Naomi Klein„Trump ist definitiv ein Idiot – aber sehr gut in dem, was er macht“
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Die Intellektuelle Naomi Klein war in Köln bei der lit.Cologne zu Gast.
Im Interview spricht die Amerikanerin über die Angst vor einem dunklen Zeitalter, die Diskriminierung zahlreicher Menschen durch den Klimawandel und die Rolle von Greta Thunbergs.
Auch über den amerikanischen Präsidenten lässt sie sich ausführlich aus.
Naomi Klein sitzt im Zug von Berlin nach Köln. Natürlich hat er wieder einmal Verspätung. Anders als Greta Thunberg sitzt sie von Fahrtbeginn an in der Ersten Klasse.
Am Abend tritt Klein, eine der renommiertesten Intellektuellen unserer Zeit, bei der lit.Cologne in Köln auf.
Frau Klein, Sie leben in den USA, sind aber Kanadierin, warum tun sich so viele Menschen in diesen Ländern schwer, die Tatsache eines menschengemachten Klimawandels zu akzeptieren?
In Ländern wie den USA oder Australien gibt es sehr starke Klimawandel-Leugner-Bewegungen. Die Grundidee dieser Nationen ist es, dass jede Generation mehr bekommen soll als die vorangegangene. Es gibt immer eine neue Grenze, die man erobern kann – das ist die Grundidee von Kolonialnationen und von Siedlernationen wie der unseren. Es ist in den USA in die Nation tief eingewoben, dass es einfach keine Grenzen gibt. Genauso in Kanada. Wenn man nun erklärt, dass es tatsächlich Grenzen geben wird, und wir mit dem auskommen müssen, was noch übrig ist, trifft das den amerikanischen Traum mitten ins Herz.
Man empfindet es als ein Weniger an Nation?
Alle wachsen mit der Geschichte auf, dass man in eine neue Welt kommt, nur die Wildnis steht einem gegenüber. Die Grenze immer weiter rauszuschieben in die Wildnis, ist Teil der Nationalgeschichte. Wenn die Grenze durch ökologische Barrieren geschlossen ist, widerspricht das dem kulturellen Selbstverständnis.
Trump sei kein Klimaleugner, sagten sie kürzlich.
Trump ist definitiv ein Idiot, aber in dem, was er macht, ist er sehr gut. Ich glaube nicht, dass er ein Klimaschutzverweigerer ist. Er weiß absolut, dass der Klimawandel stattfindet. Aber er glaubt, dass es ihm gut gehen wird. Deshalb beschäftigt er sich damit, wie man Grönland kauft – um das schmelzende Eis zu nutzen, um an Öl und Gas zu kommen. Die Übernahme Trumps des Weißen Hauses ist dennoch eine gefährliche Eskalation in einer Welt, in der sich die Krisen überlagern.
Sind Sie selbst Pessimistin? In einem Interview sagten Sie auf die Frage, was man gegen den Klimawandel persönlich tun kann, ein Wort: Nichts.
Oft schwanke ich zwischen schierer Panik und blankem Grauen und denke dann, dass wir zum Untergang verurteilt sind. Aber was ich mit dem Satz sagen wollte, ist, dass wir die Ziele, die wir ansteuern, nicht ohne Organisation und die Bildung politischer Macht erreichen können. Allein als Individuum schaffen wir das nun einmal nicht. Das ist meine Botschaft. Die neue Generation gibt mir jedoch Kraft zu glauben, dass wir die Ziele erreichen können.
Sie meinen die Bewegungen wie Fridays for Future mit Greta Thunberg? Was denken Sie über Greta?
Sie ist eine prophetische Stimme. Sie ist eine der großen Wahrheitssager unserer Zeit, vielleicht sogar aller Zeiten. Greta ist trotz ihrer jungen Jahre sehr weise, ein lebendiger Ausnahmezustand. Sie ist Bestandteil einer jungen Generation, die über viele unglaubliche Führerqualitäten verfügt. Ich fühle mich regeneriert durch diese Generation, weil sie so entschlossen und kraftvoll ist. Greta hat einen bemerkenswerten Job gemacht. Sie tut ihr Bestes, um ihre Plattform mit anderen jungen Anführern zu teilen. Sie hat dazu beigetragen, dass der Blick dem globalen Süden gilt, der am verletzlichsten gegenüber dem Klimawandel ist. Es gibt viele großartige Geschichten, die man über sie erzählen könnte und über diese Generation der Klima-Aktivisten.
Der Süden ist ein gutes Stichwort. In Ihrem Buch „On Fire“ schreiben Sie, dass der Klimawandel langfristig jeden bedroht, kurzfristig sorge er sogar für Diskriminierungen. Was meinen Sie damit?
Wer bereits verwundbar gewesen ist, wird dies noch umso mehr sein. Wenn du Geld hast, hast du auch Optionen. Das heißt natürlich nicht, dass man sich um nichts mehr Sorgen machen müsste und es heißt nicht, dass man unverletzbar ist. Einige gehen ziemlich weit und stellen sich vor, eine Raumstation zu errichten, wie Jeff Bezos oder Kolonien auf dem Mars, und einige Menschen stellen sich in ihren vergoldeten Villen hier auf der Erde vor, wenn das Wasser steigt. Aber in den frühen Stadien des Klimawandels sind besonders die Verwundbaren, die Armen, die Alten, die Behinderten am härtesten betroffen. Wissen Sie, ich habe zum ersten Mal im Jahr 2005 über den Klimawandel geschrieben, als der Hurrikan Katrina New Orleans traf. Die Diskriminierung war offensichtlich. Wer Geld hatte, nahm sein Auto, fuhr in ein Hotel, erhielt Geld von seinen Versicherungen, vielleicht sogar mehr Geld, als es dem Sachwert entsprach. Man benötigt einen funktionierenden Staat, wenn man als armer Mensch überleben will. Für die Armen gab es jedoch keinen Plan. Die Menschen, die in Puerto Rico starben, nachdem der Hurrikan Maria auf die Insel traf, erfuhren dasselbe. Alte Menschen, die in ihren Häusern saßen, kranke Menschen, die gesundheitliche Fürsorge nach dem Sturm benötigten. Es gab nichts, Tausende starben. Das meine ich mit Diskriminierung.
Mit dem Klimawandel setzt auch Migration ein. Die politischen Folgen sind in einigen westlichen Gesellschaften ja bereits erkennbar.
Viele Menschen fühlen, dass etwas außer Kontrolle geraten ist. Das bezieht sich auf die ökonomischen Verhältnisse, aber auch auf das ökologische Fundament, dass wir das Gefühl haben, in Krisenzeiten zu leben. Die Menschen gieren deshalb nach der Illusion der Rückgewinnung der Kontrolle. Sie und ich reden gerade nach dem Sieg von Boris Johnson bei den britischen Parlamentswahlen miteinander. Der Slogan der Brexit-Kampagne war ja: Die Kontrolle zurückgewinnen. Das ist es, womit Typen wie Trump, Bolsonaro, Johnson und Co. ihr politisches Geschäft betreiben, die Illusion zu wecken, die Kontrolle zurückzubekommen über eine Welt, die aus den Fugen geraten ist. Und einer der einfachsten Wege, so zu tun, dass sie ihr politisches Versprechen einlösen, ist die Kontrolle der Grenzen. Wenn Menschen ängstlich sind, dann treibt genau diese Ideen sie an, ihre Gemeinschaft über alle anderen zu stellen.
Der Klimawandel befeuert Ideen wie den Rassismus der Weißen und Nationalismus?
Ja, das glaube ich. Aber es ist nicht nur der weiße Nationalismus, es gibt unterschiedliche Formen des Nationalismus rund um die Welt, die derzeit aktiviert werden. Modi in Indien schließt Millionen von Muslimen von dem Recht auf eine indische Staatsbürgerschaft aus – das ist nichts anderes als ein Hindu-Nationalismus. In Europa und den USA dominiert eher ein christlicher Nationalismus. Es ist ein Freibrief für die, die die Grenzen sichern wollen. Man braucht für diese Grenzsicherungen jedoch eine Story, die man sich erzählen kann und die Handlungen rechtfertigt, dass es Menschen gibt, die draußen bleiben sollen, auch wenn sie in Libyen dann in Konzentrationslagern einsitzen müssen. Wenn man auf den Klimawandel reagiert, indem aus Grenzen Festungen gemacht werden, dann kehren genau die Theorien zurück, die so etwas rechtfertigen, Hierarchien zwischen Menschen im Sinne des Rassismus schaffen. Dafür gibt es schon seit Jahren Anzeichen.
Naomi Klein
Naomi Klein, geboren am 8. Mai 1970 in Montreal, feierte ihren Durchbruch 2000 mit dem internationalen Bestseller „No Logo!“ über die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken Südostasiens. Sie schreibt und berichtet regelmäßig für CNN, BBC und die Washington Post.
Gerade ist ihr Buch „On Fire. The (Burning) Case for a Green New Deal“ im englischen Original erschienen, 320 Seiten.
Sie meinen, das vergangene Zeitalter des wissenschaftlichen Rassismus liefert eine rationale Begründung für diese Brutalität. Wir stehen am Beginn eines Zeitalters eines Klima-Barbarismus?
Ich glaube, dass wir uns genau da befinden. Das Klima ist zwar nicht allein für die Migration verantwortlich, zumindest im Augenblick. Es liegt auch an Konflikten, Armut und wirtschaftlichen Ursachen. Der Klimawandel taugt nicht für einfache Erklärungsmuster. Dennoch: Was auch immer schieflaufen mag, der Klimawandel macht es noch schlimmer. Wo immer es Konflikte gibt, wird noch einmal etwas draufgesetzt. Wenn Menschen nur einen kleinen Puffer über der Armutsgrenze haben, dann drückt sie der Klimawandel unter diese Linie. Unterschiedliche Krisen werden durch den Klimawandel zusammen verstärkt. Schon heute sind mehr Menschen auf der Flucht als nach dem Zweiten Weltkrieg. Und alle wissen, dass man das nicht aufhalten kann. Die Realität ist die, dass wir einer immer stärkeren Erderwärmung entgegensehen, es sei denn, es gibt einen großen Wandel in der Politik der Regierungen. Das heißt: immer weniger Land für immer mehr Menschen.
Wie bringt man Regierungen dazu, eine klimafreundliche Politik zu betreiben?
Sie brauchen Druck von unten, so dass eine größere Dringlichkeit zum Handeln erzeugt wird. Regierungen wollen oft die Unternehmen vor starkem Wandel schützen. Diese Unternehmen finanzieren in den USA zum Beispiel politische Kampagnen. Das ist genau dasselbe wie mit der Tabakindustrie. Als man ihnen nachweisen konnte, dass Tabak Krebs verursacht, hat man ihnen die Werbung untersagt. Dasselbe sollte auch mit Gas- oder Kohleunternehmen passieren.
Viele diskutieren gerade wie Sie in Ihrem Buch einen Green New Deal, etwa der Ökonom Jeremy Rifkin oder Ursula von der Leyen. Was hilft der Rückgriff auf den so genannten New Deal von Roosevelt Anfang der 30er Jahre?
Ja, das ist keine neue Idee. Historische Analogien wie der New Deal versetzen uns in eine Zeit, in der wir uns Veränderungen in einem größeren Ausmaß noch vorstellen konnten. Nun reden viele lieber über den eigenen persönlichen Konsum als über systemrelevante Veränderungen. Ohne die geht es aber nicht.
Die westlichen Demokratien schimpfen über China als Klima-Übeltäter. Hat aber gerade eine Diktatur wie China das Klima-Problem schneller gelöst als die Demokratien?
Oh, das ist eine gefährliche Frage. Ich höre immer wieder, dass viele sagen: Wir brauchen eine Diktatur. Es erschreckt mich. Gerade China ist ja in der Ausbeutung der Ressourcen wie Gas oder Kohle ganz weit vorne. Außerdem: Wir müssen unsere Demokratien so gestalten, dass sie funktionieren. Warum sollten wir in ein System wechseln, in dem wir keine Macht hätten?