AboAbonnieren

Krankenhaus-Schließungen möglichDas sind die Pläne des NRW-Gesundheitsministers

Lesezeit 7 Minuten
Laumann im Aufzug

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) 

Düsseldorf – Die Krankenhaus-Landschaft in NRW soll in den kommenden Jahren völlig neu aufgestellt werden. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat in Düsseldorf die Eckpunkte der geplanten Reform vorgestellt. Worauf müssen sich die Patienten künftig einstellen? Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Klinik-Plänen.

Wie viele Krankenhäuser gibt es in NRW?In NRW gab es mit Stand Ende 2019 rund 340 Krankenhäuser mit knapp 118.000 Betten. Vor zehn Jahrenlag die Zahl noch bei rund 400 Kliniken in NRW. Durch die Corona-Pandemie sind die Patientenzahlen deutlich gesunken. Normalerweise werden in NRW rund 4,65 Millionen Patientinnen und Patienten stationär behandelt.

Das könnte Sie auch interessieren:

Alles zum Thema Karl-Josef Laumann

Was ist das Ziel der geplanten Neuaufstellung?Die medizinische Versorgung ist in den Regionen des Landes von unterschiedlicher Qualität. In den Ballungsräumen gibt es eine Überversorgung und einen starken Konkurrenzkampf von Krankenhäusern um Patienten, in ländlichen Regionen mangelt es dagegen teils an Kliniken. Gesundheitsminister Laumann will diese „Fehlversorgung“ jetzt beenden. Viele Krankenhäuser leiden unter Fachkräftemangel und schreiben rote Zahlen. In Zukunft sollen die Pfleger gezielter eingesetzt werden können.

Welche Parameter ändern sich?Künftig ist nicht mehr die Bettenzahl das zentrale Planungsinstrument. Vielmehr wird zur Ermittlung des stationären Bedarfs die jährliche Fallzahl je medizinischer Leistung, etwa bei Hüft- und Knie-Prothesen, Organtransplantationen oder Geburtshilfe herangezogen.

Welche Auswirkungen hat das für die Kliniken?Die Medizin hat sich weiterentwickelt und spezialisiert. Demnächst soll nicht mehr jede Klinik die gesamte Bandbreite von Operationen und Behandlungen durchführen können. Vielmehr soll es eng definierte Leistungsbereiche und Leistungsgruppen geben, die für die Versorgung einer Region abgedeckt sein müssen. Dazu zählen die medizinischen Fachgebiete wie etwa Allgemeine Innere Medizin, Kardiologie, Onkologie oder Orthopädie, aber auch konkrete Unterdisziplinen wie zum Beispiel Stammzellentransplantation oder Hüft- und Wirbelsäulen-OPs. Wer die Disziplinen anbieten will, muss künftig einheitliche und überprüfbare Qualitätsvorgaben erfüllen - etwa bei der Qualifikation des Personals und bei der Ausstattung. Das soll zu einer stärkeren Spezialisierung führen. Wenn die Kliniken ihre Leistungen aufteilen, könnte das auch ein Beitrag für ihre wirtschaftliche Sanierung sein, hofft man im NRW-Gesundheitsministerium.

Welche Folgen hat die Spezialisierung?Das ist schwer zu sagen. Ein Beispiel: 2017 wurden rund 64.000 Schlaganfälle in 335 Standorten behandelt, davon etwa 18 Prozent (rund 11.000 Fälle) in Krankenhäusern ohne Stroke Unit. Wenn die Ärzte viel Erfahrungen haben, nützt das sicher den Patienten. Aber nur, wenn gleichzeitig eine wohnortnahe Grundversorgung in der Notfallmedizin gesichert bleibt. Die Herausforderung für die Planer besteht darin, die richtige Balance zu finden.

Müssen Fachabteilungen schließen oder in andere Häuser umziehen?

Davon ist auszugehen. Die neuen Strukturen dürften in den kommenden Jahren zu einer großen Unruhe in der Belegschaft führen. Wenn Spezial-Abteilungen in eine andere Stadt verlegt werden, müssen Ärzte und Pfleger unter Umständen mit umziehen. Das könnte vor allem Einheit treffen, die vergleichsweise wenig Operationen durchführen. Noch ein Beispiel: Operationen an der Bauchspeicheldrüse sind äußerst kompliziert. 2017 gab es in NRW rund 2.700 Operationen an 165 Standorten. Diese hohe Zahl an Versorgern führte dazu, dass in 66 Krankenhäusern weniger als zehn Operationen im Jahr erbracht wurden. Experten halten eine Mindestanzahl von zehn OPs erforderlich, um den Eingriff sicher durchführen zu können.

Bleiben die kleinen Krankenhäuser auf dem Land erhalten?Das ist zumindest beabsichtigt. Ziel ist es, dass 90 Prozent aller Menschen in NRW innerhalb von 20 Minuten ein Krankenhaus erreichen sollen. Der Plan schreibt zudem eine flächendeckende Vorhaltung der Intensivmedizin fest. Künftig werden außerdem auch Abteilungen für Lungenheilkunde, die in der Pandemie eine besondere Rolle gespielt haben, wieder im Krankenhausplan ausgewiesen. Auch Geburtsstationen sollen dezentral schnell erreichbar sein. Mancherorts sollen diese von Hebammen geleitet werden.

Wann werden die Pläne umgesetzt?Der Plan war auf Grundlage eines Gutachtens fast zwei Jahre lang in rund 50 Arbeitsgruppensitzungen des Landesausschusses für Krankenhausplanung ausgearbeitet worden und soll im Herbst dem Landtag zur Kenntnisnahme vorgelegt werden. Die Reform soll dann in der ersten Jahreshälfte 2023 in den meisten der landesweit 16 Versorgungsregionen abgeschlossen sein.

Was kostet die Neuordnung?Der Vorsitzende der Krankenhausgesellschaft NRW, Jochen Brink, geht von jährlichen Kosten von 200 Millionen Euro aus. Er schließt nicht aus, dass es in Ballungsräumen auch Schließungen kompletter Standorte geben wird. Die Kosten für eine Standortschließung bezifferte er mit 35 bis 40 Millionen Euro.

Wie steht die Opposition zu Plänen?Josef Neumann, Gesundheitsexperte der SPD, erklärte, die Landesregierung vernachlässige den demografischen Wandel bei den Planungen. „Die Menschen werden nicht mehr so mobil sein. Wird die Gruppe älterer Menschen größer, dann steigt auch der Behandlungsbedarf. Zusätzlich stehen wir vor der Situation, dass viele Hausärzte und niedergelassene Fachärzte demnächst in Rente gehen werden. Das scheint mir in den Berechnungen von Minister Laumann zu wenig berücksichtigt zu sein.“ Die Grünen kritisierten, zentrale Fragen seien weiterhin offen geblieben.

Was sagen die Gewerkschaften?Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisierte die Krankenhausplanung. Weder Krankenhausbeschäftigte noch Gewerkschaften seien bei den Beratungen eingebunden worden. Das Projekt werde in höchster Eile vorangetrieben und hinterlasse den Eindruck, dass es eher um Wahlkampf gehe. Die Planung werde dazu führen, dass weitere Krankenhäuser geschlossen würden.

Was sagen die Kölner Krankenhäuser zu den Reform-Plänen?

Die Uniklinik Köln befürwortet den Landeskrankenhausplan. „Der nun vollzogene Wechsel von einer unspezifischen Bettenplanung hin zu einer spezifischeren Planung auf der Basis medizinischer Leistungsbereiche und Leistungsgruppen ist gut nachvollziehbar und zu begrüßen“, sagt Prof. Dr. Edgar Schömig, Vorstandsvorsitzender der Uniklinik. „Für eine funktionierende, qualitativ hochwertige und auch in der Fläche angemessene stationäre Krankenversorgung im Land ist eine gute und detaillierte Landeskrankenhausplanung unerlässlich“, urteilt Schömig weiter.

Die Kliniken der Stadt Köln, zu denen das Kinderkrankenhaus an der Amsterdamer Straße sowie die Krankenhäuser in Merheim und Holweide gehören, „kommentiert grundsätzlich keine laufenden Gesetzgebungsverfahren“, teilt eine Sprecherin mit.

Könnten im Zuge der Reform Kliniken geschlossen werden?

„Krankenhausschließungen in Köln befürchte ich nicht, da die qualitativ hochwertigen Leistungsangebote in der vorhandenen Breite gut von den Menschen angenommen werden, die Kölner Bevölkerung wächst und der demographische Wandel auch in Zukunft in der Stadt ein breites Angebot an Krankenhausleistungen erfordern wird“, erklärt Uniklinik-Vorstandsvorsitzender Schömig. Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) hält Schließungen allerdings für möglich: „Im konkreten Einzelfall“ könnten „einzelne Abteilungen oder einzelne Standorte geschlossen werden.“ Köln etwa ist in einigen medizinischen Bereichen überversorgt. Wenn zum Beispiel fünf Kölner Krankenhäuser spezielle Abteilungen wie eine Urologie betreiben, die Einrichtungen jedoch nur in drei Häusern ausgelastet sind, würden die beiden Kliniken mit weniger Urologiepatienten für diese Abteilung „keinen Versorgungsauftrag bekommen“, erklärt ein KGNW-Sprecher.

Die Grundversorgung mit Abteilungen wie innerer Medizin oder Chirurgie soll zwar weiterhin in allen Krankenhäusern bestehen bleiben. Hochspezialisierte Abteilungen wie Kardiologie oder Onkologie sind jedoch für die Häuser finanziell äußerst lukrativ. „Wenn sich dann ein Krankhaus, dass nur die Grundversorgung anbietet, nicht trägt, muss es unter Umständen schließen“, erklärt der KGNW-Sprecher weiter.

Hat die Reform Einfluss auf den angedachten Kölner Klinikverbund von Uniklinik und städtischen Krankenhäusern?

Der Kölner Klinikverbund wäre zumindest ein Stück weit wie die nun vorgestellte Krankenhausreform, nur im Kleinen. Die städtischen Häuser und die Uniklinik wollen unter anderem bestimmte Abteilungen bündeln, um sie qualitativ weiter auszubauen. Der Verbund könnte die hochdefizitären städtischen Kliniken finanziell entlasten. Kritiker befürchten Einschränkungen zum Beispiel in der flächendeckenden medizinischen Versorgung für die Stadt. Uniklinik-Vorstandsvorsitzender Schömig sieht in Laumanns Reformplänen keine Gefahr für die Kölner Klinikenfusion: „Ein Leitgedanke des angedachten Klinikverbunds ist die optimale medizinische Versorgung der Kölner Bürgerinnen und Bürger. Gleiches gilt für den neuen Landeskrankenhausplan, weshalb ich keinen negativen Einfluss auf den Klinikverbund erwarte.“ Die KGNW hält sich in dieser Frage indes bedeckt. Der Klinikverbund sei „ein Sonderfall“, die Auswirkungen der NRW-Reform auf das Vorhaben könne man zum jetzigen Zeitpunkt „noch nicht einschätzen“, sagt ein Sprecher. Dazu müsste die Detailplanung der NRW-Krankenhausreform weiter gediehen sein. (mit dpa)