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Weg frei für Koalitionsverhandlungen in NRWEinstimmige Harmonie bei CDU und Grünen

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Mona Neubaur Essen 290522

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne).

Düsseldorf – Dass sich CDU und Grüne in Nordrhein-Westfalen nach den vier Tage andauernden Sondierungsgesprächen, die sich teilweise bis weit nach Mitternacht hinzogen, am Sonntag von der jeweiligen Basis grünes Licht für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen abholen würden, stand im Grunde außer Frage. Die kleine Überraschung am Ende des Tages: Bei den Grünen auf dem öffentlichen Landesparteirat in Essen läuft das deutlich harmonischer ab als erwartet.

Zu groß ist die Euphorie, zu groß die Lust am Regieren. 18,2 Prozent, Ergebnis verdreifacht, 39 statt 14 Abgeordnete. Fraktionschefin Verena Schäffer kriegt sich kaum ein. „Wenn man sich die Sitzverteilung im neuen Plenarsaal anschaut und sieht dieses wirklich große grüne Tortenstück, dann ist das wirklich toll.“ Um 18.20 Uhr steht das Ergebnis fest: Die Grünen sind bereit für Koalitionsverhandlungen. Es gibt, wie bei der CDU, keine Gegenstimme.

Bei der Sitzung des erweiterten Landesvorstands der CDU in Düsseldorf hinter verschlossenen Türen trauert man trotz des klaren Wahlerfolgs doch ein wenig der recht erfolgreichen und sehr geräuschlosen Zusammenarbeit mit der FDP und einer Stimme Mehrheit im Landtag hinterher. Die Liberalen, zuverlässiges Beiboot der Christdemokraten, sind bei der Wahl vor zwei Wochen in deren Erfolgsstrudel gekentert und wären um ein Haar ganz untergegangen.

CDU wird es mit den Grünen nicht leicht haben

So leicht, das ist allen Beteiligten klar, wird es mit den Grünen weder bei den Koalitionsgesprächen noch in einer gemeinsamen Landesregierung werden. Nach den Sondierungen gebe es allerdings „insgesamt eine tragfähige Grundlage für Koalitionsverhandlungen“, erklärte Ministerpräsident Hendrik Wüst, der auch Landesvorsitzender der CDU ist.

Im „Maschinenraum der Grünen“, von dem Landesgeschäftsführer Raoul Roßbach nach dem historisch erfolgreichen Abschneiden bei der Landtagswahl voll des Lobes spricht, hat es schon häufig Mitarbeiter gegeben, die auch in Hochphasen Sand ins Getriebe gestreut haben. Das ist am Sonntag beim Landesparteirat in Essen nicht der Fall. Die Maschine läuft rund – gut geölt wäre angesichts des Hauptziels beider möglicher Regierungspartner das falsche Bild. Schließlich soll NRW die erste klimaneutrale Industrieregion Europas werden.

In der Philharmonie herrscht viel Harmonie. Die Basis muss befinden, ob die Sondierer bei den Gesprächen mit der CDU ihren Job so gut gemacht haben, dass man sie damit beauftragen kann, Koalitionsverhandlungen zu führen.

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Im Grunde ist das Thema schon durch, als die Spitzenkandidatin und Parteichefin Mona Neubaur am Ende ihrer Rede mit für grüne Verhältnisse ungewöhnlich langanhaltendem Applaus verabschiedet wird. Beide Verhandlungspartner hätten verstanden, „dass es jetzt um die Gleichzeitigkeit der Dinge geht“, sagt Neubaur. „In einer Realität, die geprägt ist von den Folgen des Ukraine-Kriegs und der Klimakrise und den Katastrophen, die deswegen auch hier in Nordrhein-Westfalen passieren.“

Man habe sich mit der CDU darauf verständigen können, dass „wir verstehen, dass alles miteinander zusammenhängt. Was jetzt als Chance vor uns liegt, ist, dass wir uns vielleicht mit einer CDU über eine Brücke die Hand reichen, um nachher übergreifende Lösungen zu suchen.“ Dabei blieben die Grünen aber immer die Grünen, „bereit, uns den aktuellen Gegebenheiten anzupassen“. Man müsse endlich wegkommen von einer Politik, die nach einem Regierungswechsel wieder alles zurückdrehe.

Kaum Kritik an der Grünen-Basis für Verhandler um Neubaur

Es gibt kaum Kritik von der Basis, einzig Luise Baumann vom Kreisverband Oberhausen kündigt an, sich bei der Abstimmung über das Ja oder Nein zu Koalitionsverhandlungen zu enthalten. Sie sei zwar einerseits erleichtert über den im Sondierungspapier festgeschriebenen Altschuldenfonds für die Kommunen, schließlich schleppe sie 19 364 Euro Schulden mit sich herum, bloß weil sie in Oberhausen lebe.

Wüst 290522

Hendrik Wüst (l.) und CDU-Generalsekretär Josef Hovenjürgen am Sonntag 

Andererseits fehlten ihr auf den zwölf Seiten des Ergebnispapiers Perspektiven, wie es mit den vom Strukturwandel betroffenen Großstädten des Reviers und den Menschen nach der Befreiung von der Schuldenlast weitergehe. Vor allem bei der Bildung liege zu viel im Argen.

Kurz vor der Abstimmung ruft das grüne Urgestein Oliver Krischer, seit Dezember Staatssekretär bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, den wohl wichtigsten konkreten Punkt im Sondierungspapier auf. Der Kohleausstieg 2030 ist festgeschrieben. „Ich habe mich mein Leben lang mit der Kohle beschäftigt.“ Es habe Sondierungen mit der SPD gegeben, bei denen die Zahl der Kohlekraftwerke gar nicht verhandelbar war. Jetzt müsse es gelingen, den zweiten Schritt zu tun und die erneuerbaren Energien zum Erfolg zu führen. Das dürfte auch die Handvoll Klimaaktivisten besänftigen, die vor der Philharmonie protestieren, weil ihr das Sondierungspapier in Sachen Klimaschutz nicht weit genug geht. Zumindest vorerst.