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NRW-Minister zu Bürgergeld„Wer nicht erkennbar mitwirkt, bekommt keine Leistung mehr“

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Wer die eigene Hilfsbedürftigkeit nicht mit bekämpft, soll nach Willen von Minister Laumann kein Geld mehr bekommen.

Wer die eigene Hilfsbedürftigkeit nicht mit bekämpft, soll nach Willen von Minister Laumann kein Geld mehr bekommen.

Die Diskussionen ums Bürgergeld sind auch in Nordrhein-Westfalen in vollem Gange. Essen will arbeitsfähige Leistungsempfänger verpflichten. Und auch Minister Laumann äußert sich streng.

Die Stadt Essen will Bürgergeldbeziehern den Leistungsbezug erschweren. Das schreibt Stadtdirektor Peter Renzel (CDU) in einem Konzeptpapier an das NRW-Arbeitsministerium, das auch dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Darin heißt es, diejenigen, „die im Leistungsbezug, aber erwerbsfähig sind, sollen nach einem Work First-Ansatz trotzdem etwas leisten“. Bedeutet: Wer eine Leistung bekommt und drei Stunden am Tag arbeiten könne, „soll dazu verpflichtet werden, eine vom Jobcenter zugewiesene, gemeinnützige Arbeitsgelegenheit anzunehmen“.

Gemeinwohlarbeit sei die „niederschwelligste Form der Beschäftigungsförderung“. Wer nicht zu arbeiten in der Lage sei, solle vom Sozialamt betreut werden. Neu am Essener Konzept ist der Ansatz, den Leistungsbezug selbst von einer Beschäftigung abhängig zu machen. Eine solche Idee verfolgt auch die Stadt Schwerin. Dort hatte der Stadtrat beschlossen, Bürgergeldempfänger zur Arbeit zu zwingen. Man erarbeite derzeit ein Konzept dazu.

Die Stadt Essen verknüpft in einem Konzept Leistungsbezug direkt mit Beschäftigung

Die Stadt Essen erstellte das Papier eigenen Angaben zufolge, um die Expertise der Kommunen bei einer anstehenden Bürgergeldreform stark zu machen. Aus Essen heißt es, der Deutsche Städtetag erarbeite hierfür derzeit eine Position. Beim Städtetag spricht man von einer generellen Fach-Arbeitsgruppe, in welcher Arbeitsmarktbeschlüsse und Fragen zur sozialen Integration diskutiert und auch Best-Practice-Beispiele aus den Kommunen eingebracht würden.

Auch mit dem Stadtratsbeschluss aus Schwerin werde man sich dort beschäftigen. Sollte das Thema im Parlament diskutiert werden, bringe man sich sicher ebenfalls mit einer Position ein.

Eigenverantwortung von Leistungsbeziehern

NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) begrüßt auf Anfrage dieser Zeitung „ausdrücklich Reformvorschläge, die den Leistungsbezug verbindlicher und fordernder machen“. Er trete seit 2019 energisch dafür ein, „den Bezug von Grundsicherungsleistungen an die Mitwirkungsbereitschaft der Leistungsempfänger zu knüpfen“. Heißt: „Wer erkennbar nicht an der Beseitigung der eigenen Hilfebedürftigkeit mitwirkt – und darunter würde dann auch die Ablehnung zumutbarer Arbeit fallen – bekommt überhaupt keine Leistungen mehr.“ Das Sanktionen-Urteil des Bundesverfassungsgerichts erlaubt Laumann zu Folge eine solche Regelung ausdrücklich.

Der Bezug von Leistungen der Grundsicherung sei stets darauf gerichtet gewesen, die Eigenverantwortung der Leistungsbezieher zu stärken und ihre Hilfebedürftigkeit zu verringern. „Daher kann die Gemeinschaft steuerzahlender Bürger mit Recht einfordern, dass im Grundsatz jede zumutbare Arbeit angenommen werden muss und bei Weigerung spürbare Leistungsminderungen eintreten“, teilt das Ministerium auf Anfrage mit. Das Bürgergeld der Ampel habe dazu geführt, „dass die Arbeitsvermittler in den Jobcentern zu wenig Mittel in der Hand haben, von den Leistungsbeziehern Eigenbemühungen einzufordern“.

Dass Kommunen nun Bundesgesetzgebung einzeln auslegen, ist wenig zielführend
Daniel Schranz, Oberbürgermeister Oberhausen

Essen geht mit seinem Papier weiter als alle anderen Städte und Kommunen, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ zur Frage einer Bürgergeldreform angefragt hat. In Oberhausen hält es Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) zwar ganz grundsätzlich für wichtig, „dass sich jeder nach seinen Möglichkeiten engagiert – selbstverständlich auch die Menschen, die von der Allgemeinheit über die staatlichen Leistungen unterstützt werden“. Es sei richtig, darüber nachzudenken, wie mehr arbeitsfähige Menschen ohne Job in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten. „Dass Kommunen nun Bundesgesetzgebung einzeln auslegen, ist allerdings wenig zielführend; die Stadt Oberhausen wird sich mit anderen Kommunen im Städtetag abstimmen.“ Aus Hamm heißt es, derlei Überlegungen seien gar kein Thema. In Mülheim an der Ruhr teilt mit, man werde die Entwicklung in Schwerin beobachten.

Hört man sich in den Landtagsfraktionen um, so findet der Essener Ansatz zumindest in der CDU sowie in der FDP Anklang. FDP-Landeschef Henning Höne sagte unserer Zeitung: „Wer Unterstützung vom Staat erhält und arbeiten kann, sollte auch einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Der Ansatz der Stadt Essen, Bürgergeld-Empfänger stärker in die Verantwortung zu nehmen, ist richtig.“ Arbeit fördere Eigenverantwortung, gesellschaftliche Teilhabe und den Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt. „Für die FDP ist klar: Unterstützung und Eigenleistung gehören zusammen.“ Gemeinnützige Tätigkeiten seien sinnvoll, dürften allerdings keine regulären Arbeitsplätze verdrängen.

Marco Schmitz unterstreicht, die Position der CDU-Fraktion NRW orientiere sich am Grundsatz „Fördern und Fordern“. „Soziale Unterstützung muss dort greifen, wo sie wirklich gebraucht wird, aber auch Verantwortung und Eigenleistung einfordern.“ Der Vorschlag der Stadt Essen, erwerbsfähige Bürgergeld-Empfänger zur gemeinnützigen Arbeit zu verpflichten, setzte hier ein wichtiges Signal: „Unser Staat unterstützt, wer Hilfe braucht, stellt aber auch klar: Wer leisten kann, muss leisten.“

Gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten müssten Betroffene allerdings gezielt auf den Arbeitsmarkt vorbereiten. „Gleichzeitig müssen Hinzuverdienstgrenzen reformiert und Transferentzugsraten angepasst werden, um Arbeitsanreize zu stärken.“ Der Weg aus der Grundsicherung müsse klar auf Eigenverantwortung setzen – „mit Maßnahmen, die fair und respektvoll gestaltet sind und die Würde der Betroffenen wahren“.