Im Ziel der Armutsbekämpfung sind sich die Parteien in NRW einig. Die CDU setzt auf Erwerbstätigkeit, Familienministerin Paul betont die Notwendigkeit staatlicher Hilfestellung.
Bekämpfung von Armut in NRWLand kündigt Hilfspaket über 150 Millionen Euro an
Wer hätte gedacht, dass diese beiden einmal so freundlich miteinander umgehen würden. Bei der Armutskonferenz der Landesregierung in Essen proklamierten die Grüne Feministin Josefine Paul, Ministerin für Jugend und Familie, und CDU-Urgestein Karl-Josef Laumann als Sozialminister nicht weniger als den „Neustart der Armutsbekämpfung“ in NRW.
Das Projekt war ein wichtiges Bindemittel für den Koalitionsvertrag der neuen Regierungspartner. Mittlerweile duzt man sich. Aber kulturelle Brüche bleiben spürbar.
150 Millionen Euro für Tafeln und Obdachlosenhilfe
Das Eingangsstatement des Minister-Duos hätte auch schon das Resümee sein können. Mehr, als die Koalitionspartner in den zurückliegenden Haushaltsdebatten angekündigt hatten, wurde nicht versprochen. Aus dem geplanten Sondervermögen zur Krisenbewältigung soll 150 Millionen Euro an Tafeln, Wohnungsloseneinrichtungen oder auch Schuldnerberatungen fließen. Weitere 60 Millionen soll die Kitas bekommen, um die explodierenden Energiekosten abzufedern.
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2021 waren 3,2 Millionen Menschen in NRW armutsgefährdet. Die Armutsrisikoquote lag bei 18 Prozent. Die Armutsrisikoschwelle lag für einen Einpersonenhaushalt bei 1131 Euro. Ein Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern im Alter von unter 14 Jahren galt 2021 als relativ einkommensarm, wenn das monatliche Haushaltsnettoeinkommen bei weniger als 2376 Euro lag.
Laumann: Kampf gegen Erwerbslosigkeit
Bei Alleinerziehenden und jungen Erwachsenen ist das Armutsrisiko besonders hoch. „Die Menschen, die jeden Euro umdrehen müssen, sind mehr geworden“, sagte Laumann. Die starken Preissteigerungen für Energie und Lebensmittel stellten Menschen mit geringem Einkommen vor existenzielle Probleme. Die Landesregierung wolle gegensteuern und dabei in „erheblichem Umfang einsteigen“. Zum Ausschalten von Heizungen aus einer Notlage heraus dürfe es nicht kommen.
An der Konferenz nehmen Vertreter von Kommunen, Sozialverbänden, Kirchen, Wirtschaft und Gewerkschaften teil. Arbeitsminister Laumann überraschte die Runde mit einer optimistischen These. „Wenn wir es gut machen, kriegen wir gute Fortschritte hin“, so der Münsterländer. Grund dafür seien die vielen offene Stellen auf dem Arbeits- und Lehrstellenmarkt. „Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt im Kampf gegen die Erwerbslosigkeit“, so der Chef des Arbeitnehmerflügels in der CDU.
Die Grünen setzen auf staatliche Hilfe
Paul, die zum linken Parteiflügel der Grünen gehört, betont hingegen deutlich stärker die Notwendigkeit staatlicher Hilfestellung. Fehlendes ökonomisches Potenzial in den Familien träfen die Kinder besonders hart. Sie könnten nicht an Klassenfahrtenn teilnehmen oder zum Kindergeburtstag gehen, weil es an Geld für Geschenke fehle, sagte die Grüne. Das produziere Schamgefühle. „Jedes Kind hat ein Recht darauf, ab und an mit den Eltern ein Eis essen zu gehen“, sagte Paul. Das Land habe die Aufgabe, die soziale Beratungsinfrastruktur zu verbessern.
Die FDP hält das geplante Vorgehen für unzureichend. Da alleinerziehende Frauen besonders häufig von Armut bedroht seien, müsse die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden. „Um dieses Ziel zu erreichen, müssen mehr Betreuungsplätze geschaffen werden“, sagte Familien-Experte Marcel Hafke. „Da hilft keine weitere Arbeitsgruppe.“
Die SPD forderte, die Armut müsse an der Wurzel bekämpft werden. Wichtig sei ein kostenloses Mittagessen für Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen, mehr bezahlbarer Wohnraum und eine allgemeine Lernmittelfreiheit. Lena Teschlade, Landtagsabgeordnete aus Köln, kritisierte: „Wer schon zu Beginn ein Fazit zieht, kann nicht ernsthaft an Ergebnissen interessiert sein. So entlarvt man die eigene Konferenz nur als Show-Veranstaltung.“