Nach erfolglosen Diät-Versuchen hilft stark Übergewichtigen oft nur eine Magen-OP. Schwarz-Grün plant aber mit abnehmenden Fallzahlen.
Kampf gegen AdipositasLässt Laumann die Übergewichtigen im Stich? – Streit um Versorgung in NRW
Die junge Frau wog 168 Kilo, bevor sie sich zu einem operativen Eingriff entschloss, um ihr Gewicht zu reduzieren. In einem Kölner Krankenhaus bekam sie einen „Mini-Magen-Bypass“. Der Eingriff hat sich gelohnt. Die 1,71 Meter große Sarah S. erreichte fast ihr Normalgewicht, verbreitet „vorher“ und „nachher“ Bilder auf der Internetseite der Klinik. Fälle wie der von Sarah S. machen vielen Betroffenen Mut. Seit 2012 hat sich die Zahl der Operationen bei Adipositas nach Angaben des Statistischen Landesamts in NRW verdreifacht.
Die steigenden Fallzahlzahlen verursachen allerdings auch erhebliche Kosten für das Gesundheitssystem. Im Jahr 2023 wurden in NRW 9271 Menschen am Magen operiert, um besser abnehmen zu können. Im Krankenhausbedarfsplan von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) wird allerdings nur ein Bedarf von 5813 Fällen angenommen. Das entspricht einer Reduzierung von 37 Prozent. „Wenn Schwarz-Grün das durchzieht, wird die Versorgung von Adipositas-Betroffenen in NRW dramatisch verschlechtert“, sagte Lisa-Kristin Kapteinat, Vize-Fraktionschefin der SPD im Düsseldorfer Landtag, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Minister Laumann stehe jetzt in der Verantwortung, die Planung zu stoppen.
Ein Viertel der Adipositas-Patienten ist jünger als 15 Jahre
Laut „IT.NRW“ waren im letzten Erhebungszeitraum mehr als zwei Drittel (69,7 Prozent) der wegen Adipositas stationär behandelten Personen Frauen. Auch Kinder und Jugendliche leiden zunehmend an sehr starkem Übergewicht. Bereits ein Viertel (24,9 Prozent) der Patienten sind jünger als 15 Jahre. Eine alarmierende Situation. Kommt der Laumann-Entwurf zum Tragen, würde allerdings mehr als die Hälfte der Klinik-Standorte in NRW keine Betroffenen mehr versorgen können.
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Die SPD-Fraktion hatte die Landesregierung in einer Kleinen Anfrage aufgefordert, zu dem Vorgang Stellung zu beziehen. Laumann antwortete ausweichend. Die Fallzahlen aus dem Jahr 2023 seien reine Abrechnungsdaten der Krankenhäuser, die „nichts über den tatsächlichen Bedarf an medizinischen Leistungen“ aussagen würden. Die Bedarfsprognose errechne sich aus einem Algorithmus, in den auch die demografische Entwicklung und andere Daten einfließen würden. „Laumann drückt sich offenbar vor unangenehmen Antworten“, so Kapteinat. Die Landesregierung lasse „die Betroffenen im Stich“.
Fortschritte bei den OP-Verfahren führt zu mehr Bedarf
Die Opposition sieht auch die wohnortnahe Versorgung gefährdet. „Menschen mit Adipositas müssen in Zukunft sehr lange Anfahrtswege und Wartezeiten in Anspruch nehmen“, kritisiert Kapteinat. Während für die Allgemeine Chirurgie das Ziel bestehe, dass diese für 90 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 20 Minuten erreichbar sein soll, gilt das für die Magen-OPs nicht. Denn laut Gesundheitsministerium handelt es sich dabei um eine „hochspezialisierte“ Leistung, die auf „Ebene des Regierungsbezirks beplant“ werde. Dabei sei die Wohnortnähe „von untergeordneter Bedeutung“.
Auch die FDP im Landtag beobachtet die Vorgänge mit großer Sorge. „Die Versorgung von Adipositas-Patientinnen und -Patienten in NRW steht auf wackligen Füßen, und der neue Krankenhausplan könnte die Situation noch verschärfen“, sagte Susanne Schneider, Gesundheitsexpertin der Liberalen, unserer Zeitung.
Angesichts der Fortschritte bei den OP-Verfahren sei ein zunehmender Bedarf zu erwarten, der in der Planung nicht ausreichend berücksichtigt werde. „Menschen mit Adipositas haben ein Recht auf Zugang zu einer angemessenen Behandlung – und das auch in Zukunft“, sagte Schneider. NRW brauche eine zukunftsgerichtete Planung, die die „Realität ernst“ nehme und dafür sorge, dass die Menschen die Behandlung erhielten, die sie dringend benötigten.
Voraussetzung vor eine Adipositas-OP ist zunächst, dass konventionelle Abnehmversuche gescheitert sind. Betroffenen mit einem Body Maß Index dritten Grades (BMI größer 40) wird oft ein Eingriff empfohlen. Dieser Wert ist bei erwachsenen Frauen beispielsweise erreicht, die bei einer Körpergröße von 1,60 Metern mehr als 103 Kilogramm wiegen. Bei einer Körpergröße von 1,80 Meter liegt der Grenzwert bei 129 Kilo.