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Das Beste aus 2024CDU-Insider zur K-Frage: Wüsts Verzicht kam in letzter Sekunde

Lesezeit 5 Minuten
Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, gibt nach einer Sitzung des CDU-Landesvorstands ein Pressestatement.

Politischer Paukenschlag: Hendrik Wüst verzichtet auf eine Kanzlerkandidatur. Wie kam es dazu?

Dieser Text gehört zu den meistgelesenen 2024: Hendrik Wüst hat Friedrich Merz den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur überlassen. Ein politischer Paukenschlag. Wie kam es dazu?

Die Entscheidung ist gefallen. Friedrich Merz soll Kanzlerkandidat von CDU und CSU bei der Bundestagswahl im September nächsten Jahres werden. Der Verständigung des CDU-Bundesvorsitzenden mit dem Chef der CSU, Markus Söder, war eine persönliche Erklärung von NRW-Ministerpräsident Henrik Wüst vorausgegangen.


Dieser Text gehört zu den beliebtesten Inhalten des Jahres 2024 und wurde erstmals am 17. September 2024 veröffentlicht. Mehr der meistgelesenen Artikel des Jahres finden Sie hier.


In seinem Statement hatte der CDU-Landesvorsitzende am Montagabend den Verzicht auf eigene Ambitionen erklärt und bekannt gegeben, dass er Merz unterstützen werde.

Wir beleuchten die Hintergründe dieser Entscheidung.

Perfektes Timing? Wieso Wüst am Montagabend vor die Kameras trat.

Merz hatte am Wochenende angedeutet, dass eine Entscheidung in der K-Frage „bald“ erfolgen würde. Am Montagabend tagte der CDU-Landesvorstand in Düsseldorf. Wüst wusste, dass er mit seinem Verzicht zum „Königsmacher“ werden würde. Das Zeitfester, selbst einen Punkt zu setzen, begann sich zu schließen. Tatsächlich traten Merz und Söder schon am nächsten Tag vor die Kameras. Diese Planung soll Wüst aber nicht bekannt gewesen sein.

War denn schon klar, dass Wüst auf die Kanzlerkandidatur verzichten würde?

Die Entscheidung zum Verzicht sei erst „auf den letzten Metern“ gefallen, heißt es in CDU-Kreisen. Noch am Sonntagabend, als Wüst in der Talkshow „Caren Miosga“ auftrat, hatte er die Frage nach seinen persönlichen Ambitionen erneut offengelassen.

Hendrik Wüst (CDU) spricht in der ARD-Sendung «Caren Miosga» mit Moderatorin Caren Miosga.

NRW-Ministerpräsident Wüst war Gast in der Talkshow von Caren Miosga. Dort ließ er persönliche Ambitionen in der K-Frage noch im Unklaren.

In der vergangenen Woche hatte die Staatskanzlei zur „Sommertour“ des Ministerpräsidenten zahlreiche Journalisten aus der Hauptstadt eingeladen. Einige waren schon vor vier Jahren bei einem ähnlichen Termin dabei, um die Kanzlertauglichkeit des damaligen NRW-Regierungschefs Armin Laschet (CDU) zu begutachten. Der Vorgang wird in Düsseldorf als Indiz dafür gewertet, dass die letzte Entscheidung zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefallen war.

Böse Erinnerung an Söders Missgunst 2021

Was war denn letztlich der Auslöser für die Entscheidung?

Wüst will keine Wiederholung von 2021. Damals hatte die Missgunst von Söder der Kampagne des Kanzlerkandidaten Laschet schwer geschadet. Die Geschlossenheit der NRW-CDU habe hingegen seinen Sieg bei der NRW-Wahl im Mai 2022 ermöglicht, argumentiert jetzt der Ministerpräsident.

In Berliner CDU-Kreisen heißt es, Wüst sei in der Hauptstadt zwar beliebt, „aber laut nach ihm gerufen“ habe „auch niemand“. Das wäre wohl erst passiert, wenn Merz einen schweren Fehler begangen und sich unmöglich gemacht hätte. Bis gestern gab es noch aber keinen Anlass für eine Revolte.

War Merz auf die Unterstützung von Wüst angewiesen?

Friedrich Merz hätte seine Pläne wohl so oder so durchgezogen. Er soll in internen Runden nie einen Hehl daraus gemacht haben, dass die K-Frage von den Parteivorsitzenden von CDU und CSU, also alleine von ihm und Söder, geklärt werde.

Die Forderung von Wüst, die Ministerpräsidenten in den Prozess mit einzubinden, änderte an Merz Sichtweise nichts. „Friedrich hatte zu keinem Zeitpunkt vor, sich die Kandidatur aus der Hand nehmen zu lassen“, sagt ein Mitglied der CDU-Bundestagsfraktion.

Serap Güler: „Ich bin Henrik Wüst wie viele in der Partei dankbar.“

Wie reagiert die NRW-CDU?

Dort herrscht Erleichterung. Wäre Wüst nach Berlin gewechselt, hätte die Landespartei erneut nach einer Spitze suchen müssen. Die Entscheidung, auf die Kanzlerkandidatur zu verzichten, sei „vor allem eine gute Nachricht für Nordrhein-Westfalen“, sagte Nathanael Liminski, Chef des CDU-Bezirks Mittelrhein und der Staatskanzlei, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Man habe in den letzten Jahren viel erreicht, doch es stehe noch viel Arbeit an. „Es ist gut für Nordrhein-Westfalen und für die CDU, dass wir diesen Weg weiterhin mit Hendrik Wüst als Ministerpräsident an der Spitze gehen können“, sagte Liminski. Die Kölner CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler erklärte, es sei richtig gewesen, die Spekulationen über eine mögliche Kandidatur zu beenden. „Dafür bin ich Henrik Wüst wie viele in der Partei dankbar.“

Was bedeutet der Schritt für Schwarz-Grün in NRW?

Die NRW-Grünen kommen gut mit Wüst zurecht und freuen sich darüber, dass er in NRW bleibt. Parteichef Tim Achtermeyer erklärte, jede Partei sollte ihre Personalfragen für sich „und ohne schlaue Kommentare von außen“ klären. Dass CDU und Grüne in NRW erfolgreich zusammenarbeiten würden, hänge aber auch mit den handelnden Personen zusammen: „Es braucht gerade in diesen Zeiten die Bereitschaft von allen Demokraten, Allianzen in der Mitte zu suchen“, so Achtermeyer.

Merz und Söder geben sich auf der Pressekonferenz die Hand.

Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, und Markus Söder, CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident von Bayern, einigen sich auf die Kanzlerkandidatur von Merz.

Was sagt die Opposition?

SPD-Fraktionschef Jochen Ott erklärte, Wüst habe genug „Realitätssinn“ gehabt, um zu erkennen, dass er „schlicht keine Mehrheit für eine Kanzlerkandidatur“ in Berlin erhalten und den Machtkampf gegen Merz verloren habe. FDP-Landeschef Henning Höne sagte unserer Zeitung, es sei gut, dass die K-Frage „jetzt endlich vom Tisch“ ist: „Statt Fototermine und Berliner Bühne fordern wir, dass Wüst endlich im Maschinenraum in Düsseldorf arbeitet. Sicherheit, Migration und eine wirtschaftspolitische Wende hin zu mehr Marktwirtschaft – das muss Priorität haben.“

Wie geht es mit Hendrik Wüst weiter?

Er hat sehr deutlich gemacht, dass sein Verzicht auf die Kanzlerkandidatur keine endgültige Absage an einen Wechsel nach Berlin ist. Sollte Merz doch noch straucheln, stünde er als Ersatzkandidat sofort bereit. Sollte Merz im nächsten Jahr Bundeskanzler werden, könnte sich Wüst in aller Ruhe auf seine Wiederwahl im Jahr 2027 vorbereiten. In der Bundespartei dürfte seine Stimme als Ministerpräsident des größten Bundeslands weiterhin großes Gewicht haben.

Was wird aus den Hoffnungsträgern der NRW-CDU?

Ein Wachwechsel steht vorerst nicht an. Sollte Wüst 2027 erneut Ministerpräsident werden, stünde ein Wechsel in die Bundespolitik frühestens 2029 bei der übernächsten Bundestagswahl an. So bleibt der NRW-CDU jetzt viel Zeit, potenzielle Wüst-Nachfolger oder Nachfolgerinnen aufzubauen.

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach, die 2021 bei der Regelung der Laschet-Nachfolge nicht zum Zuge gekommen war, wird dann aber möglicherweise nicht mehr zur Verfügung stehen. Der Chefin der Frauen-Union von NRW werden gute Chancen nachgesagt, in einem Kabinett von Friedrich Merz eine Position zu bekommen.