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Sechs Tage ab MittwochWarum der Bahnstreik den Regionalverkehr im Rheinland nicht so hart trifft

Lesezeit 5 Minuten
17.06.2023
Köln
Der Kölner Hauptbahnhof ist aufgrund der Zweiten Baustufe des elektronischen Stellwerk (ESTW) Köln Hbf tagsüber wegen Umrüstungsarbeiten für Fern- und Regionalverkehr geschlossen.
Schild mit Gleis gesperrt
Foto: Martina Goyert

Ganz so leer wie während Bauarbeiten im Juni 2023 wird es im Kölner Hauptbahnhof beim kommenden Streik nicht aussehen.

Zahlreiche Regionalzüge sind nicht betroffen. DB Regio NRW fährt nach einem Notfahrplan. Im Fernverkehr fallen wohl vier von fünf Zügen aus.

Zum zweiten Mal in diesem Jahr ruft die Lokführergewerkschaft (GDL) ihre Mitglieder bei der Deutschen Bahn zum Streik auf. Der Ausstand wird am Mittwoch, 24. Januar, um 2 Uhr beginnen und soll sechs Tage lang bis Montag, 29. Januar, 18 Uhr andauern. GDL-Chef Claus Weselsky hat das letzte Angebot der Bahn abgelehnt. Der Streit dreht sich vor allem um die langfristige Absenkung der Wochenarbeitszeit bis 2028 auf 35 Stunden. Das müssen Bahnreisende jetzt wissen.

Was bedeutet der Bahnstreik für das Rheinland?

Der Streikaufruf der GDL richtet sich nur an die Deutsche Bahn. Im Regionalverkehr werden die Linien, die von anderen Verkehrsunternehmen betrieben werden, also fahren. Das dürfte die Lage deutlich entspannen.

National Express fährt in NRW die vor allem für Pendler besonders wichtigen Linien: Das sind der RE1 (Aachen – Köln - Düsseldorf – Essen - Bochum – Dortmund - Hamm), der RE4 (Aachen – Mönchengladbach – Neuss – Düsseldorf – Wuppertal – Hagen – Dortmund), der RE5 (Wesel – Duisburg – Düsseldorf – Köln – Bonn – Koblenz), der RE6 (Köln – Düsseldorf – Essen – Bielefeld – Minden), der RE7 (Krefeld – Köln – Wuppertal – Hamm – Münster), der RE 11 zwischen Düsseldorf und Kassel und die Regionalbahn 48 (Wuppertal – Köln – Bonn – Koblenz).

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Auch die Mittelrheinbahn ist mit der RB26 zwischen Köln, Bonn und Mainz nicht betroffen. Sie gehört zur Transdev-Gruppe, die sich mit der GDL bereits auf einen neuen Tarifvertrag verständigt hat.

Und was ist mit den Zügen der DB?

Im Regional- und S-Bahnverkehr in NRW gilt ab Mittwoch ein Notfahrplan, der mit dem des ersten Streiks zu Beginn des Jahres vergleichbar ist. Er ist bereits auf www.zugverkehr.nrw eingestellt. Die Bahn wird auch versuchen, Ersatzverkehre mit Bussen einzurichten. Wo Baustellen sind, müssen diese Verkehre für das Wochenende noch einmal geprüft werden. Da kann es noch zu Änderungen kommen.

Wie wirkt sich der Streik auf den Fernverkehr aus?

Auch im Fernverkehr gilt ein Notfahrplan mit einem stark verringerten Zugangebot. Für diese Fahrten setzt die DB längere Züge mit mehr Sitzplätzen ein, um möglichst viele Menschen an ihr Ziel bringen zu können. Aufgrund des eingeschränkten Angebots rät die DB, bei Reisen im Fernverkehr in jedem Fall frühzeitig einen Sitzplatz zu reservieren.

Ist der Güterverkehr auch vom Streik betroffen?

Ja. Im Güterverkehr wird der Ausstand sogar acht Stunden früher beginnen. Die Züge sollen schon ab Dienstagabend, 18 Uhr, nicht mehr fahren.

Was müssen Reisende beachten, die schon ein Ticket gekauft haben?

Alle Fahrgäste, die ihre für den 24. bis 29. Januar geplante Reise verschieben möchten, können ihr Ticket später nutzen. Die Zugbindung ist aufgehoben. Die Fahrkarte gilt für die Fahrt zum ursprünglichen Zielort – auch über eine andere Strecke. Sitzplatzreservierungen können kostenfrei storniert werden. Zudem können Reisende ihre Fahrt auch vorverlegen.

Wie kommt man an Informationen?

Die Bahn wird so schnell wie möglich über die Auswirkungen des GDL-Streiks auf bahn.de und in der App DB Navigator informieren. Der Notfahrplan für den Fernverkehr ist ab Montagabend in den digitalen Auskunftssystemen verfügbar. Dort sollten sich Reisende auch vor Fahrtantritt informieren. Eine kostenlose Sonderhotline ist unter 08000 / 99 66 33 einrichten.

Was hat die Bahn angeboten?

Das vorerst letzte Angebot vom vergangenen Freitag beinhaltet nach ihren Angaben eine Lohnerhöhung von insgesamt bis zu 13 Prozent in drei Stufen. Zudem ist darin die Möglichkeit für Fahr- und Zugpersonal festgehalten, zum 1. Januar 2026 die Wochenarbeitszeit um eine Stunde auf 37 Stunden bei gleichem Gehalt abzusenken. Alternativ können auch 2,7 Prozent zusätzlicher Lohn gewählt werden. „Es gibt nun absolut keinen Grund mehr, sich Gesprächen zu verweigern. Die GDL muss sich ihrer Verantwortung stellen und mehr Verhandlungen wagen“, sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler am Freitag.

Warum ist die Lage so verfahren?

GDL-Chef Claus Weselsky hält das Angebot der Bahn zur Verringerung der Wochenarbeitszeit für unangemessen. „Das Angebot, die Stunde Wochenarbeitszeit abzusenken, steht in direkter Abhängigkeit zur Frage, ob genügend Personal an Bord ist“, sagte er am Montag in Berlin. „Das ist keine Verhandlungsgrundlage.“ Außerdem weigere die Bahn sich weiterhin, einen Tarifvertrag für die Fahrdienstleiter auf den Stellwerken und für die Mitarbeitenden in der Fahrzeuginstandhaltung abzuschließen.

Die GDL habe für fast 10.000 Mitarbeitende in 18 anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen Tarifverträge abgeschlossen. Die Verhandlungen mit der Bahn sollen erst wieder aufgenommen werden, wenn deren Personalvorstand Martin Seiler „keine Vorbedingungen mehr stellt“.

Die Bahn will am 25. Januar verhandeln. Lässt sich die GDL darauf ein?

Wohl kaum. „Wenn die DB ein ähnlich substanzielles Angebot machen würde, wie es die Transdev-Gruppe getan hat, bräuchten wir auch bei der DB nicht zu streiken“, sagte Sven Schmitte, Bezirksvorsitzender der GDL NRW auf Anfrage. Die GDL fordert 555 Euro mehr pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie bei zwölf Monaten Laufzeit.

Wie lange schwelt der Tarifkonflikt schon?

Der Tarifkonflikt zwischen der Bahn und der GDL läuft seit Anfang November. Im vergangenen Jahr hatte es bereits zwei Warnstreiks gegeben. Die GDL erklärte die Gespräche bereits nach der zweiten Verhandlungsrunde für gescheitert. Seit dem 24. November wurde nicht mehr verhandelt. Nach einer Urabstimmung unter den GDL-Mitgliedern sind auch unbefristete Streiks möglich.

Plant die Deutsche Bahn, den Streik mit juristischen Mitteln zu verhindern?

Nein. Die Deutsche Bahn wird nicht erneut versuchen, den angekündigten Streik gerichtlich zu verhindern. „Die DB wird gegen den sechstägigen GDL-Streik keine Rechtsmittel einlegen“, erklärte ein Konzernsprecher am Montag. „Eine einstweilige Verfügung zu erwirken, ist nach rechtlicher Prüfung aktuell nicht geplant.“

Den dritten Streik im aktuellen Tarifkonflikt vor anderthalb Wochen hatte die Bahn noch per einstweiliger Verfügung versucht zu verhindern, scheiterte damit aber vor dem Arbeitsgericht Frankfurt und dem Landesarbeitsgericht Hessen.

Gibt es Reaktionen aus der Politik?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hofft auf eine zügige Beilegung des Konfliktes. Scholz wisse um die Tarifautonomie in Deutschland – das sei Sache der Tarifparteien, sagte ein Regierungssprecher am Montag in Berlin. „Als Bundeskanzler wünscht er sich natürlich konstruktive und schnelle Gespräche, auf dass die Tarifauseinandersetzungen nach Möglichkeiten in ihren Auswirkungen beschränkt bleiben für die Öffentlichkeit.“ Der Aufruf, sich gütlich zu einigen, bleibe bestehen. Der Kanzler werde sich in die Auseinandersetzung zum jetzigen Zeitpunkt nicht einmischen.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kritisierte das Vorgehen der GDL unter ihrem Chef Claus Weselsky. „Ich habe null Verständnis für diese Form der Tarifauseinandersetzung“, sagte er am Montag im ZDF-Morgenmagazin. Seiner Meinung nach nimmt der Tarifkonflikt zwischen Bahn und GDL zunehmend destruktive Züge an. „Ich glaube auch nicht, dass Herr Weselsky sich und seiner Gewerkschaft mit diesem Stil einen Gefallen tut“, fügte Wissing hinzu. (mit dpa)