In einem Hotel nahe Potsdam ging es um den Plan, Millionen Menschen aus Deutschland zu vertreiben. Ein rechtsextremer Zahnarzt aus Düsseldorf lud ein.
Rechtsextreme sprachen über VertreibungWelche Rolle fünf Männer und Frauen aus NRW beim Geheimtreffen spielten
Es ging um die Vertreibung von Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland – auch solchen, die deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind. Im Sinne der Legalität dieser Vertreibung müssten im Zweifel eben die Gesetze entsprechend geändert werden, lautete der Tenor. In Afrika könne es einen „Musterstaat“ geben, in dem zwei Millionen Vertriebene leben könnten. Als der österreichische Neonazi Martin Sellner diesen rassistischen „Masterplan“ mit dem Ziel, „die Ansiedlung von Ausländern rückabzuwickeln“ im November in einem Hotel nahe Potsdam darlegte, waren aber nicht bloß bekannte Rechtsextremisten vor Ort.
Auch bislang in der Szene unbekannte Männer und Frauen aus Köln, dem Bergischen Land und Düsseldorf waren anwesend oder spielten bei dem Treffen eine entscheidende Rolle. Einige sind Mitglieder der CDU, andere in der AfD oder der Werte-Union aktiv. Das belegen Recherchen von „Correctiv“. Sie trafen sich wenige Kilometer entfernt von der Villa, in der die Nationalsozialisten auf der Wannseekonferenz 1942 die Vertreibung und Vernichtung der Juden beschlossen. Um diese fünf Personen geht es:
Gernot Mörig
Gernot Mörig war in Düsseldorf Zahnarzt und ist heute im Ruhestand. Er war Spezialist für ästhetische Zahnmedizin und Lehrbeauftragter der Universität Düsseldorf. In den 1970er Jahren war Gernot Mörig sogenannter Bundesführer des rechtsextremen „Bunds Heimattreue Jugend“. In dieser Zeit schrieb er in einer einschlägigen Zeitschrift: „Jedes Lebewesen auf dieser Welt führt von Geburt an in mehr oder weniger harter Form einen Kampf ums Dasein (...), so braucht zum Beispiel jedes Volk Raum zum Leben, dieser Raum muss jedoch erkämpft werden. (...) Angehörige eines Volkes sind zumeist durch ein mehr oder weniger gemeinsames Generbe geprägt.“
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Es war Mörig, der laut „Correctiv“ gemeinsam mit dem Unternehmer Hans-Christian Limmer im Namen eines „Düsseldorfer Forums“ zum Treffen nahe Potsdam eingeladen hatte. In der Einladung ist demnach von einem „exklusiven Netzwerk“ die Rede. Teilnehmer sollen mindestens 5000 Euro spenden, mit dem Geld sollen rechtsextreme Bündnisse gefördert werden. „Es bedarf Patrioten, die aktiv etwas tun und Persönlichkeiten, die diese Aktivitäten finanziell unterstützen“, zitiert „Correctiv“ aus der Einladung. In dieser wurde demnach auch der Neonazi Martin Sellner angekündigt, zudem ist die Rede von einem „Gesamtkonzept, im Sinne eines Masterplans“.
Mit den Recherchen konfrontiert, antwortet Mörig „Correctiv“, er habe Sellners Ausführungen zur Vertreibung von Millionen Menschen „anders in Erinnerung“, er distanziere sich.
Roland Hartwig
Roland Hartwig ist einer der engsten Mitarbeiter der AfD-Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel, saß selbst für die Partei im Bundestag, war AfD-Vorstandsmitglied im Rheinisch-Bergischen Kreis und trat für sie in Leverkusen bei der Oberbürgermeisterwahl an. In die AfD sei er eingetreten, weil „CDU und FDP zu weit nach links gerückt waren“, so Hartwig. In seinem Berufsleben war der heute 69-Jährige Chef-Jurist beim Leverkusener Bayer-Konzern.
Beim Treffen mit Rechtsextremen zeigt er den Recherchen zufolge Sympathie für ihre Ideen, bekennt sich als Fan und Leser Sellners. Und er spricht selbst vor den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, stellt die Finanzierung rechter Projekte durch die AfD in Aussicht und will Gesprächsinhalte in den Bundesvorstand tragen.
„Ich werde zu dem Thema nichts sagen und keine Stellung nehmen“, sagt er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Lesen Sie hier ein ausführliches Porträt über Roland Hartwig und seine Teilnahme am Geheimtreffen.
Ulrich Vosgerau
Ulrich Vosgerau ist heute Rechtsanwalt in Berlin. Von 2006 bis 2018 lehrte er an der Uni Köln unter anderem zu Grundrechten und Staatsorganisationsrecht. Von 2007 bis 2015 war er als Akademischer Rat beschäftigt. Zuletzt gab er im Wintersemester 2017/18 ein Seminar. Vosgerau führt bis heute den Titel Privatdozent in Verbindung mit der Universität zu Köln. Als Rechtsanwalt vertrat er in der Vergangenheit auch die AfD und war Mitglied im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.
Der Jurist war bis 2015 Mitglied der Kölner CDU. Wie CDU-Kreisgeschäftsführer Bastian Ebel dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigt, gehört er inzwischen einem anderen Kreisverband außerhalb von Nordrhein-Westfalen an.
Beim Geheimtreffen im November hält Vosgerau einen Vortrag über Briefwahlen und bezweifelt, dass junge Wählerinnen türkischer Herkunft sich eine unabhängige Meinung bilden können. Laut „Correctiv“ ist Vosgerau der Idee aufgeschlossen, für die kommenden Wahlen ein Musterschreiben zu entwickeln, um deren Rechtmäßigkeit in Zweifel zu ziehen.
Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigt Vosgerau seine Teilnahme an der Veranstaltung, eine laut ihm „rein private Zusammenkunft, die dem Austausch über politische Gegenwartsfragen ohne jede Außenwirkung dienen sollte.“ Der Kreis habe sich schon öfter getroffen. Vosgerau sei erstmalig dabei gewesen. „Ich war vermutlich eingeladen, weil ich mehrere der Teilnehmer seit geraumer Zeit anwaltlich vertrete.“
Vosgerau sagt, er sei nicht als Redner gebucht gewesen, sondern spontan gebeten worden, einen Vortrag zu halten. Vom Thema „Remigration“ habe er vorab nichts gewusst. In seiner Gegenwart habe „niemand die Ausbürgerung von bereits eingebürgerten Deutschen verlangt“. Zum Thema „Remigration“ im Allgemeinen sagt er: „Das muss ja nicht rechtswidrig sein.“
„Ich hatte gehört, dass Sellner ein sehr angenehmer, durchaus gebildeter junger Mann sei, mit dem man vernünftig reden könne. Ich habe daher die Gelegenheit wahrgenommen, mir einen eigenen Eindruck zu verschaffen“, sagt Vosgerau dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er pflege normalerweise keine Kontakte zu Rechtsextremisten, so der Jurist am Donnerstag in Magedburg. Aber: „Es muss möglich sein, in einem privaten Kreis auch mit Menschen einmal zu sprechen, die im Verfassungsschutzbericht auftauchen.“
Simone Baum & Michaela Schneider
Simone Baum ist Vorsitzende der CDU-nahen, konservativen Werteunion in NRW und ihre stellvertretende Bundesvorsitzende. Baum ist Mitglied der CDU in Engelskirchen im Oberbergischen Kreis. Sie saß von 2014 bis 2020 für die CDU-Fraktion im Rat der Gemeinde Engelskirchen.
Von „Correctiv“ wird Baum als Teilnehmerin des Treffens nahe Potsdam geführt, Äußerungen von ihr sind von der Veranstaltung nicht überliefert. Sie will gegenüber dieser Zeitung am Donnerstag weder bestätigen noch abstreiten, an dem Treffen teilgenommen zu haben, und belässt es bei einer kurzen Stellungnahme: „Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich eine Demokratin bin. Ich kenne meine Grenzen. Mehr sage ich nicht.“
Michaela Schneider lebt im oberbergischen Morsbach, ist im Immobiliengeschäft tätig und Vize-Vorsitzende der Werte-Union NRW, zudem ist sie Mitglied der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU. Schneider will die Berichte über ihre Teilnahme am Geheimtreffen am Donnerstag nicht kommentieren.
Thomas Breuer, CDU-Landesgeschäftsführer in NRW, will sich aus Datenschutzgründen nicht zu Einzelpersonen äußern, sagt aber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Sollten Mitglieder von uns an solchen Treffen teilnehmen, hat das Konsequenzen und wird nicht folgenlos bleiben. Wir werden dem intensiv nachgehen. Wer an solchen Treffen teilnimmt, verstößt gegen Grundsätze der CDU.“ (mit dpa)