Nach dem Attentat von Solingen bietet CDU-Chef Friedrich Merz der Bundesregierung Zusammenarbeit an – beschimpft sie aber gleichzeitig.
MigrationMerz' Angebot an Scholz ist eine Wahlkampf-Pose – auf Kosten von Solingen
Einer der beeindruckendsten Auftritte nach dem Attentat von Solingen war der des Oberbürgermeisters der Stadt. Beim Kondolenzbesuch des Bundeskanzlers sprach Tim Kurzbach vom Schrecken der Ereignisse, der noch lange nachwirken werde. Vor allem aber sprach er von Gemeinsamkeit und Zusammenhalt. „Wir in Solingen stehen zusammen“, verkündete er. Gleich mehrfach. Und er betonte, es sei ein gutes Zeichen, dass Olaf Scholz und der nordrhein-westfälische Ministerpräsidenten Hendrik Wüst gemeinsam gekommen seien. Die Bürgerinnen und Bürger erwarteten, dass der Staat handele. „Da müssen wir, die wir in Regierungsverantwortung stehen, eben auch zusammenstehen.“
Besser als Kurzbach kann man es kaum sagen.
Anschlag von Solingen: Attacke auf eine Lebensweise
Denn es ist ja klar: Nichts wollen Attentäter wie der mutmaßliche Islamist, der in Solingen drei Menschen auf einem Stadtfest mit einem Messer umbrachte und mehrere verletzte, beziehungsweise ihre ideologischen Hinterleute lieber, als dass sich ein freiheitliches, demokratisches Land wie Deutschland entzweit.
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Es ist gerade der Zweck solcher Anschläge, mit denen nicht nur einzelne Leute, sondern eine Lebensweise attackiert wird: Aus Erschütterung soll Verbitterung werden. Trauer, Entsetzen, Verunsicherung und Angst sollen sich in Aggression verwandeln.
Risiken lassen sich minimieren. Wenn aber die Protagonisten der Demokratie aufeinander losgehen, haben die Islamisten gewonnen. Es ist das selbe Rezept wie das von anderen autoritären Ideologen, die mit friedlichem Miteinander nichts anfangen können und wollen.
Merz mit vermeintlichen Patentrezepten
Auf der bundespolitischen Ebene gilt das zuallererst für die Koalition: Eine verunsicherte Gesellschaft wird durch ständige Streitereien in der Regierung nicht zuversichtlicher. Wenn einzelne Koalitionspartner sich gegenseitig ihr Misstrauen erklären, kann man sich jedes Konjunkturprogramm sparen. Das galt vor Solingen und jetzt gilt es noch umso mehr.
Und es gilt auch für die Opposition, zumindest für die Union, die für sich in Anspruch nimmt, kanzlerabel zu sein.
Mitten in einem Wahlkampf, in diesem Fall wenige Tage vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen, mag es schwierig sein, den richtigen Ton zu finden. In beiden Bundesländern prägt die rüde AfD mit ihren vermeintlichen Patentrezepten von Ausgrenzung und Abschottung die Debatte. Und es ist so schön einfach, als Opposition der regierenden Konkurrenz Versagen vorzuwerfen - wohlwissend, dass Forderungen schöner klingen, wenn man rechtliche, finanzielle, personelle und Zuständigkeits-Hürden nicht erwähnt.
Entscheidung für Wahlkampf
CDU-Chef Friedrich Merz hat sich offenbar klar für Wahlkampf entschieden. Wie ein ernstgemeintes Angebot zur Zusammenarbeit klingt es jedenfalls nicht, wenn er die Regierung zum gemeinsamem Handeln auffordert, der Gegenseite aber Worthülsen, Sprüche und „dumme Redensarten“ vorwirft und vor wie nach einem Treffen mit Scholz dessen Regierungskraft anzweifelt.
Es ist ein ähnliches Vorgehen wie Ende 2023 als Merz eine Zusammenarbeit mit der Regierung nach einem Treffen mit Scholz für unmöglich erklärte – auch weil dieser verständlicherweise nicht seine Koalition opfern wollte. Wie damals ist auch jetzt die Zusammenarbeit von Bund und Ländern entscheidend, etwa, wenn es darum geht, Abschiebungen effektiver zu machen. Merz bleibt die Pose.
Der Sache hilft persönliche Befindlichkeit und Parteitaktik nicht.
Dem Solinger Oberbürgermeister Kurzbach gelang es, Trauer und Erschütterung mit einer Botschaft verbinden, die Widerstandskraft ausstrahlte und Trost - die Aussicht auf neue Fröhlichkeit. Eines Tages werde man in Solingen wieder miteinander feiern, sagte Kurzbach. „Bei aller Trauer, das werden wir uns niemals nehmen lassen.“ Merz und Scholz hätten ihn im Kanzleramt dazu holen sollen.