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Kampfjet F-35Wüst kapert die Zeitenwende und lockt Rüstungsfirmen nach NRW

Lesezeit 4 Minuten
Hendrik Wüst und Industrievertreter sind in einem Werk im Gruppenbild zu sehen.

Partner beim Bau des F-35 Kampfjets (v.l.n.r.): Mike Schmidt (CEO Rheinmetall Aviation Services GmbH), Glenn Masukawa (Vice President and F-35 Program Manager Northrop Grumman), NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und Tom Jones (Corporate Vice President & Sector President, Aeronautics Systems)

Der NRW-Ministerpräsident lädt auf seiner USA-Reise Waffenhersteller offensiv ein, zu investieren.

30 Jahre arbeitet der Ingenieur bereits für die Automobil-Sparte von Rheinmetall. „Ich hatte immer meine Vorbehalte gegenüber Defense“, sagt der 61-Jährige, der seinen Namen hier nicht genannt wissen will, über die Rüstungsabteilung des Düsseldorfer Unternehmens. „Diese Vorbehalte habe ich nicht mehr. Wer sich nicht schützt, wird irgendwann überrannt.“ Der Sinneswandel des Mannes ist Ausweis der Zeitenwende, die Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine ausgerufen hat. Und er arbeitet künftig in einem Herzstück eben dieser: Er ist einer der Mitarbeiter von Rheinmetall, die jetzt beim kalifornischen Rüstungsunternehmen Northrop Grumman lernen sollen, wie der Rumpf des hochmodernen und atombombenfähigen Kampfjets F-35 gebaut wird.

Wertvolles Wissen für Rheinmetall in Weeze

Der 61-Jährige und zehn seiner Kollegen sind die ersten Ingenieure und Techniker, die das wertvolle Wissen später in Weeze weitergeben sollen. Im vergangenen August war Spatenstich für die Fabrik, in der Rheinmetall ab 2025 das Mittelrumpfteil des Kriegsfliegers ebenfalls bauen wird. 400 Jobs sollen in der Anlage direkt neben dem Flughafen entstehen.

Die Fabrik von Northrop Grumman liegt im kalifornischen Hinterland, anderthalb Stunden entfernt von Downtown Los Angeles.

Die Rüstungsfabrik von Northrop Grumman in Palmdale, gut anderthalb Stunden von Downtown Los Angeles entfernt im kargen kalifornischen Hinterland gelegen, beehrt an diesem Dienstag hoher Besuch. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst ist gekommen, und Mike Schmidt, Vorstandschef der Rheinmetall Aviation Services, ist mit ihm da. Sie nutzen den Termin, um einander über den grünen Klee zu loben: Der eine preist die Geschwindigkeit Rheinmetalls beim Bau, der andere die hohe Führungskompetenz des Regierungschefs.

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Rheinmetall wird nicht mehr gemieden

Gemeinsam genießen Wüst und Schmidt den Erfolg: Rheinmetall wurde in Weeze ein roter Teppich ausgelegt, Genehmigungen im Schnellverfahren erteilt, zum Spatenstich kam die Regierungsspitze in Person von Hendrik Wüst und seiner Stellvertreterin, der grünen Wirtschaftsministerin Mona Neubaur. In der Zeitenwende wird Rheinmetall als Hersteller von Kriegsgerät nicht mehr gemieden, sondern mit offenen Armen empfangen.

„Wir wollen doch mal ehrlich sein“, sagt Wüst zwei Stunden vor dem Besuch. Er steht am Aussichtspunkt Griffith Observatory über den Dächern von Los Angeles und führt aus, was er unter Zeitenwende versteht: „Mit der Rüstungsindustrie in Deutschland hat man sich in der Vergangenheit nicht auf ein Foto gestellt. Wenn wir das vor drei, vier Jahren gemacht hätten, hätten Sie gesagt: Der Wüst macht was falsch.“

Jetzt zeigt er sich mit ihr nicht nur für ein Foto, er lädt sie gar ein, noch viel mehr als bislang schon in NRW zu investieren: „Ich bin sehr dafür, dass NRW für die Rüstungsindustrie ein noch stärkerer Standort wird.“

Hendrik Wüst zitiert John F. Kennedy

Zweimal zitiert Wüst an diesem Tag Kennedy sinngemäß: „Wer Demokratien entwaffnet, macht Recht und Freiheit schutzlos.“ Dem Bundeskanzler bescheinigt er in Kalifornien, es mit dem Ausruf der Zeitenwende für den Moment richtig gemacht zu haben. „Das war der richtige Begriff für diese Zeit, ich habe leider den Eindruck, dass man den Faden verloren hat.“ Wüst scheint den Faden aufnehmen, die Zeitenwende für sich und NRW kapern zu wollen.

Die Ansiedlung von Rheinmetall in Weeze sei ein Beitrag NRWs zur Zeitenwende und zeige den Willen, an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika die Sicherheit in Europa zu erhalten. Ohne Sicherheit könne es keinen Frieden geben, sagt Wüst. „Die Zusammenarbeit zwischen Nordrhein-Westfalen und Kalifornien, zwischen Rheinmetall, Northrop Grumman und Lockheed Martin ist ein hervorragendes Beispiel für den Technologie- und Know-how-Transfer unter Bündnispartnern im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik.“

Im Detail sieht die Zusammenarbeit so aus: Rheinmetall fertigt die Rumpfmittelteile des F-35 im neuen Werk in Weeze im Auftrag von Northrop Grumman. Denn die US-Amerikaner haben ihre Produktionskapazität voll ausgeschöpft bei stetig steigender Nachfrage aus dem eigenen Land und von internationalen Kunden wie Deutschland, das die Maschine für seine Bundeswehr bestellt hat. Die in NRW hergestellten Flugzeugteile, in denen unter anderem die Waffensysteme untergebracht werden, werden dann zu Lockheed Martin nach Texas gebracht und dort mit anderen Teilen zum F-35 zusammengesetzt. Weitere Endmontagen finden in Italien und Japan statt. Sechs fertige Kampfjets soll Deutschland in den ersten Jahren der Kooperation erhalten.

36 Rumpfmittelteile sind jedes Jahr möglich

Aus Weeze können jährlich maximal 36 Rumpfmittelteile kommen. Die Produktion ist deutlich kleiner als die, die Wüst am Dienstag besichtigt: Dort läuft alle 30 Stunden ein Teil vom Band, 156 im Jahr sind maximal drin. 740 Leute arbeiten in Palmdale auf einer Fläche von etwa 23.000 Quadratmetern in Schichten, um die Air Force und Partnerländer mit Kampfjets zu versorgen.

„Ich möchte aktiv etwas für Deutschland tun“, sagt einer der Rheinmetall-Ingenieure am Ende des Rundgangs durch die komplexe Produktionslinie. Einen Tag zuvor ist er aus Deutschland eingeflogen worden. Wie sein Kollege ist auch er schon lange im Dienst des Unternehmens, seit 23 Jahren, in der Autosparte. Den Wechsel in die Rüstung habe er aktiv betrieben, dafür nehme er künftig auch gerne den einstündigen Weg vom Wohnort Düsseldorf nach Weeze in Kauf, sagt der 47-Jährige. „Ich will meinen Teil dazu beitragen, dass wir uns verteidigen können.“