Die Pflegetochter des Ex-Priesters und Serientäters Hans Ue. hat das Erzbistum auf insgesamt 850.000 Euro verklagt. Die Kirche verzichtet auf die Einrede der Verjährung.
SchmerzensgeldklageErzbistum Köln macht Weg für Prozess im Fall Hans Ue. frei
Auch in der zweiten Schmerzensgeldklage eines Missbrauchsopfers verzichtet das Erzbistum Köln auf die Einrede der Verjährung. Damit kann das von der Pflegetochter des früheren Priesters und Seriensexualstraftäters Hans Ue. angestrengte Verfahren vor dem Landgericht ohne Hürden stattfinden. Ein Termin steht noch nicht fest, dürfte aber nicht mehr in diesem Jahr stattfinden.
Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ geht die Entscheidung des Erzbistums aus der Erwiderung auf die eingereichte Klage hervor. Eine Sprecherin des Landgerichts bestätigte dies. Im Übrigen beantragten die Anwälte des Erzbistums, die Klage abzuweisen. Unter anderem wird dazu ausgeführt, das Erzbistum sei hier die falsche Adresse. Verantwortlich sei vielmehr das Jugendamt.
Anwalt der Klägerin über Entscheidung des Erzbistums erfreut
F.s Anwalt Eberhard Luetjohann zeigte sich im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ einerseits erfreut über den Verzicht des Erzbistums auf die Einrede der Verjährung – nicht nur im Interesse seiner Mandantin, sondern auch wegen der Signalwirkung, die dies auf andere Bistümer haben dürfte. Andererseits pochte er auf die Verantwortung der Kirche, der sie im Fall von Melanie F. nicht nachgekommen sei.
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Die heute 57 Jahre alte Melanie F. war von Ue., der 2022 vom Landgericht Köln zu zwölf Jahren Haft verurteilt und später vom Vatikan mit der Entlassung aus dem Klerikerstand bestraft wurde, im Jahr 1979 zusammen mit einem zwei Jahre älteren Jungen in Pflege genommen worden. Der damalige Kölner Erzbischof, Kardinal Josef Höffner, gestattete dies dem Geistlichen auf dessen besonderes Drängen ausnahmsweise – und mit der Auflage, dass die Kinder getauft würden und dass eine Haushälterin mit in die gemeinsame Wohnung ziehen sollte, was nie geschah.
Minderjähriges Missbrauchsopfer zweimal geschwängert
Vom Ende der 1970er Jahre an wurde F. über fünf Jahre hinweg aufs Schwerste missbraucht. Zweimal wurde sie von ihrem Pflegevater schwanger. Im ersten Fall ließ Ue. ohne das Wissen seiner Pflegetochter einen Abbruch vornehmen, im zweiten Fall entschied die junge Frau sich selbst zu diesem Schritt.
Jetzt hat sie die Kirche auf insgesamt 850.000 Euro verklagt: 830.000 Euro Schmerzensgeld sowie weitere 20.000 Euro als sogenannten materiellen Vorbehalt. Grundlage ist das Prinzip der sogenannten Amtshaftung, nach dem das Erzbistum für Vergehen seiner Kleriker eintreten muss. Strafrechtlich sind Ue.s Vergehen verjährt. In einem Zivilprozess kann sich die beklagte Partei auf Verjährung berufen. Juristisch ist allerdings umstritten, ob Gerichte diese Einrede bei lange zurückliegenden Missbrauchstaten im Raum der Kirche gelten lassen müssten oder sie stattdessen als Rechtsmissbrauch zurückweisen könnten.
In einem ersten Schmerzensgeldprozess sprach das Landgericht Köln einem ehemaligen Messdiener, der von einem Priester des Erzbistums mehrere hundert Male missbraucht worden war, im Juni eine Summe von 300.000 Euro zu. Wegen der bis dahin noch nicht dagewesenen Höhe und wegen des Mustercharakters erregte das Urteil bundesweit Aufsehen. Die von den katholischen Bistümern eingesetzte Unabhängige Kommission zur Anerkennung des Leids (UKA), die Opfer in einem eigenständigen kirchlichen Verfahren auf der Basis von Freiwilligkeit entschädigt, kündigte an, die Größenordnung der von ihr ausgeschütteten Gelder anhand des Kölner Urteils zu überprüfen. Auch Betroffene aus anderen Bistümern haben mittlerweile Klagen angekündigt.