Der Ministerpräsident wirbt in einer Sondersitzung des Landtages zum Anschlag in Solingen dafür, Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen.
Wüst fordert mehr Befugnisse„Die Instrumente sind da, geben wir sie unserer Polizei an die Hand“
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat bei seiner Regierungserklärung im Landtag zum Terroranschlag in Solingen mehr Befugnisse für Polizei und Nachrichtendienste gefordert „Wenn wir bereit sind, unsere Freiheit und Sicherheit zu verteidigen, muss der Schutz der Daten zurückstehen“, sagte der CDU-Politiker. „Wir müssen hier zu einer neuen Balance kommen.“ Der Datenschutz sichere „eine vermeintliche Freiheit“ im digitalen Raum: „Aber Datenschutz verhindert oft, dass wir unsere Freiheit im echten Leben so wirksam schützen können, wie es technisch eigentlich möglich wäre“, sagte der Ministerpräsident.
Um die Freiheit wirksam verteidigen zu können, müssten die Sicherheitsbehörden in die Lage versetzt werden, terroristische Gefahren frühzeitig zu erkennen und zu bekämpfen. „Dazu müssen sie wissen, was im Internet und in Messengerdiensten vor sich geht“, sagte Wüst. Die radikalisierten jungen Männer stünden miteinander im Kontakt, kommunizierten über verschiedenste Medien. „Diese Verbindungen zu kennen, ist der wichtigste Schlüssel zur Gefahrenabwehr“, so der CDU-Politiker aus dem Münsterland.
Sicherheitsexperten würden zudem immer wieder eine verfassungskonform ausgestaltete Vorratsdatenspeicherung einfordern. „Die Instrumente sind da, geben wir sie unserer Polizei und unseren Nachrichtendiensten an die Hand, damit sie ihren Job noch besser machen können“, erklärte Wüst. Das Attentat von Solingen habe das Land bis ins Mark getroffen. „Doch sein Ziel, einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben, hat der Attentäter verfehlt“, sagte Wüst unter Beifall. NRW sei in diesen Tagen enger zusammengerückt. Der Regierungschef appellierte an die Bürger: „Lassen Sie uns diese gemeinsame Nähe zu einer Kraft für die Verteidigung unserer Freiheit werden.“
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Wüst: 2023 sind in NRW 3967 Abschiebung gescheitert
Wüst forderte die Bundesregierung zudem auf, die Regeln in der Asylpolitik zu verschärfen. Er werbe schon länger dafür, Asylverfahren außerhalb Deutschlands und der EU durchzuführen. „Wer kein Recht hat, hier zu sein, soll sich gar nicht erst auf den Weg machen“, sagte der Ministerpräsident. Deutschland brauche wirksame Rücknahmeabkommen mit den wichtigsten Herkunftsländern und eine Reaktivierung des Türkeiabkommens. Das Dublin-Verfahren für Rückführungen an die EU-Außengrenze müsse vereinfacht werden.
Wüst sprach sich dafür aus, das Grundrecht auf Asyl in Deutschland zu erhalten. Es seien aber auch Hunderttausende gekommen, die kein Recht auf Asyl hätten. 2023 sei in NRW in 3967 Fällen die Abschiebung gescheitert. Die große Zahl der Schutzsuchenden habe zu einer Überforderung geführt. „In Kitas und Schulen, die zehntausende zusätzliche Kinder betreuen und unterrichten müssen, auch aus der Ukraine“, betonte Wüst.
In der vergangenen Woche hat ein 26-jähriger Mann aus Syrien beim Stadtfest in Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere schwer verletzt. „Er hatte bereits in Bulgarien einen Asylantrag gestellt und hätte dorthin zurückgemusst. Es hat offenkundig beim Versuch, ihn nach Bulgarien zu überstellen, Versäumnisse gegeben“, sagte Wüst. Mögliche Fehler müssten klar benannt werden. Es ergebe aber keinen Sinn, Behördenmitarbeiter, die seit Jahren am Limit arbeiten würden, für das Attentat verantwortlich zu machen.
Steinmeier kommt nach Solingen
Wüst hatte sich am Montag gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (CDU) am Tatort in Solingen zu einem Gespräch mit den Rettungskräften getroffen. Die meist noch jungen Ersthelfer seien in der Ausnahmesituation über sich hinausgewachsen. Sie haben alles getan, um Leben zu retten, und seien von den schrecklichen Erlebnissen traumatisiert. „An die Tränen werde ich mich immer erinnern. Mit großem Respekt danken wir Ihnen für Ihr Herz und Ihr Handeln. Wir verneigen uns vor Ihnen“, sagte Wüst.
Am Sonntag wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Theater und Konzerthaus der Stadt Solingen mit Angehörigen, Opfern, und Einsatzkräften sprechen. Anschließend wird er gemeinsame mit Wüst einen Kranz am Tatort niederlegen. NRW-Innenminister Herbert Reul hat aus Anlass der Gewalttat in Solingen eine Trauerbeflaggung angeordnet. „Nie war es wichtiger, Geschlossenheit und Solidarität zum Ausdruck zu bringen. Die Trauerbeflaggung ist ein stilles, aber kraftvolles Zeichen des Gedenkens an die Opfer, Hinterbliebenen und Betroffenen“, so der CDU-Politiker aus Leichlingen.