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„Ich muss das hier nicht machen“Verärgerter Pistorius im Zentrum von Etatstreit – Scholz lässt Minister „im Regen stehen“

Lesezeit 4 Minuten
Boris Pistorius könnte im Streit um den Wehretat die Hilfe von Bundeskanzler und Parteikollege Olaf Scholz gebrauchen, der allerdings unterstützt diesen zumindest öffentlich bislang nicht. (Archivbild)

Boris Pistorius könnte im Streit um den Wehretat die Hilfe von Bundeskanzler und Parteikollege Olaf Scholz gebrauchen, der allerdings unterstützt diesen zumindest öffentlich bislang nicht. (Archivbild)

Boris Pistorius fordert eine Erhöhung des Wehretats, die FDP pocht auf die Schuldenbremse. Der Kanzler springt seinem Parteikollegen nicht zur Seite.

In der SPD tobt seit Mitte der Woche offenbar ein Streit, darauf lassen Aussagen von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius schließen. Der SPD-Politiker will zusätzliche Mittel für die Bundeswehr im Haushalt 2025. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hingegen soll die Ministerinnen und Minister zur Ausgabendisziplin gemahnt haben.

„Ich muss das hier nicht machen“, zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ vom Mittwoch den Minister aus einem Koalitionsfrühstück mit Haushalts- und Verteidigungspolitikern. Pistorius deutete demnach offenbar an, nicht um jeden Preis an seinem Posten zu hängen, sollten seine Wünsche nicht angemessen berücksichtigt werden.

Boris Pistorius im Zentrum von Streit um Wehretat und Schuldenbremse

Pistorius hatte zuvor für 2025 eine Erhöhung des Wehretats um mindestens 6,5 Milliarden Euro gefordert. Derzeit vorgesehen ist laut Vorgaben des Finanzministeriums von Christian Lindner (FDP) ein Volumen von 52 Milliarden Euro.

Alles zum Thema Olaf Scholz

Verteidigungsminister Boris Pistorius (M, SPD), hier bei der Verabschiedung des Vorkommandos der Brigade Litauen auf dem militärischen Teil des Flughafens Berlin-Brandenburg, ist bei Wählerinnen und Wählern beliebt. Er steht für seinen Auftrag, die Bundeswehr wieder kampffähig zu machen, ein.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (M, SPD), hier bei der Verabschiedung des Vorkommandos der Brigade Litauen auf dem militärischen Teil des Flughafens Berlin-Brandenburg, ist bei Wählerinnen und Wählern beliebt. Er steht für seinen Auftrag, die Bundeswehr wieder kampffähig zu machen, ein.

Boris Pistorius hat sich wiederholt dafür ausgesprochen, Mehraufwendungen für Verteidigung als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine von der Schuldenbremse auszunehmen. Dies solle sicherstellen, angesichts der Bedrohungslage verlässlich jedes Jahr mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben zu können. Auch sei die Sicherheit des Landes verfassungsrechtlich höher zu bewerten als die Schuldenbremse.

Kritik von FDP an Verteidigungsminister-Vorschlag wohl Auslöser für Pistorius-Ärger

Dass Pistorius besagten Satz tatsächlich so ausgesprochen hat, wurde inzwischen von mehreren Quellen bestätigt. SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast erklärte nach einem persönlichen Gespräch mit ihrem Parteikollegen Pistorius, der Äußerung sei Kritik an dessen Haltung in Bezug auf die Schuldenbremse vorausgegangen.

Diese sei von FDP-Seite an den Verteidigungsminister gerichtet worden, wie ein beim Frühstück beteiligter Abgeordneter der Nachrichtenagentur AFP gegenüber angab. Pistorius' Vorgehen in dieser Frage sei „nicht konstruktiv, sondern inhaltlich falsch und konfrontativ“, habe es geheißen.

SPD-Konflikt: Boris Pistorius erhält keine Unterstützung von Parteikollege Olaf Scholz

Christian Lindner lehnt jegliche Ausnahmen von der Schuldenbremse kategorisch ab, auch Scholz unterstützte den Verteidigungsminister bislang nicht. Das wiederum führt zu innerparteilichen Differenzen in der SPD, für die Außenstehende nur wenig Verständnis haben. „Die SPD beschädigt ihren besten Mann“, kommentiert das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) am Mittwoch zur Auseinandersetzung zwischen Olaf Scholz und Pistorius. „Der Kanzler lässt seinen Verteidigungsminister [...] im Regen stehen“, heißt es dort weiter.

Öffentlich ist die Bundesregierung bemüht, die Wogen zu glätten. „Die Bundesregierung stellt sich gemeinsam der Zeitenwende“, sagte Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner. „Und deswegen wird da auch niemand im Stich gelassen.“

Experten überzeugt das Statement nicht, insbesondere der Bundeskanzler gerät aufgrund der überraschend ausbleibenden Rückdeckung für Pistorius in die Kritik. Diese erhitzt sich vor allem daran, dass der Bundeskanzler mehrmals eine „Zeitenwende“ ausgerufen hatte, nun seinen Minister aber im Stich lasse, diese umzusetzen.

Kölner Politikwissenschaftler kritisiert Olaf Scholz für Haltung gegenüber Boris Pistorius

„Scholz lähmt alle Bemühungen Pistorius`, die Bundeswehr kriegstüchtig zu machen“, schrieb CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter am Mittwoch auf X, ehemals Twitter. „Bedauerlich für alle Soldaten, die auf Umsetzung der Zeitenwende vertrauen. […] Scholz zeigt: Zeitenwende ist längst Geschichte!“, führte er fort.

Ähnlich sieht das auch der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger. Er ist der Meinung, dass Scholz im Umgang mit Pistorius offenbart, „dass er nie die Absicht hatte, Zeitenwende umzusetzen“. Er attackiert den Kanzler mit scharfen Worten. „Lambrecht war, was Scholz im Bundesministerium der Verteidigung wollte. Lambrecht II konnte er dann nicht mehr berufen. So muss er Pistorius öffentlich zu beschädigen versuchen.“

Massive Kritik an Olaf Scholz: „Der Bundeskanzler hält nichts von einer Zeitenwende“

Auch Historiker und Publizist Ilko-Sascha Kowalczuk sieht Olaf Scholz‘ Haltung in der Causa kritisch. Der Umgang mit dem Verteidigungsminister offenbare den Riss in der SPD. „Der Bundeskanzler hält nichts von einer Zeitenwende“, größere Teile der Regierungsmehrheit hätten „nicht verstanden, welche Gefahr Deutschland aus Russland droht“, so Kowalczuk auf X.

Für die Opposition ist der erneute Disput in der nach außen seit Wochen um Einigkeit bemühten Ampel ein gefundenes Fressen. „Der Verteidigungsminister steht offensichtlich auf verlorenem Posten“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann Wadephul (CDU), den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) am Mittwoch. „Ob es um seine berechtigten Finanzforderungen oder seine Wehrpflicht-Pläne geht - er hat in der Koalition keine Unterstützung.“ Nun lasse ihn „auch der Bundeskanzler im Regen stehen“.

SPD und Grüne im Bundestag waren sich unterdessen einig, dass noch schwierige Verhandlungen über den Haushalt 2025 zu erwarten sind, bis dieser voraussichtlich Ende November verabschiedet ist. Die Lage sei noch schwieriger als im letzten Jahr, sagte SPD-Vertreterin Mast. Denn die Koalition müsse „mindestens 25 Milliarden im Verhältnis zum letzten Bundeshaushalt einsparen“. Aus Sicht der SPD müsse nochmals über die Schuldenbremse diskutiert werden.

Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic betonte, allen sei klar, dass es „keine einfache Aufgabe“ werde. Die Koalition müsse Sicherheit gewährleisten und gleichzeitig wichtige Investitionen ermöglichen, sagte sie. Nun sei zunächst die Bundesregierung am Zuge, die am 3. Juli den Haushalt verabschieden will. (mit afp)