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Hendrik Wüst im PorträtAus dem Abklingbecken ins Regierungsamt

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Regierungspartner und Parteifreunde freuen sich mit dem neuen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst.

Düsseldorf – Er ist am Ziel. Hendrik Wüst darf im Düsseldorfer Landtag ab sofort auf dem Sitz des Ministerpräsidenten Platz nehmen. Mit 103 Stimmen wurde der CDU-Politiker an die Spitze des Landes gewählt. Er konnte damit drei Abgeordnete mehr von sich überzeugen, als zu seiner Wahl nötig gewesen wären. Die Erleichterung ist dem Mann anzusehen. „Diese Wahl berührt mich und ich danke für das Vertrauen“, sagte er unmittelbar nach der Vereidigung und schloss einen Dank an seinen Vorgänger Armin Laschet an. Auch seiner Ehefrau Katharina und Tochter Philippa, seiner „täglichen Glücksquelle und größten Motivation, unser Land jeden Tag noch etwas besser machen zu wollen“, gebühre sein Dank.

Machtinstinkt, taktisches Geschick und glückliche Umstände haben Wüst zum neuen Chef der schwarz-gelben Landesregierung aufsteigen lassen. Mit 46 Jahren ist Wüst der jüngste Ministerpräsident in der Geschichte des Landes NRW. In seiner Rede nach der Wahl versprach er, sich für schnelles Internet, eine funktionierende Verwaltung, eine „Natur, die aufblühen kann“, eine funktionierende Wirtschaft, gute Bildungschancen und eine sichere Heimat einzusetzen. Den Klimaschutz bezeichnete er als „größte Aufgabe unserer Zeit“.

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Hendrik Wüst schob bei seiner Amtseinführung im Oktober den Kinderwagen in den Landtag. Mit dabei auch: Ehefrau Katharina.

Seine Biografie liest sich gradlinig und zielstrebig: Wüst stammt aus der Kleinstadt Rhede (19.000 Einwohner) im Kreis Borken. Dort wuchs er mit seinen beiden Schwestern in einem konservativ geprägten Elternhaus auf. Mit 15 Jahren gründete er den Stadtverband der Jungen Union in seiner Heimat, machte - wie sein Vater - einen Jagdschein. Nach dem Abitur studierte er Jura und wurde 2003 als Rechtsanwalt zugelassen. 2019 heiratete er seine Frau Katharina, mit der er eine kleine Tochter hat. Wüst ist Fan des 1. FC Köln und fährt gerne Fahrrad. Bisweilen auch im Düsseldorfer Regierungsviertel.

WüstRad

Der passionierte Fahrradfahrer durchradelt das Regierungsviertel mitunter auch mit der Kraft seiner eigenen Beine.

Der Plan, Nachfolger von Amin Laschet zu werden, war in ihm schon lange gereift. Als Laschet erklärte, dass er unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl nach Berlin wechseln würde, musste der Münsterländer zugreifen. Wie viele Politiker, die große Karrieresprünge machen, hatte er das Glück, zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle zu sein. Laut Landesverfassung muss ein Ministerpräsident, der vor Ablauf der Legislaturperiode nachgewählt wird, Mitglied des Landtags sein.

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Katharina Wüst verfolgte mit ihrer Tochter die Wahl von der Tribüne aus.

Und das war Wüsts großer Vorteil. Er verfügte als einziger der Interessenten für die Laschet-Nachfolge über ein solches Mandat. Sein Glück: Hauptkonkurrentin Ina Scharrenbach, Bauministerin und Chefin der einflussreichen Frauenunion in NRW, hatte den Einzug in den Landtag 2017 knapp verfehlt.

Junge Union und Mittelstandsvereinigung warben für Wüst

Den Plan, die Spitzenkandidatur von Scharrenbach bei der Landtagswahl 2022 durch eine Interimslösung zu ermöglichen, ließ Wüst geschickt abtropfen. Er spannte seine Unterstützer aus der Jungen Union und der Mittelstandsvereinigung im Landesvortand dafür ein, für ihn die Werbetrommel zu rühren. Schließlich kam Wüst das Laschets-Desaster bei der Bundestagwahl und der damit verbundene Ruf nach Geschlossenheit und einer klaren Lösung zugute.

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Martin Sträßer (CDU) aus Mettmann kam nach einem Fahrradunfall im Rollstuhl, um seine Stimme abzugeben.

Wüst weiß, an welchen Schrauben man drehen muss, um ans Ziel zu kommen, kämpft notfalls intern auch mit harten Bandagen. Deswegen ist er in der Partei nicht so unumstritten, wie das Ergebnis seiner Wahl zum CDU-Landeschef (98,3 Prozent) vermuten lässt. Kritiker werfen dem neuen Ministerpräsidenten vor, zu schneidig aufzutreten. Der bisweilen konservative Habitus sei aus der Zeit gefallen, heißt es. Viele ältere Parteimitglieder haben nicht vergessen, welch unrühmliche Rolle Wüst bei der Wahlniederlage von Jürgen Rüttgers bei der Landtagswahl 2010 spielte.

WüstRüttgers

Jubel mit dem Mi­nis­ter­prä­si­den­ten: Mit 89,4 Prozent wurde Hendrik Wüst  2006 zum Ge­ne­ral­se­kre­tär der NRW-​CDU gewählt.

Der damalige Regierungschef aus Pulheim hatte Wüst, bis dahin Chef der Jungen Union, 2006 zu seinem Generalsekretär ernannt. Der stets akkurat gekleidete Volljurist, der von der Opposition als „Peek&Cloppenburg-Modell“ veralbert wurde, fiel durch sein breitbeiniges Auftreten und aggressive Attacken gegen Hannelore Kraft auf, die die SPD in der Oppositionszeit neu aufstellen musste.

Boy-Group um Wüst mit zahlreichen Skandalen

Kurz vor der Landtagswahl produzierte die „Boy Group“, die Wüst in der Düsseldorfer Parteizentrale um sich geschart hatte, allerdings zahlreiche Skandale, die das Ansehen des Regierungschefs ramponierten. Die „Rent-a-Rüttgers“-Affäre brach dem Draufgänger Wüst schließlich politisch das Genick. Dabei waren Firmen Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten am Rande des CDU-Parteitags gegen eine Geldzahlung angeboten worden. Es entstand der Eindruck, Rüttgers sei käuflich. Wüst musste zurücktreten. Die Wahl ging für die CDU, die lange siegesgewiss gewesen war, verloren.

Wüstgeht

Am Tiefpunkt: Im Februar 2010 nahm Wüst seinen Hut als Generalsekretär.

Nach der bitteren Pleite im Jahr 2010, die eine siebenjährige Amtszeit von Rot-Grün in NRW einleitete, zog sich Wüst aus der ersten Reihe zurück. Er begab sich, wie er selber sagte, „in ein Abklingbecken“.

Wüst hielt sich öffentlich aus den zermürbenden Personalquerelen in der NRW-CDU im Kampf um das Rüttgers-Erbe heraus und konzentrierte sich auf seine neue Position als wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Zudem wurde er Geschäftsführer des Verbands der Zeitungsverleger in NRW. Als Armin Laschet Spitzenkandidat der NRW-CDU wurde, sah Wüst dessen Erfolgsaussichten zunächst skeptisch.

Zwischenstation Verkehrsminister

So war Wüst selbst überrascht, als Laschet ihn nach dem knappen Wahlsieg zum Verkehrsminister machte. Zunächst sorgte er mit seiner Ankündigung, Mittel für das Sozialticket für den öffentlichen Nahverkehr streichen zu wollen, für Schlagzeilen. Nach einer massiven Protestwelle wurden die Pläne wieder einkassiert. „Man muss auch Fehler korrigieren können“, sagte Wüst damals. Als Verkehrsminister erwarb er sich in den folgenden Jahren auch bei der Opposition Respekt. Er machte beim Schienenausbau Dampf und forcierte nicht nur einseitig den Straßenneubau. So legte NRW als erstes Bundesland ein eigenes Fahrradgesetz vor.

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Nun steht Wüst vor der Aufgabe, das Amt des Ministerpräsidenten zu verteidigen. Dabei soll er sich nicht als Angreifer, sondern als Zuhörer und Macher präsentieren. Wüst muss die knappe Zeit bis zur Wahl im Mai nutzen, um sich einen Amtsbonus aufzubauen. Schon am Freitag will die NRW-CDU eine neue Kampagne vorstellen, die auf den neuen Frontmann zugeschnitten ist.