AboAbonnieren

Anschlag von SolingenNRW-Innenminister Reul spricht über vergebliche Abschiebung von Issa al H.

Lesezeit 4 Minuten
Karlsruhe, 25. August: Ein Hubschrauber mit dem mutmaßlichen Täter des Messerangriffs von Solingen startet im Innenhof eines Behördenzentrums.

Karlsruhe, 25. August: Ein Hubschrauber mit dem mutmaßlichen Täter des Messerangriffs von Solingen startet im Innenhof eines Behördenzentrums.

Der Terroranschlag von Solingen, bei dem drei Menschen starben, wird hitzig debattiert. Der OB der betroffenen Stadt bittet derweil um Respekt.

Nach dem tödlichen Messerangriff von Solingen und der Festnahme des mutmaßlichen Täters ist am Sonntag ein weiteres Bekenntnis des sogenannten Islamischen Staats (IS) aufgetaucht. Die Terrormiliz veröffentlichte ein Video, das den Täter zeigen soll. Wann das Video aufgenommen wurde und ob es sich tatsächlich um den Täter handelt, ist bislang nicht zweifelsfrei geklärt.

Terrorexperte und Politikwissenschaftler Peter Neumann hält das Bekenntnis des IS für echt. Er vermutet eine Verbindung zwischen Issa al H. und der Terrormiliz, es habe sich vermutlich nicht um eine „rein inspirierte Tat“ gehandelt, so Neumann im ARD-„Brennpunkt“ am Sonntagabend.

Peter Neumann warnt vor weiteren Anschlägen

Insgesamt habe die Terrorgefahr in den letzten Monaten stark zugenommen. In Westeuropa habe es in den vergangenen elf Monaten inklusive Solingen sieben durchgeführte Anschläge von Dschihadisten gegeben. Dies sei eine Vervierfachung im Vergleich zu 2022. Die Radikalisierung – vor allem übers Internet – habe eine neue Qualität, so Neumann. „Ich habe das Gefühl, da rollt möglicherweise eine neue Welle auf uns ran“, warnte Neumann.

Alles zum Thema Herbert Reul

In Solingen versammelten sich am Sonntag unterdessen Menschen zu mehreren Kundgebungen. Die rechtsextreme Junge Alternative machte unter dem Motto „Remigration rettet Leben“ mobil. Daraufhin reagierte ein breites Bündnis aus linken Gruppierungen mit einer Gegendemonstration.

Solingens Bürgermeister Kurzbach spricht über Trauer und Respekt

Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) warnte unterdessen angesichts der Debatten über Asylrecht, Abschiebungen und ein schärferes Waffenrecht im ZDF „Spezial“ vor einer Instrumentalisierung seiner Stadt. „Ich fordere zunächst einmal Respekt für die Menschen in Solingen“, so Kurzbach. Am Freitag sei etwas „Unvorstellbares“ passiert, die Stadt trauere, stehe aber auch zusammen. Solingen dürfe jetzt nicht als Symbol für einen politischen Streit genutzt werden.

Die aktuellen Forderungen aus allen Richtungen gehen ihm zu schnell, er müsse sich in dieser Situation schützend vor seine Mitbürgerinnen und Mitbürger stellen. „Solingen ist auch schon einmal missbraucht worden, um große Debatten zu führen. Das darf nicht wieder passieren“, findet Kurzbach klare Worte. Er bezieht sich damit auf den rassistischen Brandanschlag im Jahr 1993 auf das Haus der Familie Genç, bei dem fünf Menschen starben.

Caren Miosga: Offene Fragen rund um Abschiebung von Solingen-Attentäter

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) äußerte sich unterdessen im ARD-Talk von Caren Miosga ebenfalls zu der Tat von Solingen. Hier ging es vor allem um die Frage, die viele Menschen beschäftigt: Wie kann es sein, dass Issa al H. sich noch immer in Deutschland aufhielt und einen subsidiären Schutzstatus erhielt, obwohl er eigentlich ausreisepflichtig war.

Sein Asylantrag war abgelehnt worden, er sollte nach Bulgarien abgeschoben werden – das Land, in dem er in die EU eingereist war. Nach dem Dubliner Abkommen wäre Bulgarien weiter für den Syrer zuständig gewesen. Eine Überstellung nach Bulgarien konnte jedoch nicht fristgerecht innerhalb von sechs Monaten durchgeführt werden, da Issa al H. untertauchte, wurde berichtet. Daraufhin erhielt er in Solingen den subsidiären Schutzstatus.

Herbert Reul: Syrer war „lediglich nicht da“

Caren Miosga wollte von Reul wissen, wie es sein konnte, dass der Syrer die Behörden in NRW derart „austrickste“. Reul sagte nun, untergetaucht im rechtlichen Sinne sei der mutmaßliche Attentäter nicht. „Er war an dem Tag, am dem er abgeholt werden sollte, nicht da“, so Reul und meinte damit vermutlich die Unterkunft in Bielefeld, wo Issa al H. sich zunächst aufhielt und wo sein Asylantrag bearbeitet worden war. Der Mann sei an dem Tag, an dem er abgeholt werden sollte, schlicht nicht vor Ort gewesen. „Ansonsten war er immer und häufig in dieser Einrichtung“, so der Minister.

Er gab zu, dass viele Fragen offen seien und die Vorgänge einer gründlichen Überprüfung unterzogen werden müssten. Allerdings wurden dem Mann zu diesem Zeitpunkt keine Straftaten vorgeworfen, die eine Haft gerechtfertigt hätten, gab Reul zu bedenken.

Auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) forderte eine Aufarbeitung auch innerhalb der Behörden. „Da gibt es eine Menge Fragen. Es sind auch eine Menge Behörden involviert. Das muss aufgeklärt werden, und da muss Klartext gesprochen werden, wenn da etwas schiefgelaufen ist“, sagte er in der „Aktuellen Stunde“ im WDR Fernsehen.