe vor der Insolvenz gestanden und in einer Krise gesteckt, wie sie die ARD noch nicht erlebt habe.

Der Intendantenposten sei eine umfassende Führungsaufgabe. „Warum können Sie darauf vertrauen, dass ich die Richtige bin?“, fragte sie in die Runde. Und gab sich die Antwort natürlich gleich selbst: „Weil ich es schon einmal gemacht habe.“ Sie habe beim RBB in sechs Monaten die Insolvenz abgewendet und das Programm fundamental umgestaltet. Sie habe immer gewusst, dass sie die Menschen mitnehmen müsse. „Wenn du schnell sein willst, geh allein, aber wenn du ankommen willst, geh mit den anderen.“ Die Wand der Ablehnung sei verschwunden, stattdessen habe man ihr Vertrauen entgegengebracht.

Der WDR hat sich bereits auf den Weg dieser Transformation gemacht. Wir müssen diesen Weg aber künftig noch viel entschiedener, schneller und konsequenter gehen
Katrin Vernau

In ihrer Rede hatte Vernau die grundlegende Frage gestellt, wie der WDR künftig sein Publikum erreichen könne. Fest stehe für sie: „Es geht ums Ganze. Es geht darum, dass wir am System arbeiten und nicht allein im System. Der WDR hat sich bereits auf den Weg dieser Transformation gemacht. Wir müssen diesen Weg aber künftig noch viel entschiedener, schneller und konsequenter gehen.  Dafür brauchen wir einen klaren Kompass, wir brauchen Unerschrockenheit.“ Und nach einer Pause fügte sie hinzu:  „Lassen Sie es uns Mut nennen.“

In acht Punkten führte sie ihre Forderung nach Mut aus: Es brauche unter anderem mehr Mut zur mehr Regionalität, zu Tiefgang, mehr Recherche, den Mut, konstruktiv zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beizutragen und zur aktiven Gestaltung der ARD-Reform. Der WDR müsse sich öffnen, er sei Teil der Gesellschaft, stehe nicht neben ihr und auch nicht über ihr. Der WDR brauche eine Unternehmenskultur, die auf Wandel, Innovation, Eigenverantwortung und Veränderungsbereitschaft beruhe und den Mut, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schützen und zu verteidigen.

Sie mache keine großen Wellen und große Auftritte: „Und ich bin keine große Selbstdarstellerin.“ Sie habe aber klare Vorstellungen und arbeite gern im Team. „Ich bringe den Verstand und das Herz mit für diese Aufgabe, und auch den Mut und Demut. Beides braucht es jetzt“, sagte sie zum Abschluss.

Auch WDR-Medienminister Liminski gratulierte

Vernau ist seit 2015 Verwaltungsdirektorin des WDR. Nach ihrem Ausflug zum RBB im Jahr 2022 kehrte sie zum WDR zurück. Nach ihrer Promotion an der Universität Potsdam war sie Kanzlerin der Universitäten Ulm und Hamburg, anschließend Partnerin in der Unternehmensberatung Roland Berger. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit engagiert sie sich ehrenamtlich in verschiedenen Stiftungsräten.

Der scheidende Intendant Tom Buhrow, der sie damals zum WDR geholt hatte, war erwartungsgemäß voll des Lobes für seine Nachfolgerin: „Ich gratuliere Katrin Vernau herzlich. Sie ist eine völlig integrere Person und von ihren Prinzipien getrieben. Sie ist nicht nur eine Zahlenfrau, sie interessiert sich für den gesamten Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie bringt alles mit, auch charakterlich. Man muss die Komfortzone verlassen und sich einlassen auf die Gesamtaufgabe. Das ist ein guter Tag für den WDR.“

Auch NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) gratulierte Vernau. Mit dieser Wahl bekomme der WDR eine erfahrene Führungskraft zur Intendantin: „Als Direktorin des WDR und Interimsintendantin des RBB hat sie Mut, Einsatzbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein bewiesen. Mit diesen Führungsqualitäten an der Spitze ist der WDR gut gewappnet für die Zukunft.“ Er setze auf ein gutes medienpolitisches Miteinander.

Vernau hat im Vergleich zu den drei restlichen verbliebenen Kandidaten Fuhst, Schönenborn und Theveßen sicherlich am wenigsten Erfahrung vor der Kamera und bei großen Reden. Ihr etwas zurückhaltenderes Auftreten kam aber offensichtlich gut beim Rundfunkrat an. Wie sie verwiesen auch die anderen Kandidaten auf die Bedeutung dieser Wahl für den WDR in stürmischen Zeiten. Ihre Reden hatten aber unterschiedliche Schwerpunkte.

Helge Fuhst zeichnete eher die großen Linien nach, er wolle den WDR der Zukunft bauen, „auch um unsere Demokratie zu verteidigen“ Ihm gehe es darum, das Breaking-News-Versprechen einzulösen, das öffentlich-rechtliche Profil zu schärfen und im Regionalen ein Feuerwerk an Geschichten aus NRW zu zünden.

Am konkretesten wurde in seiner Rede der bisherige Programmdirektor für die Bereiche Information, Fiktion und Unterhaltung des WDR, Jörg Schönenborn. Er kündigte an, die Zahl der Programme reduzieren zu wollen, mit gutem Beispiel wolle er mit One vorangehen. Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios in Washington, sagte, er wisse um sein Image als sachlicher und nüchterner Mensch. Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks liege ihm so am Herzen, dass er bereit sei, dafür seinen „Traumjob“ in den USA aufzugehen.

Dazu wird es nun nicht kommen. Theveßen kann nach Washington zurückkehren, auch Helge Fuhst wird die Niederlage sicherlich verschmerzen, er hat in Hamburg einen attraktiven Job. Wie Jörg Schönenborn mit dieser Entscheidung umgeht, wird sich zeigen.

Katrin Vernau hat nun ein halbes Jahr Zeit, sich auf den neuen Job vorzubereiten. Und Tom Buhrow versicherte, es werde ein lautloser Übergang werden.

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