Besonders die Unzufriedenheit mit etwa Schulpolitik auf der einen Seite, das steigende Vertrauen in die Landesregierung auf der anderen seien auffällig, so der Experte.
NRW-CheckPolitik-Experte zur Bundestagswahl: „Nach allen Seiten offen“
Herr Professor Poguntke, was ist Ihnen an den Ergebnissen des neuen „NRW-Check“ besonders aufgefallen?
Bei Themen, bei denen die Landespolitik etwas zu melden hat wie Schule, Kitas, Verkehr oder Sicherheit, fällt die Leistungsbilanz aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger sehr negativ aus. Das wirkt sich aber nicht auf die Zufriedenheit mit der Landesregierung und mit Ministerpräsident Hendrik Wüst aus. Deren Werte haben sich von Umfrage zu Umfrage verbessert. Das ist ein auffallender Widerspruch.
Welche Erklärung haben Sie dafür?
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Die Spitzen der Landespolitik, nicht nur in NRW, setzen auf in ihrer Selbstdarstellung auf einen landesväterlichen beziehungsweise -mütterlichen Führungsstil. Mit unterschiedlichen Akzenten, je nach Persönlichkeit. Markus Söder bejubelt stets die Schönheit Bayerns. Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz verströmte in ihrer Amtszeit soziale Wärme. Und auch Hendrik Wüst gibt schon in jungen Jahren den Landesvater – repräsentativ und relativ geräuschlos. Konflikten geht er geschickt aus dem Weg, beziehungsweise schickt seine Minister vor. Nehmen Sie das Messerattentat von Solingen: Die Diskussion um Terrorprävention, illegale Migranten und etwaige Abschiebungen überlässt Wüst seinem Innenminister Herbert Reul. Er selbst – etwas überspitzt gesagt – geht dafür zu den Gedenkfeiern.
Schon Laschet vor Wüst regierte NRW relativ konfliktarm
Ist das auch eine Wahrnehmung der Menschen im Kontrast zur Bundespolitik? In Berlin geht es drunter und drüber, in Düsseldorf ist Ruhe?
Ein wichtiger Punkt! Es war eigentlich schon ein Markenzeichen von Wüsts Vorgänger Armin Laschet, dass er 2017 bis 2021 in der auf Länderebene seltenen schwarz-gelben Kombination von CDU und FDP konfliktarm, konsensual regiert hat. Und das ist jetzt auch in der schwarz-grünen Koalition so. Das honorieren die Menschen. Im Bund dagegen macht die Merz-CDU immer wieder lautstark Front gegen die Grünen – und umgekehrt.
Heißt aber auch: Für die Wählerinnen und Wähler in NRW wäre Schwarz-Grün im Bund kein Schreckgespenst?
Nicht notwendigerweise, weil die Probleme andere sind. Wenn man in die Geschichte der Bundesrepublik zurückgeht, waren in den Ländern immer Konstellationen möglich, die im Bund nicht funktioniert haben, weil dort andere Themen im Vordergrund stehen. Nehmen Sie die aktuell heißen Eisen: Die Eckpunkte der Energie- und Wirtschaftspolitik, die werden in Berlin bestimmt. Dasselbe gilt für die Verteidigungspolitik. Da müssen sich die Parteien zusammenraufen. In den Ländern kommen Partner, die ideologisch nicht gut zueinander passen, leichter zusammen. Für NRW muss man aber auch sagen, dass die Grünen hier sehr pragmatisch sind. Das war früher zur Zeit der rot-grünen Koalitionen nicht immer so.
Wenn man die Sonntagsfrage für den Bund aus dem aktuellen NRW-Check fortschreibt, könnte Friedrich Merz sich als Kanzler aussuchen, mit wem er regiert: mit der SPD oder den Grünen. Außerdem hätten wir es mit einem Vier-Parteien-Parlament zu tun: FDP, Linkspartei und BSW kämen nicht in den Bundestag. Glauben Sie, da zeichnet sich schon etwas für die Wahl am 23. Februar ab? NRW stellt immerhin die meisten Wähler.
Ich glaube, bis zur Wahl ist noch viel Bewegung möglich. Für die Machtoptionen der Union weisen Wüst und auch CDU-Ministerpräsident Daniel Günther aus Schleswig-Holstein immer wieder darauf hin, dass Schwarz-Grün vernünftig regieren kann. In der Außenpolitik – Stichwort Ukraine – kämen Union und Grüne ganz gut überein. Im Bereich Migrationspolitik oder Kriminalitätsbekämpfung täte sich die Union mit der SPD leichter. Aber bis diese Fragen anstehen, kann sich die Weltlage ja noch gewaltig ändern. Denken Sie an den Amtsantritt von Donald Trump im Januar. Aber schon jetzt ist unverkennbar, dass die CDU unter Merz dieselbe Strategie fährt wie zuletzt in Hessen.
Nämlich?
Nach allen Seiten offen.
Das Gespräch führte Joachim Frank
Zur Person
Thomas Poguntke, geb. 1959, ist Politikwissenschaftler und seit 2011 Co-Direktor des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung an der Universität Düsseldorf. (jf)