Nach wochenlangen Diskussionen steht der neue Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2024. Es gibt aber noch Diskussionsbedarf.
Scheitert Etat an Ahrtal-Nothilfe?Wie Experten den neuen Haushaltsentwurf der Bundesregierung bewerten
Die Beratungen über den Haushalt gehen in die nächste Runde: Am Donnerstag kommen im Bundestags-Haushaltsausschuss die Sachverständigen zu Wort. In der kommenden Woche soll der Ausschuss auf seiner Bereinigungssitzung dann endlich einen Haken unter den Etat machen – zwei Monate später als ursprünglich geplant. Denn kurz vor der eigentlichen Sitzung hatte das Bundesverfassungsgericht Mitte November die bisherige Praxis für verfassungswidrig erklärt, Notlage-Hilfen über mehrere Jahre gültige Nebenhaushalte zu finanzieren, mit eher laxeren als strengen Kriterien.
Eilig hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) daraufhin mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) einen neuen Haushalt zusammengezimmert.
Das erste Stück, die Abschaffung der Steuerbegünstigung für landwirtschaftliche Fahrzeuge, ist nach Protest der Bauern, darauf schon herausgebrochen. Die Subventionierung des Agrardiesels soll weiter fallen – allerdings nicht auf einmal, sondern schrittweise.
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Kann Ahrtal-Nothilfe aus Haushalt genommen werden?
Nun geht es unter anderem darum, ob gerade weitere Posten als Nothilfe definiert und damit vom Haushalt ausgenommen werden können. Die Finanzhilfe für die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal aus dem Jahr 2021 gehört dazu. Vor allem die SPD könnte sich eine Ausnahme, die das Grundgesetz für Notfälle zulässt, vorstellen. Es geht um 2,7 Milliarden Euro, die sonst noch zusätzlich im Haushalt eingespart werden müssten.
So richtig nach SPD-Vorstellung scheint es allerdings nicht zu laufen: Der Vorsitzende des Stabilitätsratsbeirats der Bundesregierung, Thiess Büttner, warnte die Bundesregierung vor einer Ausnahme für die Hochwasserhilfe. Ein solcher Haushalt „wäre auf jeden Fall angreifbar“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Ich hielte es für absurd, wenn man die Verfassungsmäßigkeit des Bundeshaushalts wegen eines so vergleichsweise geringen Betrags gefährden würde.“ CDU/CSU, die mit ihrer Klage bereits das letzte Urteil ausgelöst haben, haben Büttner als Sachverständigen für die Anhörung im Bundestag nominiert.
Finanzminister Lindner will mit Haushalt nicht vor Verfassungsgericht scheitern
Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte im RND-Interview vor wenigen Wochen betont, dass er mit dem korrigierten Haushalt kein erneutes Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht riskieren wolle. Und auch der von der SPD als Sachverständige gerufene Berliner Staatsrechtler Alexander Thiele sieht mögliche Schwierigkeiten: Die Folgekosten für die Ahrtal-Hochwasserkatastrophe als Notlage einzustufen, „unter gewissen verfassungsrechtlichen Risiken möglich“, sagte er dem RND. In einer finanzpolitisch schwierigen Lage könnten auch 2,7 Milliarden Euro eine entscheidende Summe sein.
Wo diese 2,7 Milliarden Euro alternativ eingespart werden sollen, ist offen. Die FDP hat wiederholt unter anderem die Entwicklungshilfe als Sparposten ins Gespräch gebracht.
Büttner sieht ein grundsätzliches Problem. „Eigentlich stünde jetzt eine finanzpolitische Kurskorrektur an. Die ist aber nur in Teilen angelegt“, sagte er. „Man sieht immer noch Bestrebungen, die in der Verfassung festgelegten Grenzen der Verschuldung auszudehnen oder zu umgehen. Offenbar ist die Botschaft noch nicht richtig angekommen, dass man nur innerhalb der Regeln der Verfassung nachhaltig Finanzpolitik betreiben kann.“
Staatsrechtler kritisiert Bürgergeld-Streichung
Staatsrechtler Thiele weist auf einen anderen Punkt hin: Die Bundesregierung will das Bürgergeld im Falle von Arbeitsverweigerung vorübergehend streichen – auch damit könnte gespart werden. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine solche drastische Kürzung würden im Haushaltsentwurf der Regierung „nicht vollständig gespiegelt“, sagte Thiele dem RND.
Erwähnt werde nur die Zumutbarkeit der angebotenen Arbeit. „Das Bundesverfassungsgericht verlangt aber zugleich, dass die angebotene Arbeit auch vollständig existenzsichernd ist. Das muss also noch aufgenommen werden.“ Zudem sollte eine Höchstgrenze normiert werden, die festlegt, in wie vielen Monaten pro Jahr eine solche Kürzung maximal möglich sei.
Vorsitzende des Wirtschaftssachverständigenrats für generelle Streichung des Dieselprivilegs
Die Vorsitzende des Wirtschaftssachverständigenrats der Bundesregierung, Monika Schnitzer, verwies auf eine generelle Streichung des Dieselprivilegs als Alternative zum Abbau der Subventionen von Agrardiesel. Auch die Abschaffung des allgemeinen Dieselprivilegs hätte zu Protesten geführt, sagte Schnitzer dem RND.
„Man hätte aber vermieden, dass sich eine Gruppe besonders belastet fühlt, während andere nicht belastet werden. Außerdem hätte man den Abbau der Subvention, weil breiter verteilt, niedriger ansetzen können. Und man hätte an das Verantwortungsgefühl aller appellieren können, dass alle etwas zur Bewältigung der Krisen beitragen müssen.“
Hätte man, hat man nicht. Aber der nächste Haushalt kommt bestimmt. (mit Bastian Raabe)