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Interview

Nach Zoff um Migrationsgesetz
Wüst ruft SPD und Grüne zur Mäßigung auf

Lesezeit 3 Minuten
Der Ministerpräsident von NRW, Hendrik Wüst (CDU), im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger.“

Der Ministerpräsident von NRW, Hendrik Wüst (CDU), im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger.“

NRW-Ministerpräsident Wüst äußert sich im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu den Folgen des Streits über die Migration.

Herr Ministerpräsident, die Debatte um das „Zustrombegrenzungsgesetz“ hat hohe Wellen geschlagen. Nützt die Polarisierung der Union?

Ich bin zuversichtlich, dass wir als Union mit unserer klaren Position in der Migrationspolitik auch Menschen überzeugen können, ihr Kreuz bei uns statt etwa bei der AfD zu machen. Das wäre in jedem Fall gut für die Demokratie.

Am Wochenende hat es massive Proteste gegen den Versuch von Friedrich Merz gegeben, das „Zustrombegrenzungsgesetz“ mit den Stimmen der AfD durchzusetzen. Waren Sie mit dem Vorgehen von Merz einverstanden?

Friedrich Merz hat beim CDU-Parteitag keinen Zweifel daran gelassen, dass die AfD der Hauptgegner der Union in der politischen Auseinandersetzung ist. Wir tun gut daran, uns die Entwicklung in unseren Nachbarländern anzugucken. Wenn die politische Mitte nicht in der Lage ist, die Probleme zu lösen, bekommt man das Wachstum an den Rändern nicht mehr in den Griff. Es war richtig, auf den Anschlag von Aschaffenburg eine klare politische Antwort zu geben, so wie Schwarz-Grün es nach dem Attentat von Solingen gemacht hat. Friedrich Merz hat das getan, was Bundeskanzler Olaf Scholz versäumt hat.

Der Ton zwischen den demokratischen Parteien muss jetzt wieder versöhnlicher werden
Hendrik Wüst

Das Verhältnis zwischen CDU und Rot-Grün ist aktuell schwer belastet. Nach der Bundestagswahl muss man sich aber möglicherweise wieder an einen Tisch setzen und über eine Zusammenarbeit verhandeln. Kann das funktionieren?

Ich habe die Hoffnung darauf und bin weiter zuversichtlich. Der Ton zwischen den demokratischen Parteien muss jetzt wieder versöhnlicher werden. Nach der Wahl muss es wieder möglich sein, an einem Tisch zu sitzen und vertrauensvoll über eine Regierungsbildung zu verhandeln. Wenn die demokratischen Parteien der Verrohung Vorschub leisten, fällt ihnen das selbst vor die Füße. Man sollte nie ausschließen, dass der andere vielleicht auch recht haben könnte. Die großen Fragen der Zeit lösen wir am besten in einer Allianz der Mitte der demokratischen Parteien.

Kanzlerkandidat Friedrich Merz (r, CDU) zusammen mit Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, bei einer Wahlkampfveranstaltung

Kanzlerkandidat Friedrich Merz (r, CDU) zusammen mit Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, bei einer Wahlkampfveranstaltung

Die Abneigung gegen Merz sitzt bei SPD und Grünen zum Teil tief. Was macht die CDU, wenn Rot-Grün sagt: „Wir machen Jamaika, aber nicht mit Merz an der Spitze“?

Das Szenario sehe ich nicht. Wir müssen versuchen, stark genug zu werden, um möglichst ein Zweierbündnis hinzubekommen. Darin muss die Union klar stärkste Kraft sein. Dreierkonstellationen sind schwierig, wie der Dauerstreit in der Ampel eindrucksvoll und zum Schaden Deutschlands gezeigt hat.

Der Bundesparteitag hat einen harten Kurs in der Migrationspolitik beschlossen. Was wird sich davon umsetzen lassen, wenn die Union mit SPD und/oder Grünen koalieren muss?

Bei uns in Nordrhein-Westfalen haben wir nach dem Anschlag von Solingen gezeigt, dass es möglich ist, mit den Grünen zu guten, konsequenten Ergebnissen beim Thema Migration und Innere Sicherheit zu kommen. Da muss man manchmal weite Wege gehen und Kompromisse schließen. Aber das ist auch die Aufgabe der Politik. Ich bin sicher, dass das auch im Bund gelingen kann. Der Gesprächsfaden zwischen CDU, SPD, Grünen und FDP ist ja auch bei der hitzigen Debatte über das Zuwanderungsbegrenzungsgesetz in der vergangenen Woche nie ganz abgerissen.

Sie wünschen sich ein Zweierbündnis – rechnerisch hätte derzeit laut Umfragen aber selbst ein Bündnis von CDU und SPD keine Mehrheit im Deutschen Bundestag …

Als ich Ende 2021 Spitzenkandidat der NRW-CDU wurde, lagen wir in den Umfragen 13 Prozent hinter der SPD, wenige Monate später haben wir die Landtagswahl mit neun Prozent Vorsprung gewonnen. Noch kurz vor der Wahl war ein Kopf-an-Kopf-Rennen vorhergesagt worden. Vor diesem Hintergrund würde ich aus den aktuellen Umfragewerten keine allzu großen Erkenntnisse ableiten. Viele Menschen entscheiden sich erst noch, wen sie wählen. Für die Union ist daher noch deutlich mehr drin.