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Interview

Milliardär mit Macht
„Musk hat das Ziel, die Politik in Europa ins Chaos zu stürzen“

Lesezeit 6 Minuten
Tech-Milliardär und Trump-Berater: Elon Musk beherrscht zuletzt nicht nur in Deutschland die Schlagzeilen. Wie gefährlich sind die Einmischungen des Amerikaners? (Archivbild)

Tech-Milliardär und Trump-Berater: Elon Musk beherrscht zuletzt nicht nur in Deutschland die Schlagzeilen. Wie gefährlich sind die Einmischungen des Amerikaners? (Archivbild)

Elon Musk beherrscht die Schlagzeilen. Der Kölner Politologe Thomas Jäger spricht im Interview über die Macht des Milliardärs, die Rolle von Trump und gemeinsame Ziele von Musk und Moskau.

Elon Musk mischt sich seit Wochen in das politische Geschehen anderer Länder ein – ob in Deutschland oder Großbritannien. Verfolgt der Tech-Milliardär damit eigene Ziele oder handelt er bereits im Auftrag von Donald Trump?

Thomas Jäger: Elon Musk verfolgt seine eigene Agenda und das, wo immer es geht. Er ist dabei in weltanschaulicher Abstimmung mit Trump. Aber vor allem verfolgt er – nicht überraschend bei einem Unternehmer – wirtschaftliche, aber auch politische Interessen. Man kann das an den bisherigen Entwicklungen sehen, zwei wirtschaftliche Interessen hat Musk bereits realisiert. Einmal im Haushaltsstreit in den USA. Da hat Musk das erste Gesetz verhindert, das zweite ging durch und wurde von ihm gelobt, weil angeblich viel weniger Geld ausgegeben wird, was nicht stimmt. Das Entscheidende, was herausgestrichen wurde, waren schärfere Kontrollen für Investitionen in China und Social-Media. Das sind also ganz klar Musks wirtschaftliche Interessen. Beim zweiten Mal ging es um die Einwanderungspolitik. Da hat er den Streit über die Einwanderung von qualifizierten Arbeitskräften vom Zaun gebrochen – und auch da hat sich Trump letztlich auf seine Seite geschlagen.

Droht dort nicht ein Konflikt mit Trump, der China stets als Gegner betrachtet hat, während Musk bisher nicht damit auffällt, autokratische Regime wie das von Xi Jinping zu kritisieren, sondern die Tyrannei in den Demokratien des Westens entdeckt haben will?

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Ja, auch bei der Einwanderungsfrage gab es einen Konflikt zwischen beiden. Aber Musk hat drei Dinge, die ihn in die Lage versetzen, das im Trump-Umfeld durchzusetzen. Das eine ist, er hat verdammt viel Geld. Das zweite ist, er hat eine enorme Reichweite, was PR angeht. Musk ist viel lauter als Trump, für Trump ist das neu. Bisher hat Trump die Agenda bestimmt. Momentan bestimmt Musk, worüber geredet wird.

Thomas Jäger: „Momentan bestimmt Musk, worüber geredet wird“

Aber wie lange kann ein Donald Trump das ertragen?

…das ist der dritte Punkt. Musk ist ja nicht doof. Er wird gelernt haben, dass Trump so lange die Lage akzeptiert, wie er im Fernsehen sieht, dass er Präsident ist. Letztens hat Trump noch erklärt, dass Musk nicht Präsident werden kann – der Gesichtsausdruck, den er dabei hatte, diese Zufriedenheit, die Trump da ausgestrahlt hat, darum geht es. Denn Trump weiß genau, hinsichtlich der anderen Attribute ist Musk jetzt stärker und könnte die Herausforderung suchen. Aber das braucht Musk gar nicht, weil er auch von Trumps politischer Autorität abhängig ist.

Der US-Historiker Timothy Snyder hat kürzlich davor gewarnt, dass Trump in Zukunft in eine Abhängigkeit von Musk geraten werde, weil der Milliardär Trumps Rechtsstreitigkeiten finanziert und der künftige US-Präsident deshalb nur noch in Abstimmung mit Musk handeln könne.

Das wird jetzt sichtbar. Musk hat enormen Einfluss. Trump reicht, wenn er das Gefühl hat, alle sehen, ich bin der Präsident, das ist für ihn das Allerwichtigste. Dann nimmt Trump auch in Kauf, dass er, wenn man auf die Tatsachen schaut, am Ende abhängig von Musk ist, weil Musk ihn finanziert. Und das sieht man bereits: Die erste Auseinandersetzung in Sachen Einwanderung mit der „MAGA“-Bewegung, der eigentlichen Machtressource von Trump und Musk, hat Musk gewonnen. Das war erstaunlich.

Ist Elon Musk eine Gefahr für die Demokratie?

Von Donald Trump hätte man erwartet, dass er seine Kernwähler bedient und dazwischenhaut …

Ja. Aber Trump muss jetzt schon darauf achten, was Musk will.

Prof. Thomas Jäger, Politologe, Köln

Prof. Thomas Jäger, Politologe, Köln

Musks Einmischungen werden oft als Gefahr für die Demokratie beschrieben. Überschätzen wir seinen Einfluss oder kann Musk westliche Demokratien ins Wanken bringen?

Musk stellt insofern eine Gefahr für die Demokratie dar, als dass er mit seiner großen Reichweite Lügen verbreitet und dabei genau das macht, was wir aus der russischen Propaganda kennen, nämlich eine „alternative Realität“ aufzubauen. Dann wird nicht mehr unterscheidbar, was stimmt und was nicht. Da viele Menschen ihn irgendwie gut finden – sonst hätte er nicht diese Followerschaft – dringt er damit durch. Wenn Musk etwas sagt, kriegt das eine gewisse Autorität im Wettbewerb der unterschiedlichen Fakten.

Realität und Fakten werden also immer egaler. Stattdessen schickt man eine Version der „Wahrheit“ ins Rennen und ringt dann darum, dass möglichst viele Menschen sie glauben?

Genau. Das sehen Sie – jetzt kommen wir zu traditionellen Medien, denen Musk ja sowieso schon den Tod attestiert hat – an diesem Beitrag für die „Welt“. Der hat mit der Realität, der AfD in Deutschland, überhaupt nichts zu tun. Musk tut da so, als wäre die AfD eine libertäre, liberale, eine konservative Partei und nicht eine, bei der das Völkische im Mittelpunkt steht. Die AfD hat mit Musk, wenn man so will, überhaupt nichts am Hut. Er ist einer dieser „Globalisten“, gegen die sich die AfD eigentlich wendet. Musk konstruiert da etwas – und es mag „Welt“-Leser geben, die das in ihrer Ansicht bestätigt, dass die AfD gar nicht so schlimm ist.

Halten Sie es für richtig, dass die Bundesregierung bisher mit expliziter Gelassenheit auf Musks Attacken reagiert, oder sollte Berlin vehementer vorgehen – und auch Trump adressieren?

Die Bundesregierung macht das, was die britische Regierung auch gemacht hat, bevor Keir Starmer der Kragen geplatzt ist. Man weiß, Musk ist eng dran an Trump und den will man nicht verärgern, also ist man still. Intern wird man das in Berlin möglicherweise anders sehen. Aber wenn jemand derart kommuniziert wie Musk, muss man irgendwie gegen kommunizieren. Aber diese Gegenkommunikation gibt es nicht. Es ist erschreckend, dass die Bundesregierung mit all ihren Ressourcen nicht in der Lage ist, auf Musks Kommunikation angemessen zu reagieren. Und zwar so, wie das ein Judoka macht, der das Ganze umdreht und Musk lächerlich macht. Das kriegen sie nicht hin. Musk merkt dadurch, dass sein unflätiges Auftreten irgendwie keine Gegenwehr auslöst, und steigert sich.

Sie hatten die Ähnlichkeiten zur russischen Propaganda angesprochen. In Deutschland unterstützt Musk die AfD, in Großbritannien die ebenfalls rechtspopulistische Reform UK, beide Parteien befinden sich im Aufwind. Auch Moskau setzt auf die russlandfreundlichen Rechtspopulisten in Europa. Wladimir Putin müsste ein großer Fan von Musk sein, oder?

Ohne Frage. Putin und Musk sind auf unterschiedlichem Weg zum gleichen Ziel unterwegs, nämlich die politischen Verhältnisse in Europa ins Chaos zu stürzen, und das herzustellen, was man früher Unregierbarkeit genannt hat. Also eine Situation herzustellen, in der man nicht mehr zu Entscheidungen kommt, und damit Verhältnisse zu gestalten, in denen extremistischen Kräften, Randkräften, die es unter normalen Umständen gar nicht schaffen würden, gelingt, eine große Anhängerschaft an sich zu binden. Das ist das Ziel von Putin, der möglichst viele russlandfreundliche Parteien in Europa an die Macht bringen will. Musk geht es einfach nur um Unregierbarkeit und um das Ende jeglicher Regulierung. Beide wollen Chaos, aber zu anderen Zwecken.