Baerbock und andere Politiker äußern sich zum Vorfall in Grevesmühlen. Seit Freitag kam es zu weiteren rechtsextremistischen Vorfällen.
Entsetzen nach rassistischer Attacke„Menschenverachtend“ und „Arschlöcher“ – Angriff auf Kinder sorgt für Empörung
Ein mutmaßlich rassistisch motivierter Angriff mehrerer Jugendlicher auf eine Familie aus Ghana in Grevesmühlen in Mecklenburg-Vorpommern hat für Fassungslosigkeit und Empörung gesorgt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schrieb am Sonntag im Kurzbotschaftendienst X von „dumpfem Hass und unfassbarer Unmenschlichkeit“. Eine Achtjährige und ihr Vater waren bei der Attacke vom Freitag verletzt worden. Zugleich ereignete sich seit Freitag in verschiedenen Bundesländern mehrere weitere rechtsextremistische Vorfälle.
„Meine Gedanken und Solidarität gelten den Kindern und ihren Familien“, schrieb Faeser. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) teilte ebenfalls im Kurzbotschaftendienst X mit, sie sei „aufgewühlt davon, dass in unserem Land Kinder angegriffen werden“. Diese „abscheuliche Tat“ müsse rasch Konsequenzen haben. „Rassismus und Gewalt sind widerlich.“
Weiter spricht Schwesig von einem absoluten No-Go. „Für einen Angriff auf Kinder gibt es weder eine Rechtfertigung noch eine Erklärung und schon gar keine Ausreden“, sagte sie am Montag im NDR-Radio. Die Tat markiere eine „neue Dimension“, wie Hass und Hetze als Gift in der Gesellschaft wirkten. Schwesig, selbst Mutter einer achtjährigen Tochter, zeigte sich erschüttert und aufgewühlt.
Notwendig seien zweierlei: Maßnahmen von Rechtsstaat und Politik sowie gleichzeitig eine klare Haltung der Gesellschaft. „Insgesamt müssen wir überall im Alltag, am Arbeitsplatz, in der Straßenbahn, im Freundeskreis wirklich gemeinsam ein Stopp-Schild aufzeigen, wenn es diesen Hass und diese Hetze gibt. Denn das ist pures Gift für unsere Gesellschaft“, betonte Schwesig. Von der gegenwärtig erlebbaren verbalen Verrohung der Gesellschaft sei es nicht weit bis zur Gewalttat.
„Was für Arschlöcher in meinem Heimatland!“, schrieb derweil Dietmar Bartsch (Linke) und zeigte sich schockiert von der Tat. Der gebürtige Stralsunder erklärte im sozialen Netzwerk X, er schäme sich dafür, dass solch eine Tat in seinem „Heimatland“ Mecklenburg-Vorpommern passieren konnte.
Außenministerin Annalena Baerbock reagiert entsetzt auf Angriff
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat sich entsetzt gezeigt über den Angriff auf die Familie aus Ghana. „Wie hasserfüllt muss man sein, selbst Kinder anzugreifen?“, schrieb sie am Sonntag im Onlinedienst X. „Rassismus ist menschenverachtend und will unsere Gesellschaft spalten.“ Die gesamte Gesellschaft müsse dagegen kämpfen. „Dagegen aufzustehen, ist Aufgabe für uns alle, jeden Tag aufs Neue – egal ob in der Schule, dem Job oder beim Sport“, schrieb Baerbock.
Am Freitagabend war es laut Polizei am Ploggenseering zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe deutscher Jugendlicher und einem ghanaischen Vater gekommen, wobei der Mann leicht verletzt wurde. Er wollte demnach die Gruppe zur Rede stellen, nachdem ein Elfjähriger dort seiner achtjährigen Tochter ein Bein gestellt haben soll. Bei der Auseinandersetzung fielen den Angaben zufolge rassistische Äußerungen.
Gruppe junger Menschen griff Familie aus Ghana an
Nach Angaben der Polizei in Rostock bestand die Gruppe ausschließlich aus jungen Menschen im Heranwachsenden- und Jugendalter. Nach ersten Erkenntnissen beteiligten sich bis zu acht von ihnen an den Attacken auf die Familie. Noch nach Eintreffen der Einsatzkräfte seien rassistische Beleidigungen geäußert worden, erklärte die Polizei. Sie ermittelt nun unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und Volksverhetzung.
Über das Wochenende wurden aus Mecklenburg-Vorpommern und anderen Bundesländern zudem eine ganze Reihe weiterer rechtsextremer Vorfälle gemeldet, häufig in Zusammenhang mit Veranstaltungen zur Fußballeuropameisterschaft. In Rostock-Warnemünde riefen Menschen am Freitag nach einer Public-Viewing-Veranstaltung am Bahnhof rechtsextremistische Parolen. Dabei kam es nach Angaben der Beamten auch zu gewaltsamen Übergriffen auf Einsatzkräfte. Mehrere Täter hätten unter anderem versucht, einem Polizisten die Dienstwaffe zu entreißen.
Weitere rechtsextreme Vorfälle am Wochenende
In Bremen zeigte ein 29-Jähriger bei einer Public Viewing-Veranstaltung zur EM in der Nacht zu Samstag laut Polizei den Hitlergruß und sang „Ausländer raus“ zu dem wegen derartiger Vorfälle bekannten Partyhit „L'Amour toujours“. Aus der Gruppe des Mannes und seiner zwei Begleiter heraus wurde demnach zudem „eine judenfeindliche Parole“ gerufen. Gegen den 29-Jährigen wird nun wegen Volksverhetzung ermittelt.
In Schwerin sollen etwa 20 Männer am Samstag auf einer Brücke den Hitlergruß gezeigt haben. Wie die Beamten in Rostock in der Nacht mitteilten, wurden sie von einer Zeugin alarmiert. Nach deren Angaben stellten sich die Verdächtigen „oberkörperfrei“ auf und wurden von einer offenbar zu ihnen gehörenden Frau dabei aufgenommen.
Personen zeigen den Hitlergruß und rufen volksverhetzende Parolen
Bei einem Fest in Penkun in Mecklenburg-Vorpommern wurde in der Nacht zu Samstag nach Polizeiangaben ein 24-Jähriger von mehreren Unbekannten durch Schläge verletzt, womöglich aus fremdenfeindlichen Gründen. Zugleich soll es bei der Veranstaltung ebenfalls zu „Ausländer raus“-Rufen gekommen sein. Ein Zusammenhang sei nicht ausgeschlossen, hieß es. Der Staatsschutz ermittelt.
Weitere Zwischenfälle gab es im Saarland. In St. Wendel skandierte laut Polizei am Freitagabend eine größere Gruppe im Umfeld einer Gaststätte volksverhetzende Parolen und zeigte den Hitlergruß. Beamte stellten acht Verdächtige im Alter von 16 bis 27 Jahren fest. In der Nacht zu Samstag riefen in einer Kneipe in Schiffweiler vier Menschen ausländerfeindliche Parolen und zeigten den Hitlergruß. Gegen sie wird nun ermittelt.
„Rassisten trauen sich heutzutage wieder, lauter und hemmungsloser zu hetzen“, sagte die Vizepräsidentin des Bundestags, Katrin Göring-Eckardt (Grüne), dem Berliner „Tagesspiegel“. „Dem muss eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft und ein wehrhafter Rechtsstaat konsequent und mit voller Härte Einhalt gebieten.“ (afp/kna/aki)