AboAbonnieren

Mallorca-AffäreWas jetzt mit Heinen-Essers Landtagskandidatur passiert

Lesezeit 6 Minuten
Heinen-Esser 8.4

Ursula Heinen-Esser 

Köln – Die Menschen in den nordrhein-westfälischen Flutgebieten kämpften am 23. Juli vergangenen Jahres verzweifelt gegen die Folgen des Jahrhunderthochwassers, während auf Mallorca ein Teil der Landesregierung eine Geburtstagsparty feierte. Das Szenario, am Mittwoch enthüllt vom „Kölner Stadt-Anzeiger“, hat am Donnerstag zum Rücktritt der NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser geführt.

Außer der CDU-Politikerin waren bei der Feier auf der Baleareninsel noch jede Menge Parteifreunde aus NRW dabei: Die Heimat- und Bauministerin Ina Scharrenbach ebenso wie Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner und die damalige Staatssekretärin für Integration Serap Güler. Wir beantworten die wichtigsten Fragen, die sich nach der Mallorca-Affäre stellen.

Wie bewertet Ministerpräsident Hendrik Wüst die Situation einen Tag nach der Entscheidung Heinen-Essers? War ihr Rücktritt für ihn unausweichlich?

Alles zum Thema Ina Scharrenbach

Im Livetalk von „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ sagte Wüst am Freitagabend: „Die Konsequenz war richtig, der Rücktritt war angezeigt. Es ging so nicht weiter, diese Einschätzung teile ich, und so ist es passiert. Ursula Heinen-Esser hat mir ihren Rücktritt angeboten, und ich habe ihn angenommen.“ Auf die Frage, ob er von Heinen-Essers Reise auch schon zu seiner Zeit als Verkehrsminister von NRW (das war er von 2017 bis 2021) erfahren habe, antwortete Wüst: „Ich habe jetzt im Zuge der Aufklärung des zweiten Teils des Mallorca-Aufenthalts von Frau Heinen-Esser davon erfahren.“

Er sei tatsächlich nicht über die Reiseaktivitäten Heinen-Essers unterrichtet gewesen, denn: „Man wird als Minister auch nicht über Reisen von Kabinettskollegen informiert, auch nicht als Ministerpräsident. Teil der Berufung in ein solches Amt ist, dass eine Ministerin und ein Minister immer im Dienst ist.“

Kann Ursula Heinen-Esser nach ihrem Rücktritt als Ministerin jetzt noch eine Kölner Direktkandidatin für die Landtagswahl sein?

Ja. Zumindest nach Ansicht der Kölner CDU, die vor allem auch das Problem hat, dass sie aus Verfahrensgründen jetzt niemand anderen mehr nominieren kann. „Frau Heinen-Esser ist eine anerkannte Fachfrau und unsere aufgestellte Kandidatin“, sagte der CDU-Kreisvorsitzende Bernd Petelkau dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, nachdem er sich am Freitagnachmittag „noch einmal ausführlich“ mit dem geschäftsführenden Kölner Parteivorstand sowie den übrigen Kölner Landtagskandidaten beraten hatte.

Sicher, das Verhalten von Heinen-Esser sei in der Vergangenheit „unangemessen gewesen. Sie hätte nach der Flutkatastrophe vor Ort in NRW sein müssen, und auch die anschließende Kommunikation im Untersuchungsausschuss war keine gute“, so Petelkau. Die im Ausschuss vorgelegten Unterlagen indes würden belegen, dass Heinen-Esser „während ihres Auslandsaufenthaltes ihren Amtsverpflichtungen nachgekommen“ sei. „Und auch ihr Rücktritt als Ministerin und ihre Entschuldigung waren angemessen“. Heinen-Esser sei bei der Aufstellungsversammlung für den Wahlkreis Innenstadt/Kalk-West von den Mitgliedern vor Ort zudem mit breiter Mehrheit zur Landtagskandidatin gewählt worden. „Das Verfahren ist abgeschlossen, niemand anderes kann mehr aufgestellt werden.“

Heinen-Esser kandidiert im Wahlkreis 18 (Köln VI), zu dem der Stadtbezirk Innenstadt sowie der Stadtbezirk Kalk mit den Stadtteilen Deutz, Humboldt-Gremberg, Kalk, Vingst, Höhenberg und Neubrück gehören. Überdies steht sie auf der Landesliste der CDU auf Rang sechs, der einen sicheren Einzug in den nächsten Landtag verspricht. Vor fünf Jahren gewann die SPD-Politikerin Susanna dos Santos Herrmann den Wahlkreis 18 mit 32,08 Prozent der Stimmen vor Serap Güler mit 26,46 Prozent.

Was sagt die Heimatministerin Ina Scharrenbach?

Die Bauministerin gab zu, am Freitag, 23. Juli, für das Wochenende nach Mallorca geflogen zu sein, um bei einem Abendessen anlässlich eines Geburtstages der Familie Esser teilzunehmen. Sie schreibt auf Anfrage: „Ich bin am 16. Juli sofort losgefahren ins Flutgebiet, um mich vor Ort zu informieren und den betroffenen Kommunen zu helfen, wo ich als Kommunalministerin sein konnte – in Kall, Schleiden, Iserlohn, Altena, Eschweiler, Stolberg, Rheinbach, Swisttal. Nonstop war ich mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in persönlichem Kontakt und habe mich nach Kräften gekümmert. Ich bin seit 2017 exakt einmal privat ins Ausland geflogen – zweieinhalb Tage, aber es waren schlicht und ergreifend die falschen. Ich ärgere mich unendlich über den Eindruck, den ich durch diese zwei Tage erweckt habe. Es tut mir sehr, sehr leid und ich entschuldige mich dafür. Ich habe das Ausmaß der Katastrophe selbst vor Ort erlebt und die Bilder und das Leid der Menschen treiben mich auch heute bei der herausfordernden Organisation des Wiederaufbaus an.“

Die SPD-Opposition hat Scharrenbach den Rücktritt nahe gelegt. Die Fragen des „Kölner Stadt-Anzeiger“, ob sie aufgrund der Affäre ihre Glaubwürdigkeit beschädigt sieht und deshalb einen Rücktritt erwägt, beantwortete sie nicht.

Wie reagiert die Ex-Staatssekretärin Serap Güler auf die Vorwürfe?

Sie schreibt auf Twitter: „Pietätlos und falsch – leider trifft beides auf mein Verhalten im vergangenen Juli im Rahmen der Flutkatastrophe in NRW zu. Ich hätte eine private Wochenendreise nach Mallorca, die Wochen vorher gebucht war, in dieser Situation nicht antreten dürfen. Meine fehlende Sensibilität, die den Eindruck erweckt hat, das Schicksal der von der Flut betroffenen Menschen interessiere mich nicht, war ein Fehler, für den ich mich aufrichtig entschuldige. Es tut mir leid.“ Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ teilte sie noch mit, vom 23. bis zum 25. Juli vergangenen Jahres auf Mallorca gewesen zu sein.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Flüge habe sie „selbstverständlich“ privat bezahlt. „Und meine Erreichbarkeit und Arbeitsfähigkeit war sichergestellt, allerdings aufgrund der Ressortzuständigkeit für Integration nicht gefragt“, so die CDU-Politikerin, die während der Flut Staatssekretärin für Integration in NRW war, inzwischen aber im Bundestag sitzt. Unbeantwortet ließ Serap Güler die Frage danach, ob sie nun einen Verlust an ihrer Glaubwürdigkeit befürchtet.

Was hat die Teilnehmer des Mallorca-Treffens verbunden?

Alle hatten einen engen Draht zu Armin Laschet. Heinen-Esser, Scharrenbach, Güler und Holthoff-Pförtner stehen für einen progressiven Kurs der Mitte. Der soll auch für grüne Milieus attraktiv sein und die Chancen der CDU, in Großstädten punkten zu können, verbessern.

Was hatte das mit Wüst zu tun?

Im Juli 2021 tobte in der NRW-CDU hinter den Kulissen ein harter Kampf um die Nachfolge von Ministerpräsident Armin Laschet. Als möglicher Thronfolger hatte sich der damalige Verkehrsminister Wüst früh in Stellung gebracht. Der Münsterländer galt vielen im Laschet-Lager als zu provinziell und zu konservativ. In der Frauenunion hoffte man zudem, dass die Heimatministerin Ina Scharrenbach, die Vorsitzende der Parteigliederung, eine Kampfkandidatur gegen Wüst wagen würde. Dieser Plan wurde aber nach dem Desaster der CDU bei der Bundestagswahl beerdigt – der Wunsch nach Geschlossenheit in der Partei war zu groß. Dass Heinen-Esser und Scharrenbach nicht zu seinen Unterstützern gehörten, ist Wüst natürlich nicht verborgen geblieben.